Gschisti-gschasti
Beim Wirten meines Vertrauens kocht jetzt ein Neuer. Kulinarisch anspruchslosen Gästen wie mir, die immer dasselbe bestellen (Grießnockerlsuppe), ist das noch nicht aufgefallen.
Kellner S. (Name von der Redaktion geändert) ist jedoch skeptisch angesichts der ambitionierten Speisekarte des neuen Kochs. Neben bewährtem Herausgebackenen bietet diese neuerdings allerhand Fremdwörter (der Saft heißt jetzt „Jus“) und manchen Speisen wurden gar Adelstitel („Mousse von der ...“) verliehen.
Mir ist das ja egal, aber Kellner S. findet die neue Karte ein bisserl gar bemüht. Sein hartes Urteil: „De neiche ,Gschistigschasti-Koatn.‘ “
Gar nicht „Gschisti-gschasti“geht es derzeit wohl im Wiener Prater zu. Ich gebe zu, es handelt sich um eine Ferndiagnose, denn ich kann die dort stattfindende „Wiener Wiesn“nicht besuchen. Die Worte urig und herzhaft lösen bei mir Juckreiz aus und das Versprechen, es werde in gleich drei Festzelten und auf fünf Almen ausreichend Gaudi geben, macht mir Angst.
Ratlos hinterlässt mich die Mitteilung, es handle sich dabei um die Pflege von Brauchtum und Tradition. Heimat eben. Heimat ist ja relativ. Als Wienerin ist ein Münchner Bierzelt nicht das Erste, was mir dazu einfällt. Ich habe keine diesbezüglichen Erinnerungen an ein Brauchtum aus vergangenen Zeiten. Aber ja, viel Alkohol in kurzer Zeit trinken kann man wohl auch hier als Brauchtum bezeichnen. Sprachforscher nennen das Euphemismus: eine problematische Sache besser darstellen, als sie ist.
Und dann ist da die Behauptung des Veranstalters, es gebe keine Frau, die nicht sensationell in einem Dirndl aussieht. Ich widerspreche vehement. Noch mehr aber der Aufforderung, Männer sollten Lederhosen tragen, denn stramme Wadln mit gscheite Stutzn runden das Bild eines gestandenen Mannsbildes ab und erfreuen die Damenwelt!
Geschmackssache? Ich als Nano-Teilchen der Damenwelt rufe: „Irrtum!“und denke an gestern, als ein Bierzelt am Tag der Nationalratswahlen unvorstellbar war. Bis 1979 herrschte am Wahltag Alkoholverbot.