Leitartikel Was bleibt, ist schlechte Stimmung
Wer vom viel zu langen Wahlkampf profitiert, wer verliert – und was danach kommen könnte.
Wäre es nach dem Willen des Bundespräsidenten gegangen, hätten wir diesen Wahlkampf längst hinter uns. Er ist definitiv drei Wochen zu lang. Von den vielen TV-Runden und Nationalratssitzungen dürfte jetzt einmal vor allem schlechte Stimmung bleiben. Plus 5,1 Milliarden zusätzliche Kosten durch Parlamentsbeschlüsse. Hat man die Regierung noch dafür kritisiert, Reformen ohne lange Begutachtung geschnürt zu haben, kann es jetzt allen nicht schnell genug gehen. Praktisch im Vorübergehen wurden zum Beispiel die Ablehnung des Handelsabkommens Mercosur, eine neue PensionsHacklerregelung und ein Länder-Kostenersatz für den abgeschafften Pflegeregress beschlossen. Wobei man den Neos zugutehalten muss, sich von diesem Populismuswettlauf weitgehend ferngehalten zu haben.
Wer aber kann nach dem 29. September wirklich noch mit wem zusammenarbeiten? Sebastian Kurz und Pamela Rendi-Wagner nach dem letzten, harten ORFDuell offenbar nicht wirklich (wobei Türkis-Rot dennoch eine Option bleibt, Nachfolger an der SP-Spitze werden bereits kolportiert). Türkis-Blau wäre inhaltlich am einfachsten, wird sich Kurz aber wohl nicht mehr antun wollen. Türkis-Pink würde funktionieren, geht sich jedoch arithmetisch nicht aus. Bleibt eine Dreierkoalition mit den Grünen, aber vor allem deren Wiener Flügel ist inhaltlich mit ÖVP und Neos kaum kompatibel.
Blaue Mobilisierung, grüner Problemfall
Und wem nutzt der lange Wahlkampf, den uns Rot-BlauPilz beschert haben? Vor allem den Blauen, denen ein möglichst langer zeitlicher Abstand zu „Ibizagate“nur recht war. Schon lange geht es ja nicht mehr darum, was im Video gesagt wurde, sondern darum, wer Strache und Gudenus die Falle gestellt hat. Das Duo Hofer/Kickl hatte Zeit, um Stammwähler wieder zu mobilisieren.
Verlierer des Dauerwahlkampfs? Je länger die Regierungszeit zurückliegt, desto mehr „Kratzer am KanzlerLack“hat Kurz abbekommen. Natürlich war das auch das Ziel des damaligen Parlamentsbeschlusses. Auf Neos und Grüne hat der späte Wahltermin kaum Auswirkungen. Allerdings kommen den Ökos die Ermittlungen gegen dubiose Wiener Immobilien-Umwidmungen im grünen Umfeld ungelegen. Schließlich präsentieren sich Werner Kogler & Co. gerne als supersaubere Anti-Politiker. Gut für sie ist die Klima-Debatte. Punktgenau zwei Tage vor der Wahl findet der internationale „Earth strike“statt.
War da noch was? Ach ja, eine Beamtenregierung! Wären nicht Innenminister Peschorn und Verteidigungsminister Starlinger, hätte man fast schon vergessen, dass sie im Hintergrund den Status quo verwaltet. Sie wird das wohl noch einige Zeit tun müssen. Aber wenigstens der lähmende Wahlkampf ist in acht Tagen vorbei.