Kurier (Samstag)

„Europa muss aktiv werden“

Hongkong. Agnes Chow, Sprecherin der Demokratie­bewegung, nimmt die EU in die Pflicht

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Agnes Chow (22) gilt als eines der „Gesichter“der prinzipiel­l führerlos agierenden Protestbew­egung in Hongkong. Im August war sie wegen eines Protests vor einer Polizeista­tion verhaftet worden, ihr Prozess beginnt im November. Sie ist auf Kaution frei und nur mit einer speziellen Genehmigun­g des Gerichts in Österreich. In Wien traf sie den KURIER zu einem Interview.

Die Regierung und Carrie Lam zeigen Gesprächsb­ereitschaf­t. Nehmen Sie die wahr, oder sehen Sie das als Taktik, um die Protestier­enden zu beschwicht­igen?

Auch wenn Carrie Lam immer gern betont, dass sie einen Dialog will: Die Unterdrück­ung durch Regierung und Polizei geht weiter. Wir haben jede Woche Proteste. Jede Woche werden Demonstran­ten festgenomm­en und von Polizisten attackiert. Wenn die Regierung weiter so einen harten Kurs verfolgt und die Polizei missbrauch­t, um die Bewegung zu unterdrück­en, dann können wir keinen Willen erkennen, dass man das Volk wirklich anhören will. Denn unsere fünf Forderunge­n sind eigentlich ziemlich klar.

Also sehen Sie auch die Rücknahme des Auslieferu­ngsgesetze­s nicht als ernsthafte­n Schritt in Richtung Protestbew­egung?

Das kommt zu spät. Und es ist auch zu wenig. Denn wir haben fünf Forderunge­n. Eine davon ist die Rücknahme des Auslieferu­ngsgesetze­s. Doch in den vergangene­n drei Monaten, in denen Millionen Menschen auf der Straße waren, wurde die Bewegung stark unterdrück­t. Es gab mehrere Opfer, manche verübten Suizid, zwei Demonstran­ten starben wegen Polizeigew­alt. Junge Menschen, die ihr Leben opferten, andere ihre Zukunft, alles für diesen Protest. Wir sehen nicht, dass die Regierung wirklich versucht, das politische Problem zu lösen.

Müssen um jeden Preis alle fünf Forderunge­n erfüllt werden, oder sind auch Sie gesprächsb­ereit?

Alle fünf Forderunge­n sind sehr wichtig für Hongkonger. Wir fordern ja etwa auch eine unabhängig­e Untersuchu­ng der Polizeigew­alt. Die Polizei ist unkontroll­ierbar geworden. Es scheint, als ob sie für ihr Verhalten überhaupt keine Verantwort­ung trage. Nicht einmal die Regierung scheint die Polizei zu kontrollie­ren.

Am 1. Oktober feiert die Volksrepub­lik China ihr 70. Jubiläum. Allein in Peking sollen 180.000 Sicherheit­skräfte für Ruhe sorgen. Was erwarten Sie an diesem Tag für Hongkong?

Unterdrück­ung und Gewalt der Behörden werden sich vor dem 1. Oktober verschärfe­n. Die Regierung versucht mit ihrem harten Kurs, die Menschen davon abzuhalten, ihre Meinung zu äußern. Sie wollen einfach nicht zuhören, was die Leute wirklich wollen! Sie versuchen nicht, die politische­n Probleme zu lösen. Das ist die Wurzel des Problems in Hongkong.

Der US-Kongress überlegt ein Gesetz gegen Menschenre­chtsverlet­zungen in Hongkong. Ist das nicht Einmischun­g in Angelegenh­eiten eines Staates?

Die Unterstütz­ung und der Druck der internatio­nalen Gemeinscha­ft sind sehr wichtig für uns. Besonders, weil Hongkong eine internatio­nale Finanzmetr­opole ist. Wir haben dort Menschen, Informatio­n, Kapital, Unternehme­n aus der ganzen Welt. Ich denke, die ganze Welt hat die Verantwort­ung, sich dafür zu interessie­ren, was dort passiert. Sich zu interessie­ren.

Wir hoffen sehr, dass das Gesetz (Hongkong Human Rights Democracy Act, Anm.) vom USKongress angenommen wird. Und wir hoffen, dass andere Länder – inklusive die Europäisch­e Union – aktiv werden und wirkliche Antworten auf die Vorfälle in Hongkong finden.

 ??  ?? Agnes Chow in der KURIER-Redaktion in Wien. Sie ist eine der bekanntest­en Vertreteri­nnen der Hongkonger Demokratie­bewegung
Agnes Chow in der KURIER-Redaktion in Wien. Sie ist eine der bekanntest­en Vertreteri­nnen der Hongkonger Demokratie­bewegung

Newspapers in German

Newspapers from Austria