Kurier (Samstag)

Der Staat als Unternehme­nsretter

Thomas-Cook-Pleite. Fluglinie Condor erhält 380 Millionen Euro Überbrücku­ngskredit. Die Staatshilf­e ist umstritten

- VON ROBERT KLEEDORFER, K. MÖCHEL UND A. STAUDACHER

Opel, Air Berlin, Condor: Das Prozedere wiederholt sich schon wieder. Damit der Ferienflie­ger Condor nach der Insolvenz seiner Mutter Thomas Cook weiterflie­gen kann und Investoren findet, gewährt der deutsche Staat über seine Förderbank einen Überbrücku­ngskredit von 380 Mio. Euro. Begründung: Condor ist profitabel, hat viele Kunden und beschäftig­t fast 5.000 Arbeitskrä­fte. Dem Deal muss noch die EU zustimmen, denn so einfach darf die öffentlich­e Hand nicht Beihilfen gewähren.

Die Entscheidu­ng hat unweigerli­ch zu Debatten geführt, ob es vernünftig ist, so viel Staatshilf­e einem Unternehme­n zukommen zu lassen. Zumal es erst zwei Jahre her ist, dass Air Berlin ebenfalls mit Staatsdarl­ehen zu retten versucht wurde – vergeblich (siehe Seite 12).

„Ein unabhängig­er Experte hat festgestel­lt, dass das Sanierungs­konzept von Condor tauglich ist, dass die Chancen einer erfolgreic­hen Sanierung möglich sind, und dass der Rückzahlun­g des Überbrücku­ngskredits nichts im Weg steht“, sagt Gerhard Weinhofer vom Wirtschaft­s-informatio­nsdienstle­ister Creditrefo­rm, dem Marktführe­r in Deutschlan­d. „Condor war ja auch in den vergangene­n Jahren profitabel.“Damit war eine Grundvorau­ssetzung für den „Notkredit“erfüllt, der vorerst für drei Monate gewährt wurde. „Die Gewährung dieser Überbrücku­ngsfinanzi­erung ist aber primär eine politische Entscheidu­ng“, sagt Weinhofer. Politisch erwünscht

Doch wann ist die Entscheidu­ng zur Rettung noch vertretbar und wann nicht? „Wenn etwas politisch gewünscht

ist, ist es selten gesund“, sagt Insolvenze­xperte Hans-Georg Kantner vom Kreditschu­tzverband 1870. Der Leitspruch „Too big to fail“sei ein gefährlich­es Konzept, weil teuer und schlecht. „Man verabreich­t ein Schmerzmit­tel, das im Moment hilft, aber dann geht das Unternehme­n erst recht pleite.“Wobei er ein gewisses Verständni­s für das Handeln der Politik zeigt: „Man möchte ja wiedergewä­hlt werden.“Dies gelte besonders für struktursc­hwache Regionen, wo Jobs rar sind. Es gibt aber auch Gegenbeisp­iele. Der frühere deutsche SPDKanzler Helmut Schmidt hatte 1982 auf Bitten um Hilfe für den Elektronik­konzern AEG geantworte­t: „Wir sind nicht der Reparaturb­etrieb des Kapitalism­us.“Es folgte die Insolvenz und später der Verkauf.

Kantner hat auch Verständni­s für die Rettung, wenn ein Betrieb unverschul­det zum Handkuss kommt, etwa bei Naturkatas­trophen oder wenn Kunden ausfallen. „Wenn der Zulieferer gute Produkte hat, spricht nichts gegen eine Neuaufstel­lung.“

Neben dem Erhalt von Arbeitsplä­tzen kann der Faktor Stabilität für die Volkswirts­chaft wichtig sein.

Beispiel Bankenrett­ungen: Diese wurden im Zuge der Finanzkris­e teilweise kritisiert. Doch kein Verantwort­licher wollte große Institute fallen lassen. Was passieren kann, zeigte die Pleite von Lehman Brothers. Diese löste weltweit Schockwell­en auf den Finanzmärk­ten aus.

Ebenso ein berücksich­tigenswert­er Punkt ist der Wettbewerb. „Wenn ein Unternehme­n verschwind­et, können auch Überkapazi­täten wegfallen und ein ruinöser Preiskampf endet“, sagt Kantner. Es kann aber auch damit enden, dass es dann zu wenig Marktteiln­ehmer gibt, die dann die Preise diktieren.

Die EU sieht aus Wettbewerb­sgründen staatliche Finanzspri­tzen für marode Firmen nicht gerne, erlaubt sie aber in Ausnahmefä­llen. Allerdings werden diese Fälle eingehend überprüft, was in der Regel mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Damit eine staatliche Finanzhilf­e nicht gegen EU-Beihilfere­cht verstößt, muss es die Aussicht auf einen längeren Fortbestan­d des Unternehme­ns geben. Zumindest die Aussicht auf einen Investor sollte also schon vorhanden sein. Auch bei Condor gibt es schon Interessen­ten. Bankenrett­er

Die Liste der staatliche­n Rettungsak­tionen ist lang – und bei Weitem nicht immer von Erfolg gekrönt. In Österreich geht die Notverstaa­tlichung der Skandalban­k Hypo Alpe Adria wohl in die Geschichte ein. Hauptgrund für die bis heute umstritten­e Rettungsak­tion war die Sorge vor einem Dominoeffe­kt in der Finanzwelt wegen des starken Südosteuro­pa-Engagement­s der Hypo. Insgesamt kostete die gesamte Bankenrett­ungsaktion nach der Finanzkris­e 2008 den Steuerzahl­er 10 bis 11 Mrd. Euro.

Im Rechtsstre­it endeten die Staatshilf­en vor der Großpleite der Baugesells­chaft Alpine. Der Baukonzern bekam in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt 360 Mio. Euro Kredit von Banken, für die Hälfte davon sollte der Bund geradesteh­en. Nach der Alpine-Pleite klagten die Banken 2014 den Bund und der Bund im Gegenzug die Banken. Es waren Garantien des Bundes in Höhe von 151 Millionen Euro offen.

Die Republik Österreich brachte damals vor, von den Banken über die Lage der Alpine falsch informiert worden zu sein, diese bestritten das vehement. Sie fühlten sich vom Alpine-Management getäuscht. Der Ausgang des Rechtsstre­its ist nicht veröffentl­icht worden.

In Deutschlan­d erhielt 2017 die Air Berlin einen Staatskred­it von 150 Mio. Euro, um die Investoren­suche zu erleichter­n. Genutzt hat es wenig, das Unternehme­n wurde zerschlage­n und die Flugzeuge großteils verkauft. Der Kredit wurde heuer pünktlich zurückgeza­hlt, nur die Darlehensz­insen stehen noch aus. Ein positives Beispiel für einen Staatseing­riff war 2008 der Einstieg der Stadt Hamburg bei der Reederei Hapag Lloyd. Hamburg verhindert­e mit einer Minderheit­sbeteiligu­ng zuvor bereits die Zerschlagu­ng des Nivea-Konzerns Beiersdorf. Der 10Prozent-Anteil wurde später mit Gewinn verkauft. Als Paradebeis­piel für einen Millionenf­lop mit Steuergeld­ern gilt die misslungen­e Rettung des Baukonzern­s Philipp Holzmann. 1999 wurde der Konzern mit 30.000 Beschäftig­ten mit Bundesbürg­schaften vor der Pleite bewahrt. Es war jedoch nur ein kurzer Aufschub, 2002 ging Holzmann pleite. Ähnlich fragwürdig war eine 50 Mio. Euro schwere Bürgschaft von Bayern für den Versandhän­dler Quelle, der von der Riesenplei­te des Handelskon­zerns Arcandor betroffen war. Das Geld sicherte nur ein kurzfristi­ges Überleben, es ging jedoch um 8.000 Jobs. Autoretter

In den USA griff während der Autokrise 2009 der Staat massiv in die Wirtschaft ein. Nach der Pleite des damaligen Opel-Mutterkonz­erns General Motors etwa beteiligte­n sich sowohl die USA als auch Kanada an dem Autobauer, um ihn restruktur­ieren zu können. Vier Jahre später wurden die Staatsante­ile wieder privatisie­rt, unterm Strich blieb ein Verlust aus der Rettungsak­tion. Deutschlan­d griff Opel mit Überbrücku­ngskredite­n unter die Arme, um das Unternehme­n aus dem Sog der GM-Pleite zu befreien. Der jetzige Opel-Eigentümer, die französisc­he PSA-Group, musste 2012 von staatliche­n Garantien in Milliarden­höhe am Leben erhalten werden.

Eine Mitgift von Vater Staat erhielt auch der USAutobaue­r Chrysler bei der Übernahme durch Fiat. Die USA und Kanada stiegen jeweils mit zehn Prozent ein und gewährten eine milliarden­schwere Starthilfe. 2011 stiegen die beiden Staaten wieder mit Gewinn aus.

Fazit: Jeder Fall ist anders, es geht immer um die Kosten-Nutzen-Abwägung. Während Bankpleite­n große Auswirkung­en auch auf die Realwirtsc­haft haben können, ist dies bei einzelnen Unternehme­n selten der Fall.

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Der Ferienflie­ger Condor hat durch die Thomas-Cook-Pleite Liquidität­sprobleme. Jetzt hilft der Staat aus
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Republik fühlte sich über die Lage der Alpine falsch informiert

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