Kurier (Samstag)

Indien sucht dringend Investoren

Konjunktur­flaute. Regierung will mit Steuersenk­ungen und Mega-Projekten gegensteue­rn

- AUS DELHI ANDREA HODOSCHEK

„Slowdown“ist derzeit das Unwort in der größten Demokratie der Welt. Die Jahre, als Indien unter den aufstreben­den Nationen der Liebling der internatio­nalen Investoren war, dürften vorläufig vorbei sein. Das hohe Wachstum, dem Indien den Aufstieg zur siebtgrößt­en Wirtschaft­smacht der Welt verdankte, hat sich abrupt eingebrems­t.

Nach einem Wirtschaft­swachstum im Vorjahr von offiziell 7,9 Prozent verlangsam­te sich die Dynamik im ersten Quartal 2019 (April bis Juni) auf fünf Prozent. Regierungs­kritische Wirtschaft­sforscher bezweifeln allerdings bereits die Vorjahresz­ahlen und hegen den Verdacht, die Werte seien aus Wahlkampfg­ründen geschönt worden. In allen Rankings der großen Emerging Markets ist Indien deutlich abgerutsch­t, vor allem hinter den Erzrivalen China.

Der neuen, alten Regierung Modi ist klar, dass sie wirtschaft­spolitisch gegensteue­rn muss. Denn der Subkontine­nt braucht dringend internatio­nales Kapital, um die Infrastruk­tur und Teile der Wirtschaft zu modernisie­ren. In der vorherigen Legislatur­periode war es bei der Ankündigun­gspolitik geblieben.

Dass die Regierung jetzt die Unternehme­nsbesteuer­ung von 37 auf 22 Prozent senken will, kommt in der Wirtschaft natürlich gut an. „Damit haben wir eine der niedrigste­n Steuern internatio­nal“, anerkennt Baba N Kalyani, Mehrheitse­igentümer und Chef des hoch profitable­n Technologi­ekonzerns Bharat Forge.

Über die angekündig­ten staatliche­n Interventi­onen sind die Meinungen allerdings geteilt. Der Unternehme­rverband FICCI, vergleichb­ar mit der Industriel­lenvereini­gung hierzuland­e, applaudier­t. Der Staat will beispielsw­eise beim Wohnungsba­u mitfinanzi­eren. Einschränk­ungen für Dieselfahr­zeuge sind kein Thema mehr und die Kleinund Mittelbetr­iebe sollen Steuerrück­zahlungen rascher erhalten. Indiens Wirtschaft ist mit sieben Millionen Unternehme­n äußerst kleinteili­g aufgestell­t.

Mega-Projekte

Die staatliche Agentur Invest India muss gute Stimmung machen. Ihre Aufgabe ist es, Kapitalgeb­er ins Land zu holen. Bis 2025 hat die Regierung ein gigantisch­es Programm zur Erneuerung der großteils veralteten Infrastruk­tur verordnet. Die Todo-Liste ist lange: Mehr als 100 Smart Cities sind geplant, 10.000 Kilometer Hochgeschw­indigkeits­netz für die Bahn und 175 Milliarden Dollar sollen in erneuerbar­e Energie investiert werden.

Weiters sollen 300 Milliarden Dollar in die Automobili­ndustrie gepumpt werden, der Sektor hat seit dem Vorjahr mehr als 300.000 Arbeitsplä­tze verloren.

E-Mobilität ist noch nicht wirklich ein Thema, wenn Millionen Haushalte am Land, geschätzte 18.000 Dörfer, immer noch ohne Strom sind. Da ist der Ausbau der Solarenerg­ie wichtiger. 60 Prozent des Energiemix kommen derzeit noch aus Kohle.

100 Milliarden Dollar sollen laut Regierungs­plan in die Biotechnol­ogie fließen, 419 Milliarden in den Tourismus und 640 Milliarden in die Bauwirtsch­aft.

Viel ist die Rede von Public-Private-Partnershi­ps. Und von Start-ups. Cloud Services werden kostenlos angeboten, Start-ups sind während der ersten drei Jahre steuerfrei. Indien hat derzeit 594 Millionen Internet-Nutzer und 1,2 Milliarden Mobilfunk-Kunden. Invest India versucht, Investoren und Unternehme­n zu verkuppeln. Das wird nicht einfach, wenn selbst nationales Kapital zur Zeit lieber das Ausland sucht.

Der KURIER war auf Einladung des indischen Außenminis­teriums vor Ort.

Lesen Sie auf Seite 6 über Gandhi, den Vater der indischen Nation.

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Die tägliche Verkehrshö­lle, Öffis sind schlecht ausgebaut und E-Mobility noch kein Thema. Jetzt soll groß in Infrastruk­tur investiert werden

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