UND IMMER WIEDER SEX
„Express Yourself“singt Madonna im Jahr 1989, ein junger Informatiker präsentiert die Idee für das WWW. Keiner ahnt, wie sehr das unser Liebesleben verändern würde. Von virtueller Lust, Sex mit Maschinen und der unsterblichen Sehnsucht nach Nähe. von gabriele kuhn
Telefonsex im Auto? Vor knapp 30 Jahren möglich, aber ein Kraftakt. Cool war allerdings schon, wer rechts die Handgurke – Marke D-Netz, ca. 1 kg schwer – halten und mit links onanieren konnte, während die Affäre ins Telefon stöhnte. Da ahnte noch niemand was alles noch kommen würde. Denn als 1990 das analoge Mobilnetz in Österreich eingeführt wurde, hatte Tim BernersLee am europäischen Kernforschungszentrum CERN schon längst sein Konzept für das World
Wide Web präsentiert – am 12. März 1989. „Vage, aber hochspannend“kommentierte es der Chef des jungen Physikers und Informatikers. Das Ding sollte dem besseren Informationsmanagement dienen – vor allem für Forscher. Im Dezember 1990 war es so weit: Berners-Lee präsentierte den ersten Internet-Browser. Vermutlich hatte er kein bisschen Vorstellung davon, wie sehr seine Idee, gemeinsam mit der Erfindung des Internets (1969), unser Leben verändern würde – und damit unsere Beziehungen, die Intimität, den Sex. Heute ist die halbe Welt online.
Porno-Codes
Schlüpfrige Bilder und Informationen wurden natürlich schon davor ausgetauscht. Weiß noch wer, was ASCII Porno ist? Die Abkürzung für „American Standard Code für Information Interchange“ist ein Code mit Buchstaben, Ziffern und Zahlen – er gilt als erste Form der Internet-Pornografie. So wurden versaute Bilder kreiert – und via Netz verbreitet. Lächerlich harmlos im Vergleich zu heute. Denn erst das WWW machte die breite Entwicklung der NetzPornografie in den späten 1990erJahren möglich. Eine Liaison der Triebkräfte, denn – umgekehrt – gilt Pornografie als Motor für die kontinuierliche Erweiterung des World Wide Web. Mittlerweile existieren Milliarden einschlägiger Seiten und die damit verknüpfte Branche bringt immer wieder neue Ideen hervor, die Triebe der Menschen mittels Technologie hochzukitzeln – um sie in der Sekunde zu befriedigen. Heute sprechen wir nicht nur von digitalisierter Sexualität, sondern auch zunehmend von der Spezies „digisexueller Mensch“: Leuten, die sich mehr für Tech-Sex interessieren als für Partner aus Blut, Fleisch, Tränen.
Chatten – was?
Ich selbst kann mich noch erinnern, wie ich fasziniert daheim vor dem Computer saß, das Modem glühen ließ (um damit eine schaurig hohe Telefonrechnung zu produzieren) und diese Web-Adresse eines