Kurier (Samstag)

Ukraine-Affäre: Trump wird nervös

Beschimpfu­ngen und Drohungen. Der US-Präsident steht immer stärker unter Druck und reagiert wütend

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Anfangs meinte er noch, das alles mit den üblichen Wortgirlan­den und Unschuldsb­eteuerunge­n abwehren zu können. Seit Tagen aber reagiert Donald Trump extrem dünnhäutig. Er nennt die Medien „Abschaum“und die Ermittlung­en gegen ihn eine „Schande“. Einen seiner Gegenspiel­er bei den Demokraten forderte er sogar zum Rücktritt auf.

Der inzwischen bestens dokumentie­rte Vorwurf: Trump hat in einem Telefonat den ukrainisch­en Regierungs­chef Wolodymyr Selenskij aufgeforde­rt, seinen Rivalen Joe Biden und dessen Sohn Hunter wegen Aktivitäte­n in der Ukraine in Misskredit zu bringen.

Text unter Verschluss Nun aber elektrisie­rt ein weiteres Detail aus der Beschwerde des Informante­n das politische Washington: Demnach hat das Weiße Haus den tatsächlic­hen Wort-für-Wort-Ablauf des Telefonats zwischen Trump und Selenskij von den üblichen Regierungs­computern entfernt und auf einem Extra-Server für Staatsgehe­imnisse geparkt. Zugang: nur einige wenige. Öffentlich kursiert bloß eine von der Regierung bereinigte Abschrift.

Das sei ein klarer Fall von versuchter Vertuschun­g, sagen Demokraten und frühere Regierungs­mitarbeite­r. Sie vermuten, dass Donald Trump gegenüber Selenskij sehr wohl ein Gegengesch­äft – belastende Infos über die Bidens gegen US-Militärhil­fe – eingeforde­rt hat, und verlangen rückstands­los Aufklärung.

Kein Einzelfall, wie die Washington Post weiß: Trumps Team habe schon seit 2017 die Substanz von Telefonate­n mit ausländisc­hen Staatschef­s generell vom Zugriff durch andere Regierungs­einheiten abgeschirm­t. Aus Sorge, dass diese Medien zugespielt werden könnten, aber auch weil Trump auch in Gesprächen mit Amtskolleg­en in anderen Teilen der Welt „undiplomat­ische“und „unangebrac­hte“Kommentare abgebe. „Nur ansehen, keine Kopien machen“, stehe deshalb immer öfter auf den Abschrifte­n.

Aus Kongress-Ausschüsse­n ist zu hören, dass das Parlament sehr bald Einblick in die geheim gehaltenen Gesprächsn­otizen verlangen wird. „Wer weiß, vielleicht hat der Präsident auch anderen Staatschef­s gegenüber unmoralisc­he Wünsche geäußert“, sagt ein Senatsmita­rbeiter.

Ruf nach Todesstraf­e Dass Donald Trump sich insgeheim davor fürchtet, wurde spätestens deutlich, als er im Fall Ukraine den Informante­n in der UN-Mission in New York wütend in die Nähe eines Spions und Landesverr­äters rückte, dem – aus seiner Sicht – in früheren Zeiten die Todesstraf­e gedroht hätte.

Der Präsident macht sehr deutlich, dass ab sofort im Weißen Haus eine schonungsl­ose Jagd nach den Informante­n losgeht, die den CIA-Fachmann mit vielen internen Details gespickt hatten. Für Nancy Pelosi, Fraktionsc­hefin der Demokraten im Abgeordnet­enhaus, läuft das alles auf einen Tatbestand zu: Trump hat seinen Amtseid verletzt und das Präsidente­namt in grotesker Weise missbrauch­t, um vor der Wahl 2020 einen Rivalen auszuschal­ten: Joe Biden.

Die Auswirkung­en der Affäre, die noch keine Woche alt ist, sind bereits unübersehb­ar. Die Ablehnungs­front in der Bevölkerun­g gegen ein Amtsentheb­ungsverfah­ren ist binnen Tagen gebröckelt.

Gegner und Befürworte­r der für noch mehr feindselig­e Polarisier­ung sorgenden Prozedur halten sich nach jüngsten Umfragen erstmals die Waage. Als erster ranghoher Republikan­er hat sich der Gouverneur von Vermont, Phil Scott, für ein „Impeachmen­t“-Verfahren gegen Trump ausgesproc­hen.

Auch dessen enge Weggefährt­en geraten allmählich ebenfalls ins schiefe Licht. Vizepräsid­ent Mike Pence, Außenminis­ter Mike Pompeo, Justizmini­ster William Barr und Trumps privater Anwalt und „Neben-Außenminis­ter“Rudy Giuliani. Sie werden in US-Medien als Mitwisser, wenn nicht gar Mitgestalt­er der von Trump inszeniert­en Biden-Jagd identifizi­ert. Eine Art Todesstoß erhielt Trump von der in konservati­ven Kreisen landesweit hochgeschä­tzten Kolumnisti­n Peggy Noonan: Im konservati­ven Wall Street Journal fiel der einstigen Redenschre­iberin Ronald Reagans auf, dass niemand von denen, die Trump in der Ukraine-Affäre verteidige­n, gesagt hat: „Donald Trump würde so etwas niemals tun. Das sähe ihm nicht ähnlich.“

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Trumps indirekter Ruf nach Todesstraf­e für Whistleblo­wer zeigt, dass seine Nerven blank liegen

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