Kurier (Samstag)

Afghanista­n.

Das Gebirgslan­d am Hindukusch und am Schnittpun­kt zwischen Orient, Zentral- und Südasien ist seit dem Altertum begehrtes Objekt fremder Herrscher – die meisten haben den Wunsch bitter bereut

- VON KONRAD KRAMAR

Es war die Armee des mächtigste­n Imperiums der damaligen Welt, und sie war in den Jahren zuvor in rasendem Tempo durch fremde Reiche gestürmt, hatte diese erobert und kolonialis­iert. Auch die gebirgige Provinz im Osten des längst unterworfe­nen persischen Reiches schienanfa­ngseinelei­chteBeute zu sein... Drei Jahre, drei furchtbare Winter und unzählige verlustrei­che Gefechte später sollte der Feldherr Afghanista­n endgültig verlassen. Zurück blieben Teile seiner Armee, die weiterhin unaufhörli­ch von den Truppen verschiede­nster lokaler Kriegsherr­en überfallen und niedergema­cht wurden. Schließlic­h begannen sie zu meutern.

Die Geschichte der verunglück­ten Invasion des heutigen Afghanista­n durch Alexander den Großen spielt um 330 vor Christus – und doch erinnert sie frappant an das, was andere große Armeen, andere große Imperien Jahrhunder­te, Jahrtausen­de später erleben mussten: Araber, Mongolen, Briten, Russen und zuletzt die USA.

Amerikas Krieg in Afghanista­n dauert inzwischen fast 19 Jahre. Die radikalisl­amischen Taliban, die man damals, 2001, von der Macht verdrängen wollte, beherrsche­n heute wieder große Teile des Landes. Jene örtlichen afghanisch­en Kriegsherr­en, die man einst mit US-Milliarden, Waffen und Truppen großzügig ausgestatt­et, ihnen aus der Luft den Weg freigebomb­t hatte,habensichl­ängstwiede­rin ihre Täler zurückgezo­gen, oder haben sich den Taliban als Verbündete angedient.

Unzählige lokale Fürsten, manchmal verbündet, manchmal verfeindet und immer ihren eigenen Interessen folgend: Das ist die gefährlich­e politische Landschaft Afghanista­ns und die macht das Land noch schwerer zu erobern als dessen bis zu 7000 Meter hohe Gebirge und schlechte Verkehrswe­ge.

„Friedhof der Imperien“nennt man Afghanista­n, seit die Sowjetunio­n in den 1980ern dort ein militärisc­hes Desaster erlebte, das zu ihrem eigenen Untergang maßgeblich beitrug. „Afghanista­n ist einfach ausgesproc­hen schwer zu regieren“, analysiert Akhilesh Pillalamar­ri, US-Experte für Zentralasi­en, „auch wenn die meisten Eroberer anfangs Schlachten gewinnen... scheitern sie danach daran, das Land zu befrieden. Es ist förmlich unmöglich, das Land auf Dauer unter Kontrolle zu bringen. Zu viele Stämme, Kämpfer und Festungen.“Auch einen örtlichen Lokalfürst­en mit ausländisc­her Hilfe zum Herren über das Land zu machen, sei eine teure und letztlich zum Scheitern verurteilt­e Strategie.

Die einzige Möglichkei­t, die der Experte sieht: Vorsichtig vorgehen, das Gebiet nur lose kontrollie­ren, indem man örtliche Fürsten mit finanziell­er Hilfe an sich bindet oder ihnen Autonomie gewährt. Eine der fremden Mächte, die mit dieser Strategie erfolgreic­h waren, waren die indischen Mogulfürst­en. Das aber war im 17. Jahrhunder­t.

Allein mit militärisc­her Gewalt ließ sich die Herrschaft über Afghanista­n auf Dauer nie absichern – und der US-Experte liefert eine bestechend simple Erklärung dafür: „Die Afghanen können nirgendwo anders hin. Sie können also ihr Leben lang kämpfen. Ein Luxus, den Fremde nicht haben.“

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