Warum Irlands Grenze tabu bleiben muss
Brexit-Folgen. Wegen der Verflechtung mit den Briten plagen Dublin EU-weit die größten Sorgen
Für Irland steht mit dem Brexit wirklich viel auf dem Spiel: ökonomisch, aber auch sozial. „Es gibt Personen, die fahren zehn Mal am Tag über die Grenze nach Nordirland“, sagt Josef Treml, der WKÖWirtschaftsdelegierte in Dublin: „Sie haben den Kindergarten im Norden, arbeiten im Süden, die Schule der größeren Kinder ist wieder im Norden.“Der Betreiber eines grenznahen Einkaufszentrum bangt um die Hälfte seiner Kunden, die aus Nordirland kommen. Das erklärt, warum Irland und die EU geschlossen drauf pochen, dass eine harte Grenze tabu bleibt – abgesehen von den historisch-politischen Gründen. Neue Exportmärkte Aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung mit dem Vereinigten Königreich – vergleichbar mit dem Verhältnis Österreich-Deutschland – wird Irland jener EU-Staat sein, den die Brexit-Folgen weitaus am härtesten treffen. Die Schäden seien aber sehr unterschiedlich verteilt: Während Städte wie Dublin oder Cork sogar von Verlagerungen britischer Firmen profitieren, treffe der Verlust von Absatzchancen Kleinstfirmen und Bauern auf dem Land. Der Großteil der irischen Agrarexporte geht auf die britische Insel; bei Rindfleisch sind es sogar 50 Prozent. Die Iren hätten zwar begonnen, neue Exportmärkte zu erschließen. „Aber das geht nicht so rasch“, sagt Treml. Die Sorge österreichischer Landwirte, dass irische Überkapazitäten nach Kontinentaleuropa drängen und die Preise ruinieren, teilt der Wirtschaftsdelegierte nur bedingt: „Ich glaube nicht, dass die Österreicher von einem Tag auf den anderen große Cheddar-Liebhaber werden.“Absehbar stauen würde es sich beim harten Brexit in den Häfen. Das beträfe auch Irland – die kürzeste Lieferverbindung verläuft vom britischen Hafen Dover über den Landweg quer durch England nach Wales und per Fähre nach Dublin. Die Alternative, die Schiffslinie Rotterdam-Dublin, braucht doppelt so lang. „Verlust, keine Tragödie“„Der Brexit ist ein Verlustgeschäft für alle Seiten“, sagt Christian Kesberg, der Wirtschaftsdelegierte in London. Eine Tragödie oder Katastrophe sei er aus österreichischer Sicht aber nicht. Großbetriebe seien vorbereitet, einige wie Doka, Wienerberger oder Rubblemaster hätten das schwache Pfund sogar genützt, um auf der Insel zu investieren. Viele Firmen seien Nischenanbieter, deren Produkte unverzichtbar seien. Ein wenig Sorgen bereiten Kesberg jene, die sporadisch exportieren und den Brexit auf sich zukommen lassen.