Kurier (Samstag)

Koch des Jahres 2020

Der renommiert­e Titel geht heuer nach Kärnten an Hubert Wallner.

- VON ANITA KATTINGER

Als schön würde Hubert Wallner seine Kindheit nicht bezeichnen. Unter der Woche lebte er im Internat und kam nur am Wochenende nach Hause. Seine Eltern, bekannte niederöste­rreichisch­e Hoteliers aus St. Valentin, arbeiteten auch sonntags – und das Kind musste im Service sowie in der Küche mithelfen. Harmonisch­e Familienze­it gab es nicht. Die Liebe zum Kochen gaben ihm nicht die Eltern mit, er fand sie erst spät in der Hotelfachs­chule. Und versöhnte sich mit seiner Kindheit. Heute isst der Drei-Haubenkoch zweimal am Tag mit seinen Mitarbeite­rn gemeinsam an einem Tisch. Und er liebt das Kräutersam­meln mit seinen Kindern, das gemeinsame Kochen zu Feierlichk­eiten – niemals möchte er Druck auf Sebastian (11) und Saskia (8) ausüben, obwohl sie bereits Interesse für das Handwerk des Vaters zeigen.

Karriere am Höhepunkt

Bereits zwei Jahre nach Eröffnung seines „See Restaurant Saag“am Wörthersee wurde Gault&Millau im Jahr 2010 auf den Wahl-Kärntner aufmerksam – zur Kochelite gehört der 43-Jährige aber erst seit Freitagabe­nd. Martina und Karl Hohenlohe, Chefredakt­eurin und Herausgebe­r von Gault&Millau, kürten Wallner zum „Koch des Jahres 2020“: „Seine Gerichte überzeugen geschmackl­ich und auch optisch. Jedes Mal ein kleines Kunstwerk. Obendrein hat er ein großes Talent, wenn es darum geht, bekannte Gerichte neu zu interpreti­eren – vom Tafelspitz über sein Verständni­s einer Carbonara bis zur Kärntner Kasnudel schafft er es immer wieder, für Überraschu­ngsmomente zu sorgen.“Für Wallner ist die Auszeichnu­ng ein doppelter Grund zur Freude, denn vor 16 Jahren ging dieser Titel zum letzten Mal nach Kärnten. „Am Anfang meiner Karriere wollte ich immer Koch des Jahres werden und habe richtig darauf hingearbei­tet. Aber man merkt recht schnell, dass man nicht darauf hinarbeite­n kann, sondern der Titel von ganz alleine kommen muss“, erzählt der frisch Gekürte im Interview mit dem KURIER.

Warum die Auszeichnu­ng verdient ist? Erst vergangene­s Jahr, als Wallner sein junges „Bistro Südsee“eröffnete, schärfte er im exklusiver­en Haubenrest­aurant seinen Stil nach. „Wir reizen jetzt aus und gehen geschmackl­ich an die Grenze. Das hab ich mich früher weniger getraut. Wir arbeiten derzeit viel mit Verjus

(Anm: Saft aus unreifen Trauben)

vom Weingut „Tement“, dieser zieht sich von kalten Vorspeisen bis zur Patisserie hindurch.“So viel Spaß wie derzeit habe ihm Kochen noch nie gemacht. „Früher habe ich die Gerichte alleine entwickelt, jetzt machen wir sie gemeinsam. Wir sind 14 Köpfe in der Küche und 14 Köpfe sind kreativer als einer. Viele sagen, dass Kochen ein Hochleistu­ngssport ist. Das stimmt, aber es ist auch ein Teamsport.“

Wenn man den Haubenkoch nach seinem Erfolgsrez­ept fragen würde, dann würde der Manager von 32 Mitarbeite­rn

(Anm: allein im Haubenrest­aurant)

wohl sein Wissen rund um Finanzen ins Treffen führen: „Ich sage immer, gut kochen kann jeder, aber ein Hauben-Lokal als Selbststän­diger führen, kann nicht jeder. Man muss eine Balance zwischen Wareneinsa­tz und Preis finden.“Sein Wissen eignete sich Wallner in seiner Zeit als Schweizer Küchenchef im „Romantik Seehotel Sonne“ an – hier machte er mit seinen 33 Köchen einen Küchen-Umsatz in der Höhe von 12 Millionen Franken (Anm: umgerechne­t rund 11 Millionen Euro).

Ungewöhnli­ch: Wallner gewährt seinen Mitarbeite­rn Einsicht in die Buchführun­g. „So kann man die Köche motivieren: Wenn wir die Zahlen gemeinsam erreichen, dann gibt es eine kleine Provision.“

Herz für die Mitarbeite­r

Auch in der Hochsaison legt das Team einen Ruhetag ein – ab 2020 überlegt der Koch, sogar zwei Ruhetage in der Woche einzuplane­n. „Man muss sich in der Gastronomi­e trauen, eine Auszeit zu nehmen. Nicht weil wir so viel Geld verdienen, sondern weil ich den Mitarbeite­rn ein Umfeld bieten will, wo sie nicht ausgebeute­t werden. Wir haben leider Gottes ein dummes Steuersyst­em mit exorbitant­en Lohnnebenk­osten: Mit zusätzlich­er Freizeit wollen wir den Mitarbeite­rn zeigen, dass wir auf sie schauen.“Zudem bezahlt der Küchenchef trotz Saisonbetr­ieb sieben Wochen Urlaub.

Vergangene­s Jahr eröffnete das Zweitlokal „Bistro Südsee“am anderen Seeufer. 2021 folgen auf demselben Areal, wo bereits Apartments errichtet wurden, ein kleines Gourmet-Restaurant und Hotel-Restaurant. „Expandiere­n wollte ich nur deswegen, weil ich von 32 guten Mitarbeite­rn 20 im Winter wegschicke­n muss. Und von den 20 kommen nur zehn zurück, weil sie woanders Karriere machen. Mit dem neuen Firmenkons­trukt können die Mitarbeite­r rotieren – auch wenn sie nicht mehr Haubenküch­e machen wollen. Außerdem kann ich ihnen 14 Monatsgehä­lter zahlen – weg von der Saison.“

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 ??  ?? Der 43-jährige Hubert Wallner managt mit seiner Ehefrau Kerstin derzeit drei Lokale, 2021 folgt am Südufer des Wörthersee­s ein neuer Gourmet-Tempel
Der 43-jährige Hubert Wallner managt mit seiner Ehefrau Kerstin derzeit drei Lokale, 2021 folgt am Südufer des Wörthersee­s ein neuer Gourmet-Tempel

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