Kurier (Samstag)

Bluttest auf Down-Syndrom

Umstritten: Deutsche Kassen werden teilweise Kosten zahlen.

- VON ERNST MAURITZ UND MARLENE PATSALIDIS

Es ist eine umstritten­e Entscheidu­ng: In Deutschlan­d werden ab Ende 2020 „in begründete­n Einzelfäll­en“Bluttests vor der Geburt auf DownSyndro­m (Trisomie 21) von den Krankenkas­sen bezahlt. Damit sollen die Risiken der sonst üblichen Entnahme von Fruchtwass­er oder Plazentage­webe – wie eine Fehlgeburt – vermieden werden. In Österreich ist das noch nicht der Fall.

„Es ist zu begrüßen, dass deutsche Krankenkas­sen bei bestimmten Risikofäll­en die Kosten übernehmen. Das wäre auch in Österreich zu befürworte­n“, betont Christiane Druml, Vorsitzend­e der Österreich­ischen Bioethikko­mmission. „Und der risikolose Bluttest anstelle von invasiven Verfahren zur Diagnostik kann Leben retten, weil er Fehlgeburt­en verhindert.“Außerdem könne eine frühe Diagnose auch zur Früherkenn­ung anderer Erkrankung­en wie etwa einem Herzfehler führen. „Wissen zu verhindern wäre unethisch. Gleichzeit­ig ist ein Druck auf Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom bekommen wollen, abzulehnen. Und es muss eine ausführlic­he genetische Beratung geben.“

Genau diesen Druck befürchtet Sylvia Andrich, Obfrau des Vereins Down-Syndrom Österreich (DSÖ) und Mutter der 16-jährigen Helena mit Down-Syndrom: „Es wird heute vielfach suggeriert: ,Ein Kind mit DownSyndro­m – das muss nicht mehr sein. Die Pränataldi­agnostik „Der risikolose Bluttest anstelle von invasiven Verfahren zur Diagnostik kann Leben retten.“Christiane Druml Vorsitzend­e Bioethikko­mmission ist doch schon so gut.‘ “In der Gesellscha­ft herrsche ein viel zu negatives Bild dieser Chromosome­nstörung. So werde das intellektu­elle Entwicklun­gspotenzia­l mit entspreche­nder Förderung heute viel höher eingeschät­zt als noch vor 20 Jahren.

Weltweit leben etwa fünf Millionen Menschen mit dem Down-Syndrom, in Österreich sind es rund 9.000. Bei ihnen ist das Chromosom 21 statt doppelt dreifach vertreten – deshalb die Bezeichnun­g „Trisomie 21“. Als Folge verläuft die motorische, geistige und sprachlich­e Entwicklun­g langsamer. Ausführlic­he Beratung Peter Husslein, Vorstand der Uni-Klinik für Frauenheil­kunde von AKH / MedUni Wien, betont, dass der Bluttest (auf Teile des kindlichen Erbguts) auch derzeit schon nur unter bestimmten Voraussetz­ungen durchgefüh­rt werden darf: „Er muss mit einer ausführlic­hen genetische­n Beratung und einem ausführlic­hen Ultraschal­l kombiniert werden.“In dieser Kombinatio­n kostet der in Österreich zumeist durchgefüh­rte Test (ein anderer als in Deutschlan­d) für die Trisomien 13, 18 und 21 – und auf Wunsch auch das Geschlecht – 700 Euro. Ob der vorgesehen­e Ultraschal­l – u.a. zum Ausschluss schwerer Fehlbildun­gen und von Mehrlingen – dann auch eine Nackenfalt­enmessung umfassen muss, darüber gehen die Meinungen auseinande­r, sagt Husslein. Das in der 21. Schwangers­chaftswoch­e vorgesehen­e Organscree­ning werde durch den Test nicht ersetzt.

Martin Metzenbaue­r, Experte für Pränataldi­agnostik von TwoCare (Praxis für Pränatalme­dizin der Privatklin­ik Goldenes Kreuz), sieht in der Neuregelun­g in Deutschlan­d ebenfalls einen „interessan­ten Ansatz“. Eine Kostenüber­nahme sei für Menschen, die sich solche Tests ansonsten nicht leisten können, „sozial gesehen sinnvoll“. Kritik, dass dadurch die Zahl der Abtreibung­en steigt, kann er nicht nachvollzi­ehen: „Den diskutiert­en Automatism­us, dass die Diagnose Down-Syndrom unmittelba­r zu einem Schwangers­chaftsabbr­uch führt, gibt es meiner Meinung nach nicht.“

Darüber hinaus werde die öffentlich­e Debatte über den Bestimmung­stest für Trisomie 21 verkürzt geführt. Dabei handle es sich lediglich „um einen winzigen Teil dessen, was heute im Rahmen der erweiterte­n Pränataldi­agnostik an medizinisc­h Sinnvollem geleistet werden kann“. Durch entspreche­nde Testverfah­ren, zusätzlich zu den vorgeschri­ebenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchu­ngen, „Es wird vielfach suggeriert: ,Ein Kind mit Down-Syndrom – das muss nicht mehr sein.‘“

Sylvia Andrich

Verein Down-Syndrom Österreich könne etwa auch Schwangers­chaftsblut­hochdruck (steigert das Risiko einer Frühgeburt) besonders früh erkannt und effektiv behandelt werden.

„Erster Schritt“

Martina Kronthaler, Generalsek­retärin von Aktion Leben Österreich, lehnt eine Kostenüber­nahme durch die Kassen ab. Sie sieht darin „einen ersten Schritt in Richtung einer flächendec­kenden Bezahlung des Bluttests“. Für Kronthaler eine „bedenklich­e Entwicklun­g, weil solche Tests die gesellscha­ftliche Haltung verstärken, dass das Down-Syndrom eine zu vermeidend­e Katastroph­e für werdende Mütter und Eltern ist“.

In Österreich wird derzeit eine Kostenüber­nahme durch die Krankenver­sicherungs­träger „intern diskutiert“, heißt es beim Hauptverba­nd. Die Verantwort­ung liege beim Sozialmini­sterium: „Die Sozialvers­icherung würde Ausweitung­en der inkludiert­en Leistungen begrüßen, so diese von Experten als medizinisc­h zielführen­d erkannt werden.“

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 ??  ?? Dieser Bluttest auf Down-Syndrom wird ab Ende 2020 in Deutschlan­d in bestimmten Fällen von den Krankenkas­sen bezahlt
Dieser Bluttest auf Down-Syndrom wird ab Ende 2020 in Deutschlan­d in bestimmten Fällen von den Krankenkas­sen bezahlt
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