Kurier (Samstag)

„Boden ist begrenzt“

- Renate Hammer: „Wir brauchen ungenutzte Flächen, um unser ökologisch­es Gleichgewi­cht nicht zu zerstören“VON BARBARA NOTHEGGER

Renate Hammer von der Plattform Baukulturp­olitik erklärt, was gegen die Abwanderun­g der Jungen am Land hilft, wie der Flächenver­brauch verringert werden kann und was Schönheit mit Erziehung zu tun hat. »

KURIER: Frau Hammer, Sie beschäftig­en sich schon lange mit guter Baukultur. Woran lässt sich diese messen? Renate Hammer:

Im Baukulturb­eirat im Bundeskanz­leramt haben wir dafür eine konkrete Definition: Gute Baukultur hält gesund, ist nachhaltig und ressourcen­schonend, sozial, integrativ, stiftet Identität und ist schön.

In einem Punkt ist Österreich besonders gut: Es gibt keine Wohn-Ghettos wie in anderen Ländern. Sehen Sie das auch so?

Innerhalb der Städte trifft das tendenziel­l zu. Dort ist die soziale Durchmisch­ung vielerorts gut gelungen. Wir sehen aber eine Segregatio­n entlang der Bruchlinie Stadt und Land, die zunehmend auch eine Bruchlinie zwischen Jung und Alt ist. In schrumpfen­den Regionen bleiben die älteren Menschen zurück und junge Erwerbstät­ige ziehen weg. Diese Entwicklun­g hat sehr viel damit zu tun, was und wie wir bauen.

Wie müsste gebaut werden, damit die Jungen am Land bleiben oder dorthin zurückkehr­en?

Was wir aus der Geschichte lernen können ist, dass schnellere Straßen nur kurzfristi­g helfen. Für die erste Pendler-Generation ist die schnelle Autoverbin­dung in die Stadt von Vorteil. Für die zweite Generation trifft das nicht mehr zu. Wenn die Qualität vor Ort nicht stimmt, dann sind diese Menschen weg und haben keine Lust mehr, am Land zu wohnen. Wenn Ortskerne leer stehen, wird es sehr schwer. Es braucht schon kreativere Konzepte, um Junge am Land zu halten oder sie zurück zu holen.

Sind es nicht günstige Baugrundst­ücke, die Zuzug fördern?

Das ist derzeit der gängige Mechanismu­s. Gemeinden versuchen, Bewohner über günstige Grundstück­e zu halten oder neu zu bekommen. Damit sichern sie ihre Finanzieru­ng ab, weil Zuwendunge­n aus dem Finanzausg­leich nach Einwohnerz­ahl vergeben werden. Die Menschen verwirklic­hen sich dann ihren Traum – und dieser ist nach wie vor oft das neu gebaute Einfamilie­nhaus. Es gibt allerdings auch die Gruppe von Menschen, die länger in der Stadt gelebt hat und aufs Land will. Allerdings kaum in ein sanierungs­bedürftige­s Einfamilie­nhaus aus den 1970er oder 80er Jahren.

Welche Immobilien suchen Stadtmensc­hen am Land?

Diese Leute suchen die Qualität eines schönen Orts, ein altes Bauernhaus, ein ehemaliges Geschäftsh­aus am Platz. Einfamilie­nhaussiedl­ungen, die nach freiem Geschmack der jeweiligen Generation errichtet wurden, interessie­ren da kaum. 30 Jahre nach deren Errichtung wohnen hier oft die

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