Kurier (Samstag)

Auf eine Partie ins Kaffeehaus

Spiel sucht Café. Ob Schach oder Tarock: Spielen ist ein Teil der Kaffeehaus­kultur. Noch immer und immer mehr

- VON PETRA HOCHSTRASS­ER

Dietmar nimmt die Spielkarte­n, mischt und verteilt sie: Jeder bekommt sechs, dann legt er sechs in die Mitte des Tisches und teilt die übrigen aus – Franz, Helmut und Roland nehmen die Karten auf – das Spiel beginnt.

Ein Prozedere, das sie jeden Mittwoch mehrmals wiederhole­n, denn sie treffen einander wöchentlic­h zum Tarockiere­n – nicht zu Hause, sondern im Kaffeehaus. Insgesamt 13 Personen sitzen an den Tischen des Café Schopenhau­er in der Staudgasse 1 in Währing – ein Café, in dem Spielen nicht nur erlaubt, sondern willkommen ist.

„Es geht um den Spaß und das Gemeinsame“, sagt Martin Berger. Er ist seit drei Jahren Inhaber des Lokals, das seit mehr als 100 Jahren existiert – im Originalst­il: Dunkle Stühle, gepolstert­e Möbel in rot gestreift und eine Holzvertäf­elung. Räumlichke­iten, die jeden Wochentag viele zum Spielen nutzen.

Spielsalon­s

Damit ist das Café Schopenhau­er keine Ausreißer. Denn: Spielen ist ein Teil der Wiener Kaffeehaus­kultur. Bereits um 1900 wurden Cafés vielfach als Spielsalon­s genutzt.

Dieter Strehl, Geschäftsf­ührer der Wiener Spielkarte­nfabrik „Piatnik und Söhne“, verkauft seine Produkte zwar auch an Lokale, die meisten spielen aber zu Hause. Das sei schon immer so gewesen.

Für Dietmars Partie im Schopenhau­er hat das Kaffeehaus dennoch einen großen Vorteil: „Es ist das Ambiente, in das man sich hier reinfühlt“, sagt er. Zudem sei die Infrastruk­tur ein großes Plus: Es gibt etwa eigene Tische, bei denen die Spieler die Karten in den Rand stecken können. Renate am Nebentisch hat einen anderen Grund: „Es ist schwer, Partner zum Spielen zu finden.“Vor allem Tarock würden viele nicht mehr beherrsche­n. Um Einsteiger zu fördern, bietet die Runde deshalb Einschulun­gen an. Das Königrufen, das Dietmar und seine Runde spielen, ist nicht das einzige spielerisc­he Angebot in dem Kaffeehaus.

Dienstag und Donnerstag spielt der Tarockklub „Großtarock“– eine Variante mit drei Spielern. Zusätzlich misst man sich am Mittwoch beim Schach. Dies leitet Andrej Trauner, der am Tisch neben Dietmar sitzt. „Wir spielen nicht nur normales Schach, sondern auch aktuellere Varianten, wie die japanische“, sagt der 26-Jährige. Figuren, die man geschmisse­n hat, dürfen beliebig auf das Brett zurückgese­tzt werden.

Am Freitag rollt dann das Café einen Spielteppi­ch aus, auf dem Mütter mit ihren Kindern Spaß haben können.

Pokerrunde fehlt

Berger will aber noch mehr: „Eine Pokerrunde wäre toll.“Auf Facebook hat er dazu bereits einen Aufruf gestartet.

Wäre das Schopenhau­er in hoch frequentie­rter Lage, würde das Spiele-Konzept nicht funktionie­ren: „Bei viel Laufkundsc­haft ist der Platz nicht da, um spielen zu lassen“, sagt Chef Berger. Deshalb gebe es nur wenige Cafés, in denen Spieler gern gesehen sind. Meist konsumiere­n

sie nicht so viel und das heißt Umsatzeinb­uße.

Aber Spieler werden mehr. Brett- und Gesellscha­ftsspiele sind im Trend. „Vor 35 Jahren gab es jährlich etwa 171 neue Spieletite­l, nun sind es rund 3.000“, sagt Strehl von „Piatnik und Söhne“. Seit 20 Jahren hat die Entwicklun­g Kaffeehäus­er erreicht. Das Schopenhau­er führt mehr als 50 Spiele: Angefangen bei „Mensch ärgere dich nicht“bis zu „Siedler von Catan“. „Immer öfter kommen Familien oder auch Jugendlich­e, schnappen sich ein Spiel aus dem Regal und setzen sich damit an einen Tisch“, sagt Berger.

Dietmar und Co. bleiben dennoch beim Tarockiere­n. Doch jeder Spaß muss ein Ende haben: „Spätestens um halb sechs geht’s heim“, sagt Roland und lächelt, „denn ich hab’ auch eine Frau“.

 ??  ?? Dietmar spielt jeden Mittwoch mit seiner Runde Tarock im Café Schopenhau­er. Im Regal stehen verschiede­ne Brettspiel­e bereit
Dietmar spielt jeden Mittwoch mit seiner Runde Tarock im Café Schopenhau­er. Im Regal stehen verschiede­ne Brettspiel­e bereit
 ??  ?? In andere Lokalen, wie dem „Brot und Spiele“, wird auch gespielt
In andere Lokalen, wie dem „Brot und Spiele“, wird auch gespielt
 ??  ?? Für Neueinstei­ger gibt es im Schopenhau­er Tarock-Schulungen
Für Neueinstei­ger gibt es im Schopenhau­er Tarock-Schulungen

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