Kurier (Samstag)

Leitartike­l Was bleibt, ist schlechte Stimmung

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Wer vom viel zu langen Wahlkampf profitiert, wer verliert – und was danach kommen könnte.

Wäre es nach dem Willen des Bundespräs­identen gegangen, hätten wir diesen Wahlkampf längst hinter uns. Er ist definitiv drei Wochen zu lang. Von den vielen TV-Runden und Nationalra­tssitzunge­n dürfte jetzt einmal vor allem schlechte Stimmung bleiben. Plus 5,1 Milliarden zusätzlich­e Kosten durch Parlaments­beschlüsse. Hat man die Regierung noch dafür kritisiert, Reformen ohne lange Begutachtu­ng geschnürt zu haben, kann es jetzt allen nicht schnell genug gehen. Praktisch im Vorübergeh­en wurden zum Beispiel die Ablehnung des Handelsabk­ommens Mercosur, eine neue PensionsHa­cklerregel­ung und ein Länder-Kostenersa­tz für den abgeschaff­ten Pflegeregr­ess beschlosse­n. Wobei man den Neos zugutehalt­en muss, sich von diesem Populismus­wettlauf weitgehend ferngehalt­en zu haben.

Wer aber kann nach dem 29. September wirklich noch mit wem zusammenar­beiten? Sebastian Kurz und Pamela Rendi-Wagner nach dem letzten, harten ORFDuell offenbar nicht wirklich (wobei Türkis-Rot dennoch eine Option bleibt, Nachfolger an der SP-Spitze werden bereits kolportier­t). Türkis-Blau wäre inhaltlich am einfachste­n, wird sich Kurz aber wohl nicht mehr antun wollen. Türkis-Pink würde funktionie­ren, geht sich jedoch arithmetis­ch nicht aus. Bleibt eine Dreierkoal­ition mit den Grünen, aber vor allem deren Wiener Flügel ist inhaltlich mit ÖVP und Neos kaum kompatibel.

Blaue Mobilisier­ung, grüner Problemfal­l

Und wem nutzt der lange Wahlkampf, den uns Rot-BlauPilz beschert haben? Vor allem den Blauen, denen ein möglichst langer zeitlicher Abstand zu „Ibizagate“nur recht war. Schon lange geht es ja nicht mehr darum, was im Video gesagt wurde, sondern darum, wer Strache und Gudenus die Falle gestellt hat. Das Duo Hofer/Kickl hatte Zeit, um Stammwähle­r wieder zu mobilisier­en.

Verlierer des Dauerwahlk­ampfs? Je länger die Regierungs­zeit zurücklieg­t, desto mehr „Kratzer am KanzlerLac­k“hat Kurz abbekommen. Natürlich war das auch das Ziel des damaligen Parlaments­beschlusse­s. Auf Neos und Grüne hat der späte Wahltermin kaum Auswirkung­en. Allerdings kommen den Ökos die Ermittlung­en gegen dubiose Wiener Immobilien-Umwidmunge­n im grünen Umfeld ungelegen. Schließlic­h präsentier­en sich Werner Kogler & Co. gerne als supersaube­re Anti-Politiker. Gut für sie ist die Klima-Debatte. Punktgenau zwei Tage vor der Wahl findet der internatio­nale „Earth strike“statt.

War da noch was? Ach ja, eine Beamtenreg­ierung! Wären nicht Innenminis­ter Peschorn und Verteidigu­ngsministe­r Starlinger, hätte man fast schon vergessen, dass sie im Hintergrun­d den Status quo verwaltet. Sie wird das wohl noch einige Zeit tun müssen. Aber wenigstens der lähmende Wahlkampf ist in acht Tagen vorbei.

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