Der Überzeugungstäter
Die jungen Jahre Bruno Kreiskys werden zum Filmstoff.
Als Bundeskanzler prägte Bruno Kreisky Österreich. Sein politisches Leben begann aber sehr viel früher. Drehbuch-Autor Fritz Schindlecker, Historikerin und Filmemacherin Helene Maimann und Regisseur Harald Sicheritz arbeiten gemeinsam an „Der junge Kreisky“. Dieser Tage haben sie die erste Drehbuch-Fassung für den Spielfilm finalisiert. Es zeigt einen jungen Menschen zwischen Wohlstand und Arbeiterkampf, Liebe und Bürgerkrieg, Gefängnis und internationaler Anerkennung, Folter und Flucht – bei der Musils „Mann ohne Eigenschaften“in der Manteltasche dabei war.
KURIER: Wie kommt man auf die Idee, einen Spielfilm über den jungen Bruno Kreisky zu machen?
Fritz Schindlecker: Ich habe vor 15 Jahren Kreiskys ersten Memoiren-Band gelesen. Das war schon sehr faszinierend, wie und warum sich jemand aus gutbürgerlichem Haus der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler zuwendet und dann, auch bedingt durch den Polizeieinsatz bei der Justizpalast-Demonstration, der dort aktiven sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) anschließt. Filmisch wird das der etwas amüsante Einstieg, dass Kreisky seiner Mutter gesagt hat, er gehe zum Elmayer in die Tanzschule und dann entsprechend ausstaffiert bei der SAJ angetreten ist – das haben die sicher sehr goutiert. Interessant ist auch sein privates Umfeld, seine Karriere, die Verhaftungen, der Sozialisten-Prozess, bei dem es um Hochverrat ging, worauf die Todesstrafe stand und seine Rede dort, in der er sich zu seiner Sache bekannt und die ihn international bekannt gemacht hat.
Harald Sicheritz: Politische Laufbahnen, die in der Zwischenkriegszeit begonnen haben, sind kaum Gegenstand des österreichischen Films. Und was wichtig zu betonen ist: Es wird ein fiktionaler Film und keine Spiel-Doku.
Bei der Ereignisfülle, die Kreiskys junges Leben ausmacht: Was lässt man weg, und wie faktentreu muss man bleiben?
Fritz Schindlecker: Wir wollen kein Heldenepos machen. Deshalb arbeiten wir zu dritt, wobei Helene Maimann sagt, was historisch geht. Es ist ein fiktionaler Film mit einer klaren Hauptfigur, der sich an die Realitätslinie hält … Helene Maimann: … der an ihr entlanggeht. Das ist ja die Kunst bei einem solchen Projekt. Kreisky hatte ein sehr aufregendes Leben in einer aufwühlenden, offen antisemitischen Zeit. Es sind etwa an der Uni, wo Kreisky Jus studierte, dauernd schwere Prügeleien durch Nazis passiert, was der Film zeigen wird. Für alles, was ihn später als Bundeskanzler und Parteivorsitzenden ausmachte, wurde er damals geprägt. Andererseits kannte er keine gesellschaftlichen Klassen – er war SAJ-Chef und hatte auch Freunde, die bei der Heimwehr waren. Er hat es aber auch lustig gehabt, die Frauen mochten ihn und er war immer „gsackelt“. Er hat nie verleugnet, woher er kommt. Warum wurde Kreisky zum Sozialisten?
Harald Sicheritz: Er folgte einer Idee und seine Erfahrungen bestärkten ihn darin. Er war sozusagen Überzeugungstäter – etwas, was heute, so meine Diagnose, abhandengekommen ist.
Fritz Schindlecker: Es gab da einen Onkel, der in der Gewerkschaftsbewegung in Böhmen tätig war. Kreisky hatte aber auch klar deutschnationale Verwandtschaft, die später von den Nazis ermordet wurde. Was mir auch wichtig ist, dass der ständig steigende Politisierungsdruck ab 1929 nachvollziehbar wird, der auch nicht engagierte Menschen erfasst hat. Einen schlimmeren Auswuchs dessen, als einen Bürgerkrieg wie in Österreich 1934, gibt es ja kaum. Das und der Anschluss 1938 sind zwei Kulminationspunkte, die im Film zu sehen sein werden.
Wieso konnte er trotz allem mit Nazis auskommen?
Fritz Schindlecker: Quellen für den Film sind auch sein Gefängnistagebuch und der Briefverkehr. Da kommt klar heraus: Ein Mitgefangener ist ein Mitgefangener, man ist solidarisch, egal woher er kommt. 1935 waren das auch Nazis. Kreisky saß ja damals 21 Monate im Gefängnis. Einer von ihnen hat sich nach Kreiskys Verhaftung durch die Gestapo für dessen Freilassung eingesetzt, unter der Auflage, das Land zu verlassen. Davor noch hat er im Gefängnis einem vormaligen Minister mit Verhaltensregeln geholfen. Der fragt ihn, woher er das alles weiß – Kreiskys Antwort: Weil Sie mich eingesperrt haben …
Helene Maimann: Er war ein Häfnbruder, weil ihn der österreichische Diktator dazu gemacht hat – Ironie der Geschichte ist, dass Kreisky als Gymnasiast noch Engelbert Dollfuß als Landwirtschaftskammer-Direktor und integren Fachmann kennengelernt hat. Kreisky hat später nie die Verurteilung wegen Hochverrats kassieren lassen.
Was hat das Damals mit dem Heute zu tun?
Helene Maimann: Es gibt sehr viele Parallelen, die auch für ein nicht so informiertes Publikum sichtbar werden – atmosphärische wie systemische: Leute gegeneinander aufhetzen, Sündenböcke suchen, die ganz bewusste Polarisierung der Bevölkerung auch von oben.
Harald Sicheritz: Es gibt Mechanismen, die sind leider nicht zeitanfällig.
Was sind die filmästhetischen Überlegungen? Man sieht heute hochkarätige Serien wie „Babylon Berlin“. Harald Sicheritz: Die Zeit ist eine ähnliche, aber es muss nicht so manieriert sein.
Fritz Schindlecker: Ich bin auch lieber den Menschen nahe, um die es geht. Außerdem, bei einem österreichischen Budget kann das sonst sehr leicht in die Lächerlichkeit abgleiten, wenn man einen historischen Film macht und dann steht eine halbe Kanone vor einem kleinen Gemeindebau.
Das Um und Auf wird der Darsteller des Kreisky.
Fritz Schindlecker: Das Casting wird insgesamt eine Herausforderung, weil wir eine ganze Reihe junger Schauspieler brauchen werden.
Helene Maimann: Das wird mit dem Buch das Wichtigste, Physiognomie, Ausstrahlung und Background, was also Kreisky ausgemacht hat, zu verkörpern. Man muss bei dem Film Kreisky spüren, die Atmosphäre, aber man darf das Publikum nicht zukleistern. Das Aufs-Aug-Drücken tut manchmal schon weh.