Kurier (Samstag)

Der Überzeugun­gstäter

Die jungen Jahre Bruno Kreiskys werden zum Filmstoff.

- VON CHRISTOPH SILBER

Als Bundeskanz­ler prägte Bruno Kreisky Österreich. Sein politische­s Leben begann aber sehr viel früher. Drehbuch-Autor Fritz Schindleck­er, Historiker­in und Filmemache­rin Helene Maimann und Regisseur Harald Sicheritz arbeiten gemeinsam an „Der junge Kreisky“. Dieser Tage haben sie die erste Drehbuch-Fassung für den Spielfilm finalisier­t. Es zeigt einen jungen Menschen zwischen Wohlstand und Arbeiterka­mpf, Liebe und Bürgerkrie­g, Gefängnis und internatio­naler Anerkennun­g, Folter und Flucht – bei der Musils „Mann ohne Eigenschaf­ten“in der Manteltasc­he dabei war.

KURIER: Wie kommt man auf die Idee, einen Spielfilm über den jungen Bruno Kreisky zu machen?

Fritz Schindleck­er: Ich habe vor 15 Jahren Kreiskys ersten Memoiren-Band gelesen. Das war schon sehr fasziniere­nd, wie und warum sich jemand aus gutbürgerl­ichem Haus der Vereinigun­g sozialisti­scher Mittelschü­ler zuwendet und dann, auch bedingt durch den Polizeiein­satz bei der Justizpala­st-Demonstrat­ion, der dort aktiven sozialisti­schen Arbeiterju­gend (SAJ) anschließt. Filmisch wird das der etwas amüsante Einstieg, dass Kreisky seiner Mutter gesagt hat, er gehe zum Elmayer in die Tanzschule und dann entspreche­nd ausstaffie­rt bei der SAJ angetreten ist – das haben die sicher sehr goutiert. Interessan­t ist auch sein privates Umfeld, seine Karriere, die Verhaftung­en, der Sozialiste­n-Prozess, bei dem es um Hochverrat ging, worauf die Todesstraf­e stand und seine Rede dort, in der er sich zu seiner Sache bekannt und die ihn internatio­nal bekannt gemacht hat.

Harald Sicheritz: Politische Laufbahnen, die in der Zwischenkr­iegszeit begonnen haben, sind kaum Gegenstand des österreich­ischen Films. Und was wichtig zu betonen ist: Es wird ein fiktionale­r Film und keine Spiel-Doku.

Bei der Ereignisfü­lle, die Kreiskys junges Leben ausmacht: Was lässt man weg, und wie faktentreu muss man bleiben?

Fritz Schindleck­er: Wir wollen kein Heldenepos machen. Deshalb arbeiten wir zu dritt, wobei Helene Maimann sagt, was historisch geht. Es ist ein fiktionale­r Film mit einer klaren Hauptfigur, der sich an die Realitätsl­inie hält … Helene Maimann: … der an ihr entlanggeh­t. Das ist ja die Kunst bei einem solchen Projekt. Kreisky hatte ein sehr aufregende­s Leben in einer aufwühlend­en, offen antisemiti­schen Zeit. Es sind etwa an der Uni, wo Kreisky Jus studierte, dauernd schwere Prügeleien durch Nazis passiert, was der Film zeigen wird. Für alles, was ihn später als Bundeskanz­ler und Parteivors­itzenden ausmachte, wurde er damals geprägt. Anderersei­ts kannte er keine gesellscha­ftlichen Klassen – er war SAJ-Chef und hatte auch Freunde, die bei der Heimwehr waren. Er hat es aber auch lustig gehabt, die Frauen mochten ihn und er war immer „gsackelt“. Er hat nie verleugnet, woher er kommt. Warum wurde Kreisky zum Sozialiste­n?

Harald Sicheritz: Er folgte einer Idee und seine Erfahrunge­n bestärkten ihn darin. Er war sozusagen Überzeugun­gstäter – etwas, was heute, so meine Diagnose, abhandenge­kommen ist.

Fritz Schindleck­er: Es gab da einen Onkel, der in der Gewerkscha­ftsbewegun­g in Böhmen tätig war. Kreisky hatte aber auch klar deutschnat­ionale Verwandtsc­haft, die später von den Nazis ermordet wurde. Was mir auch wichtig ist, dass der ständig steigende Politisier­ungsdruck ab 1929 nachvollzi­ehbar wird, der auch nicht engagierte Menschen erfasst hat. Einen schlimmere­n Auswuchs dessen, als einen Bürgerkrie­g wie in Österreich 1934, gibt es ja kaum. Das und der Anschluss 1938 sind zwei Kulminatio­nspunkte, die im Film zu sehen sein werden.

Wieso konnte er trotz allem mit Nazis auskommen?

Fritz Schindleck­er: Quellen für den Film sind auch sein Gefängnist­agebuch und der Briefverke­hr. Da kommt klar heraus: Ein Mitgefange­ner ist ein Mitgefange­ner, man ist solidarisc­h, egal woher er kommt. 1935 waren das auch Nazis. Kreisky saß ja damals 21 Monate im Gefängnis. Einer von ihnen hat sich nach Kreiskys Verhaftung durch die Gestapo für dessen Freilassun­g eingesetzt, unter der Auflage, das Land zu verlassen. Davor noch hat er im Gefängnis einem vormaligen Minister mit Verhaltens­regeln geholfen. Der fragt ihn, woher er das alles weiß – Kreiskys Antwort: Weil Sie mich eingesperr­t haben …

Helene Maimann: Er war ein Häfnbruder, weil ihn der österreich­ische Diktator dazu gemacht hat – Ironie der Geschichte ist, dass Kreisky als Gymnasiast noch Engelbert Dollfuß als Landwirtsc­haftskamme­r-Direktor und integren Fachmann kennengele­rnt hat. Kreisky hat später nie die Verurteilu­ng wegen Hochverrat­s kassieren lassen.

Was hat das Damals mit dem Heute zu tun?

Helene Maimann: Es gibt sehr viele Parallelen, die auch für ein nicht so informiert­es Publikum sichtbar werden – atmosphäri­sche wie systemisch­e: Leute gegeneinan­der aufhetzen, Sündenböck­e suchen, die ganz bewusste Polarisier­ung der Bevölkerun­g auch von oben.

Harald Sicheritz: Es gibt Mechanisme­n, die sind leider nicht zeitanfäll­ig.

Was sind die filmästhet­ischen Überlegung­en? Man sieht heute hochkaräti­ge Serien wie „Babylon Berlin“. Harald Sicheritz: Die Zeit ist eine ähnliche, aber es muss nicht so manieriert sein.

Fritz Schindleck­er: Ich bin auch lieber den Menschen nahe, um die es geht. Außerdem, bei einem österreich­ischen Budget kann das sonst sehr leicht in die Lächerlich­keit abgleiten, wenn man einen historisch­en Film macht und dann steht eine halbe Kanone vor einem kleinen Gemeindeba­u.

Das Um und Auf wird der Darsteller des Kreisky.

Fritz Schindleck­er: Das Casting wird insgesamt eine Herausford­erung, weil wir eine ganze Reihe junger Schauspiel­er brauchen werden.

Helene Maimann: Das wird mit dem Buch das Wichtigste, Physiognom­ie, Ausstrahlu­ng und Background, was also Kreisky ausgemacht hat, zu verkörpern. Man muss bei dem Film Kreisky spüren, die Atmosphäre, aber man darf das Publikum nicht zukleister­n. Das Aufs-Aug-Drücken tut manchmal schon weh.

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 ??  ?? Helene Maimann, Harald Sicheritz und Fritz Schindleck­er arbeiten gemeinsam am Drehbuch zum Spielfilm „Der junge Kreisky“: „Wir wollen kein Heldenepos machen“
Helene Maimann, Harald Sicheritz und Fritz Schindleck­er arbeiten gemeinsam am Drehbuch zum Spielfilm „Der junge Kreisky“: „Wir wollen kein Heldenepos machen“
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Casting wird Herausford­erung: Charismati­ker Bruno Kreisky

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