Der Visionär muss über sein Frauenbild sprechen
August Diehl gibt in „Die Neue Zeit“Bauhaus-Gründer Walter Gropius (ab Sonntag im ZDF).
Diese Frage entlockt ihm nur ein mildes Lächeln. Der gealterte Walter Gropius (August Diehl) sitzt Anfang der 60er in seinem Haus in New York und soll einer Journalistin des Magazins „Vanity Fair“Rede und Antwort stehen. Die will mit Gropius aber nicht über Kunstgeschichte reden, sondern fragt ihn: „Wie lebst du mit der Lüge, dass Frauen und Männer am Bauhaus gleichbehandelt wurden?“
Das Interview bildet die Rahmenhandlung der sechsteiligen Serie „Die Neue Zeit“(die Sendetermine finden Sie am Ende des Artikels). In Rückblenden geht es dann zurück in die 20er Jahre – zu den Anfängen der von Gropius gegründeten Kunst- und Designschule in Weimar. Größen wie Johannes Itten, Oskar Schlemmer und Lyonel Feininger kamen hierher, um zu unterrichten. Heuer feiert das Bauhaus, das in weiterer Folge nach Dessau und Berlin übersiedelte und 1933 schließen musste, seinen 100. Geburtstag. „Wir hatten den großen Vorteil, dass durch das Jubiläum viele Bücher mit neuen Blickwinkeln und Recherchen herausgekommen sind. Ich habe mich da sehr vertieft“, sagt August Diehl („Parfum“, „Inglourious Basterds“) im Gespräch mit dem KURIER über die Vorbereitung auf seine Rolle als Walter Gropius. „Ich glaube, dass er sehr offen für seine Studenten war. Gropius war ein großer Visionär, aber auch radikal und autoritär.“
Beziehung im Fokus
Die Protagonisten von „Die Neue Zeit“(Regie: Lars Kraume) haben real existiert: Anna Maria Mühe ist als Gropius’ Studentin Dörte Helm, Valerie Pachner als deren Kollegin Gunta Stölzl zu sehen. Birgit Minichmayr gibt Gropius’ damalige Ehefrau Alma Mahler.
Chronologisch werden die Weimarer Jahre des Bauhauses nacherzählt, teils mit Handkameras gefilmt, teils in Standbildern dargestellt. Im Fokus steht dabei die Beziehung zwischen Gropius und Helm: Sie haben in der Serie eine Affäre, die historisch jedoch nicht belegt ist. Zwischen den beiden werden Konflikte ausgetragen, die exemplarisch für das Verhältnis Mann–Frau am Bauhaus stehen sollen. Denn obwohl die Kunstschule als revolutionär galt und das erzkonservative Bürgertum in Weimar regelmäßig vor den Kopf stieß, waren die Geschlechter nicht gleichberechtigt. Frauen wurden etwa in die Weberei verbannt.
„Man muss, glaube ich, auch verstehen, dass Gropius das 19. Jahrhundert in sich getragen hat. Wir sind ja auch eher Menschen, die das 20. Jahrhundert in sich tragen und erst langsam in das 21. hineinwachsen und es mitgestalten“, so Schauspieler Diehl. „Gropius war stark von einem Männer-FrauenBild geprägt, das aus dem vorigen Jahrhundert kam. Er ist in seiner ganzen Radikalität und Neuerfindung des Menschen auch an persönliche Grenzen gestoßen. Gropius musste teilweise Konflikte bewältigen, die er selbst hervorgerufen hat. Das zu erzählen, fand ich sehr spannend an der Serie.“
Sendetermine: Sonntag (Folgen 1–2), Montag (3–4) und Dienstag (5–6), jeweils ab 22.15. Alle Episoden sind bereits in der ZDF-Mediathek.