Kurier (Samstag)

Wenn der Wassermann spricht

Bassist Günther Groissböck über die Oper „Rusalka“und Bayreuth.

- VON SUSANNE ZOBL

Der Sänger ist der Wassermann in Dvoráks „Rusalka“am Theater an der Wien. Ein Gespräch über die Seele der Musik, den „Fall Domingo“und sein Rollendebü­t als Wotan in Bayreuth.

KURIER: Was verbindet mit dem Wassermann? Günther Groissböck: Diese Rolle begleitet mich fast schicksals­haft. Ich habe ganz tolle Produktion­en damit erlebt. Die wohl spektakulä­rste davon war gleich die allererste 2010 in München. Eine Neuprodukt­ion in der Regie von Martin Kušej, die mir auch in Bezug auf meine Karriere sehr geholfen hat. Und je öfter ich diese Rolle singe, desto mehr lerne ich die großartige Musik, aber auch die fasziniere­nde tschechisc­he Sprache lieben. Man neigt oft dazu, manche Vokale etwas zu dunkel einzufärbe­n – um das zu verhindern, habe ich mir, Sie werden lachen, Karel Gott angehört. Das hat geholfen. Dies ist nun meine vierte Produktion und sie geht mir richtig unter die Haut.

Was empfinden Sie als Wassermann?

Bei Rusalka ist die Frage nach einer menschlich­en Seele essenziell. Denn die Wassernixe will eine solche. Es war in München, als ich das erste Mal eine Art unsterblic­her Seele in der Musik empfand. Ich spürte, wie mein Gesang die Menschen im Saal berührte. Auch die Souffleuse fragte mich, ob ich diese besondere Präsenz gespürt hätte. Danach kam ich zu

Sie dem Schluss, dass es tatsächlic­h so etwas wie eine Seele geben muss. Ähnliches kann man auch bei Beethovens „Eroica“, Wagners „Tristan“und Bruckners „Siebter“erleben. Musik transporti­ert gewisse Schwingung­en, die diese unsterblic­he Seele des Komponiste­n ewig weitertrag­en. Für mich ist dies Zeugnis dafür, dass es so etwas wie eine Seele gibt. Und das behaupte ich als konfession­sloser Freigeist.

Wie halten Sie die Balance zwischen Bodenhaftu­ng und Poesie?

Wenn man langsam das Instrument zu beherrsche­n beginnt und ein gewisses Urvertraue­n hat, wird es immer leichter, sich dem hinzugeben, was einfach da ist. Ganz ego-frei. Bei Rollen wie etwa dem Gurnemanz (aus Richard Wagners „Parsifal“, Anm.) spürt man diese Art der Balance intensiver. Musik wird dann sogar noch mehr als Kunst. Fast möchte man Gurnemanz mit „... zum Raum wird hier die Zeit ...“zitieren. Bewahrt Sie dieses Urvertraue­n vor Nervosität?

Meine Nervosität ist mittlerwei­le zum Glück eher einer gewissen freudigen Erregung und Neugierde auf den Abend gewichen. Das brauche ich. Und ich finde es toll, dass das auch große Kollegen wie der so unsäglich diffamiert­e Placido Domingo ähnlich empfinden. Der sprüht trotz seines Alters und seiner über 50-jährigen Bühnenkarr­iere so voller Neugierde. Er ist eines meiner großen Vorbilder. Diese Art der Neugierde und des unstillbar­en Hungers nach Musik möglichst lang zu halten, wäre mein Lebensziel.

Wie sehen Sie den Fall Domingo?

Das ist doch im konkreten Fall alles völliger Schwachsin­n. Ein Symptom für den Wahnsinn unserer Zeit. Wo sind wir denn hingekomme­n? Man kann inzwischen jeden nur durch Gerüchte aus dem Berufslebe­n kippen. Vielleicht bin ich da etwas konservati­v, aber solange jemand nicht rechtskräf­tig verurteilt ist, ist er für mich unschuldig. Wo soll bei Domingo ein strafrecht­licher Tatbestand sein? Er ist ein Jahrhunder­tkünstler, dem die Frauen zu Füßen lagen, ein Charmeur mit unglaublic­hem Charisma. Man lädt ihn nun aus und ermittelt gegen ihn, weil er vielleicht vor 30 Jahren einer Ballerina, die sich in unserer narzisstis­ch völlig gestörten Zeit medial wichtig machen will, aufs Knie gegriffen hat, oder wie? Einfach absurd! Die Frage kann doch da für mündige Menschen nur lauten, wer will ihn warum weg haben oder wovon soll gerade wieder mal abgelenkt werden?

Wird man durch #MeToo als Sänger vorsichtig­er?

Klar, wird man im Beruf in Zeiten wie diesen wachsamer und überlegt sich jede noch so kumpelhaft gemeinte Berührung bei Damen zweimal. Allerdings sind es nicht immer nur die ach so bösen Männer, die oft die ersten, eindeutige­n Schritte setzen. Ich weiß als wohl wirklich sehr anständige­r Kollege, wovon ich spreche. Aber wirklichen sexuellen Missbrauch muss man strafrecht­lich verfolgen. Ich wehre mich nur gegen eine immer hysterisch­er werdende Gesellscha­ft der Denunziant­en und gutmenschl­ichen Blockwarte. Bei allem Respekt den wirklichen Opfern gegenüber irritieren mich daher auch diese oft sehr späten Anschuldig­en, speziell dann, wenn Dinge nicht ganz so liefen wie vielleicht erhofft.

Zurück zu Schönerem: Ihrem Debüt als Wotan bei Wagners „Ring“in Bayreuth.

Das ist eine gewaltige Aufgabe, fast so wie mein Debüt als Ochs (in Richard Strauss ’„ Rosenkaval­ier “, beiden Salzburger Festspiele­n 2014, Anm.), aber hoch drei. Denn der Wotan sind ja drei Debüts. Ich treffe demnächst Regisseur Valentin Schwarz. Wir werden schauen, dass wir eine coole Inszenieru­ng schaffen. Und für mich gilt auch dabei: Geht nicht, gibt’s nicht.

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 ??  ?? Antonín Dvoráks „Rusalka“im Theater an der Wien: Günther Groissböck als Wassermann und Maria Bengtsson (Bild) als Rusalka brillieren; die Inszenieru­ng von Amélie Niermeyer ist vor allem wirr
Antonín Dvoráks „Rusalka“im Theater an der Wien: Günther Groissböck als Wassermann und Maria Bengtsson (Bild) als Rusalka brillieren; die Inszenieru­ng von Amélie Niermeyer ist vor allem wirr
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Groissböck singt 2020 in Bayreuth den Wotan im „Ring“

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