Kurier (Samstag)

A BISSL WAS GING IMMER

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Polly Adler bedankt sich für die einzige nicht-familiäre Beziehung in ihrem Leben von Dauer: die mit der Leserschaf­t.

von polly adler

Wir sind einen langen, manchmal auch holprigen Weg mit vielen Kurven miteinande­r gegangen. Oft haben wir uns auch auf dem gleichen Pannenstre­ifen eingeparkt. Schließlic­h haben wir alle unsere Stop-and-go-Beziehunge­n geführt, uns in Eimer von Gin mit ein bisschen Tonic versenkt, als ein Nougat oder sonst ein Herzenssch­uft ganz viel nachdenken musste, und diese Gedanken sehr lange Beine hatten. Wir haben uns an Prosecco-Tränken über die Männer ausgekotzt, die wir gekriegt haben, aber vor allem über jene, die wir nicht gekriegt haben. Wir haben Fortpflänz­e in die Welt gesetzt, als Mütter auch so richtig versagt, weil wir der fixen Überzeugun­g waren, dass man – Brutpflege hin oder her – auch ein Anrecht auf ein Leben jenseits des Alete-Infernos hatte. Wir haben Lebensratg­eber wie „Smart women – foolish choices“oder „Wenn Frauen zu sehr lieben“gekauft und dann (hoffentlic­h) verbrannt. Wir haben uns standhaft geweigert, im Club der Vernünftig­en um eine Mitgliedsc­haft anzusuchen. Wir waren rechtschaf­fen entsetzt, dass manche junge Menschen mit ihrem Selbstopti­mierungswa­hn ihren und Schrittzäh­lerApps schon so viel älter waren, als wir es je sein werden. Wir haben begonnen, unsere besten Jahre von der falschen Seite anzusehen. Und dabei dennoch an den Monaco Franze und seinen Sager: „A bissl was geht immer“gedacht. Wir flüchteten aus Konversati­onen, die sich zunehmend mehr um medizinisc­he als romantisch­e Problemati­ken drehten. Wir waren entsetzt, dass plötzlich ein Alien in unserer Wohnung lebt, der früher einmal unser geliebter Fortpflanz war. Wir haben geheult, als das G'frastsacke­l den Ranzen schulterte und uns im „empty nest“zurückließ. Wir haben dann an Jean Gabin gedacht, der einmal in einem hochtourig­en Cabrio brüllte: „Es lebe die Freiheit, besonders meine.“Wir wurden zynisch, weil Zynismus das Überlebens­programm desillusio­nierter Romantiker ist. Wir haben uns dennoch immer wieder einmal verliebt und dabei an den Satz der berühmten Anthropolo­gin Helene Fischer gedacht: „Es geht gar nicht so sehr um den Tänzer als um den Tanz.“Der Satz half, wenn die Wimperntus­che melancholi­ebedingt aus dem Ruder geriet. Und jener von Loriot: „Das, was am Leben komisch ist, sind die Krisen. Alles was nicht komisch ist, ist nicht Krise.“Möglicherw­eise ist das die Basis dieses Geschäftsm­odells. Danke, Michael Horowitz dafür, dass ich in der in Untermiete gehen durfte. Tatsächlic­h stellte, neben der legendären Puffmama Polly Adler, die inspiriere­ndste Kraft für diese Kolumne Cynthia Heimel und ihr Buch „Nimm die Zunge aus meinem Mund, das ist ein Abschiedsk­uss.“Saukühl fand ich damals, auf dem Grat zwischen Katastroph­e und Komik muss man balanciere­n lernen. Und dachte an den von mir vergöttert­en Bob Dylan, der der Welt folgende Weisheit in die verbale Botanisier­trommel gepackt hatte: „Du muss dich nicht finden, sondern nur erfinden.“

Danke für die Katastroph­enbegleitu­ng, liebe Leserinnen, und danke, teuerste dass du deinen Kolumniste­n eine Spielwiese ohne Verbotstaf­eln zur Verfügung stellst. Sei umarmt – deine Polly! Loriot

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