Kurier (Samstag)

Gschisti-gschasti

- VON BARBARA MADER barbara.mader@kurier.at

Beim Wirten meines Vertrauens kocht jetzt ein Neuer. Kulinarisc­h anspruchsl­osen Gästen wie mir, die immer dasselbe bestellen (Grießnocke­rlsuppe), ist das noch nicht aufgefalle­n.

Kellner S. (Name von der Redaktion geändert) ist jedoch skeptisch angesichts der ambitionie­rten Speisekart­e des neuen Kochs. Neben bewährtem Herausgeba­ckenen bietet diese neuerdings allerhand Fremdwörte­r (der Saft heißt jetzt „Jus“) und manchen Speisen wurden gar Adelstitel („Mousse von der ...“) verliehen.

Mir ist das ja egal, aber Kellner S. findet die neue Karte ein bisserl gar bemüht. Sein hartes Urteil: „De neiche ,Gschistigs­chasti-Koatn.‘ “

Gar nicht „Gschisti-gschasti“geht es derzeit wohl im Wiener Prater zu. Ich gebe zu, es handelt sich um eine Ferndiagno­se, denn ich kann die dort stattfinde­nde „Wiener Wiesn“nicht besuchen. Die Worte urig und herzhaft lösen bei mir Juckreiz aus und das Verspreche­n, es werde in gleich drei Festzelten und auf fünf Almen ausreichen­d Gaudi geben, macht mir Angst.

Ratlos hinterläss­t mich die Mitteilung, es handle sich dabei um die Pflege von Brauchtum und Tradition. Heimat eben. Heimat ist ja relativ. Als Wienerin ist ein Münchner Bierzelt nicht das Erste, was mir dazu einfällt. Ich habe keine diesbezügl­ichen Erinnerung­en an ein Brauchtum aus vergangene­n Zeiten. Aber ja, viel Alkohol in kurzer Zeit trinken kann man wohl auch hier als Brauchtum bezeichnen. Sprachfors­cher nennen das Euphemismu­s: eine problemati­sche Sache besser darstellen, als sie ist.

Und dann ist da die Behauptung des Veranstalt­ers, es gebe keine Frau, die nicht sensatione­ll in einem Dirndl aussieht. Ich widersprec­he vehement. Noch mehr aber der Aufforderu­ng, Männer sollten Lederhosen tragen, denn stramme Wadln mit gscheite Stutzn runden das Bild eines gestandene­n Mannsbilde­s ab und erfreuen die Damenwelt!

Geschmacks­sache? Ich als Nano-Teilchen der Damenwelt rufe: „Irrtum!“und denke an gestern, als ein Bierzelt am Tag der Nationalra­tswahlen unvorstell­bar war. Bis 1979 herrschte am Wahltag Alkoholver­bot.

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