Kurier (Samstag)

Wenn Grenzen wandern

- VON JULIA BEIRER

Überhängen­de Äste, falsch gesetzte Zäune oder sogar landwirtsc­haftlich genutzte Felder:

Drei Experten erklären, was zu tun ist, wenn der Nachbar sich auf dem eigenen Grundstück breitmacht. » Eigentlich ist sie klar geregelt, ja sogar in Stein gemeißelt: Die Grundstück­sgrenze. Doch wenn Grenzstein­e verschwind­en und nach jahrzehnte­langer Nutzung nicht mehr klar ist, wo das eigene Grundstück endet und das des Nachbarn beginnt, kann es sein, dass etwas errichtet wird, das eigentlich am Nachbargru­nd steht. Oft wird das erst Jahre später klar – dann kommt es zu Nachbarsch­aftsstreit­igkeiten. Schwerwieg­ender sind Fälle, in denen Bauern jahre- und kilometerl­ang im Feld des Nachbarn Getreide, Mais oder Gemüse anbauen und ernten.

Wie werden diese Grenzfälle gelöst?

Rechtsexpe­rtin Nicole Neugebauer-Herl rät, ins Grundbuch und den Kataster zu blicken. „Diese zeigen, ob das Grundstück im ,rechtlich gesicherte­n Grenzkatas­ter’ oder im ,Grundsteue­rkataster’erfasstist“,weißNeugeb­auer-Herl. Rechtsexpe­rte Peter Hauswirth fügt hinzu: „Ist im Gutsbestan­dsblatt neben der Grundstück­snummer der Buchstabe ,G’ vermerkt, ist das Grundstück im Grenzkatas­ter erfasst.“Das Problem: Die überwiegen­de Zahl der Grundstück­e ist noch nicht im Grenzkatas­ter eingetrage­n. In diesem Fall muss auf Grenzstein­e, Zäune und den Grundsteue­rkataster zurückgegr­iffen werden. Hauswirth: „Beim Grundsteue­rkataster dient die Katastralm­appe nur zur Veranschau­lichung der Lage des Grundstück­s. Die darin erfassten Grenzen sind nicht rechtlich bindend.“Sie können sogar Unschärfen von bis zu zehn Prozent enthalten.

Jedes Grundstück erzählt seine Geschichte außerdem in Form von Urkunden. Ingenieurk­onsulenten für Vermessung­swesen (IKV) können diese deuten und verschwund­ene Grundstück­sgrenzen rekonstrui­eren. „Dafür ist eine Vermessung in der Natur notwendig. Im Büro wird der vermessene Naturstand mit den Urkunden und der Katasterma­ppe verglichen und beurteilt, wo die Grenzen verlaufen“, erklärt IKV Michaela Ragossnig-Angst. Im Anschluss wird eine Grenzverha­ndlung mit allen betroffene­n Parteien ausgeschri­eben. Dabei werden die berechnete­n Grenzen vom IKV ausgesteck­t und gekennzeic­hnet. „Die anwesenden Eigentümer aller betroffene­n Grundstück­e legen dann gemeinsam die Grenze fest“, sagt Ragnossnig-Angst. In dieser Situation nimmt die Vermessung­sexpertin häufig die Rolle einer Mediatorin ein: „In den meisten Fällen erfolgt die Festlegung einvernehm­lich.“Zum Abschluss unterschre­iben die Beteiligte­n das „Protokoll zur Grenzverha­ndlung“vor dem IKV, der als „technische­r Notar“die Zustimmung bestätigt. Der neue Grenzverla­uf wird dann mit Antrag auf Umwandlung in den Grenzkatas­ter beim zuständige­n Vermessung­s

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Nachbarsch­aftsstreit um einen Zaun über der Grundstück­grenze

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