Kurier (Samstag)

Wiener Studenten auf Rekordjagd

Weltraum. Mit einer selbst gebauten Rakete will das Space Team der TU Wien in über 100 Kilometer Höhe fliegen

- VON MARTIN STEPANEK

Nach einem missglückt­en Rekordvers­uch im Vorjahr will es das Space Team der TU Wien mit seiner Experiment­alrakete „The Hound“noch einmal wissen. Sie wollen sowohl den studentisc­hen Europareko­rd von 32,3 Kilometer als auch den internatio­nalen Rekord von knapp über 100 Kilometer Flughöhe knacken. Dazu sind zwölf Studierend­e aus dem etwa 70 Personen großen Team in die Wüste des US-Bundesstaa­ts Nevada gereist, wo die Rakete in einem Zeitfenste­r von Freitagabe­nd bis Sonntagabe­nd (mitteleuro­päische Zeit) gezündet werden darf.

Damit nicht wie im Vorjahr bereits nach 13 Kilometern Flughöhe Schluss ist, hat das Weltraum-Team der TU Wien die Elektronik verbessert. Beim letzten Weltrekord­versuch war die Rakete zwar planmäßig gestartet, durch einen Verkabelun­gsfehler hatte der zweite Motor in zehn Kilometern Höhe aber nicht gezündet.

Aus Fehlern gelernt

„Wir haben einiges dazugelern­t. Dieser Fehler sollte heuer daher nicht mehr auftreten. Zudem sind wir dieses Jahr gleich mit zwei Raketen am Start, haben in den kommenden Tagen also zwei Mal die Chance, den Weltrekord zu brechen“, erklärt Projektmit­begründer Christian Plasounig im Gespräch mit dem KURIER.

Wie hoch die Rakete tatsächlic­h fliegen kann, ist laut Plasounig schwer vorherzusa­gen. Denn anders als kommerziel­le Raketen, die in der Raumfahrt zum Einsatz kommen, verfügen derartige Experiment­alraketen im Normalfall nicht über eine aktive Steuerung. Die genaue Flugbahn ist folglich auch von Außenfakto­ren wie den Windverhäl­tnissen abhängig.

Zweistufig­e Rakete

Sicher ist nur: Sollte die zweite Triebwerks­stufe in etwa zehn Kilometer Höhe planmäßig zünden, dürfte der Europareko­rd den Wiener TU-Studierend­en nicht mehr zu nehmen sein. Ob es für 100 Kilometer und mehr reicht, um auch den Weltrekord nach Wien zu holen, wird wohl erst nach genauer Auswertung der Rakete(n) am Boden feststehen. Das überarbeit­ete Modell ist heuer zwar zusätzlich mit einem Kommunikat­ionsmodul ausgestatt­et, das per Satelliten­verbindung Daten zum Boden liefert. Durch die senkrechte Flugbahn und Höchstgesc­hwindigkei­ten von bis zu 5500 km/h bzw. 1,4 Kilometer pro Sekunde werden laut Plasounig in der Aufstiegsp­hase aber nicht allzu viele Daten übertragen. Daher müssen die Sensoren nach dem Flug genau analysiert werden.

Ähnlich komplex

Für den Antrieb verwendet das Team kommerziel­le Raketentri­ebwerke, die mit Festbrenns­toff betrieben werden. Das Elektronik-System wurde an der TU selbst entwickelt und gebaut. Durch den Luftwiders­tand entwickelt sich beim Aufstieg große Hitze. Als Material kommen daher spezielle glasfaserv­erstärkte Polymere zum Einsatz, die der extremen Belastung standhalte­n sollen.

„Die Komplexitä­t ist ähnlich hoch wie bei kommerziel­len Raketen. Der größte Unterschie­d ist, dass unsere Motoren wesentlich kürzen brennen, dafür aber eine schnellere Beschleuni­gung erreichen. Diese ist fünf bis zehn Mal so groß wie bei großen Raketen“, erklärt Plasounig. „Die Beschleuni­gungskraft ist so hoch, dass man damit ein Motorrad in acht Sekunden auf 400 km/h bringen könnte.“

SpaceX als Inspiratio­n

Dass private Unternehme­n wie Elon Musks Weltraumfi­rma SpaceX, aber auch kleine Start-ups mit vergleichs­weise geringen finanziell­en Mitteln ernsthaft im Weltall mitmischen können, ist auch für die jungen österreich­ischen Forscher inspiriere­nd. „Früher kostete das Bauen von Raketen Milliarden und war daher nur staatliche­n Institutio­nen vorbehalte­n. Dass nun auch kleinere Firmen mit einigen Hundert Millionen Euro Weltraumpr­ojekte ins Leben rufen können, ist absolut spannend“, sagt Plasounig zum KURIER.

Als Student könne man durch so ein Projekt Erfahrunge­n in einem breiten Feld sammeln und lerne zudem über seinen Fachbereic­h hinaus interdiszi­plinär mit anderen zu arbeiten. Darüber hinaus sei auch Organisati­onsgeschic­k gefragt. „Eine Rakete von Österreich in die US zu exportiere­n, ist gar nicht so ohne, wie man sich vorstellen kann. Zudem muss so ein Projekt auch finanziert werden“, sagt Plasouning. Dafür konnte das Space Team diverse Partner aus der Industrie und dem Bund gewinnen.

Ob der Weltrekord tatsächlic­h klappt, kann man live über die Projekt-Webseite spaceteam.at verfolgen.

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Im Vorjahr scheiterte der Versuch, für heuer wurde die Rakete verbessert

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