ER WILL DICH!
„Apropos „geschwänzt“: Zu einem hohen Prozentsatz ließen mir die Herren zügig und unaufgefordert PenisPorträts zukommen ...“
Was sind Online-Dating-Börsen wirklich: ein Tummelplatz für Narzissten oder Paradies für Paarungswillige? Darüber macht sich eine deutsche Journalistin Gedanken – und die Autorin dieser Kolumne: Denn sie kennt sich ebenfalls mit dieser Art des Beschnupperns aus.
So genannte „bemerkenswerte Männer“– hat Corinna Busch, ehemalige Redakteurin der Harald-Schmidt-Show, offenbar beim Online-Dating kennengelernt. Kein Kompliment, allerdings. Konkret schreibt sie: „Ist es nicht beängstigend, dass man als Single-Frau ab Mitte 40 beim Online-Dating überdurchschnittlich – sagen wir – bemerkenswerte Männer kennenlernt?“Ihre Erlebnisse hat sie im Buch „Ein Dutzend Dates“zusammengefasst – Fazit: „Je umfangreicher meine Dating-Erfahrungen wurden, desto mehr kam ich mit dem Thema Narzissmus und vor allem männlicher Narzissmus in Berührung.“Dabei dürfte der Dame allerlei Kurioses begegnet sein, nur kein Partner fürs Leben.
Wundert mich nicht. Vor einigen Jahren habe ich diese Art des Kennenlernens – im Rahmen beruflicher Neugierde – auf verschiedenen Dating-Plattformen selbst ausprobiert (ohne die Betroffenen im echten Leben zu treffen). Ich gab mich als viele aus – als blonde Frau, als rothaarige Frau, als jüngere Frau, als ältere Frau, als verheiratete Frau, die eine Affäre sucht. Die Erfahrungen waren, sagen wir so, nur bedingt lustfördernd und decken sich mit jenen von Frau Busch: „Es wurde gelogen und betrogen. Fotos waren häufig schöner, glatter und dadurch jünger retuschiert. Altersangaben stimmten nicht. Familien und Ehefrauen, beziehungsweise Lebensgefährtinnen, wurden verschwiegen und Trennungen vorgetäuscht. Berufstätigkeiten wurden gefälscht.“Bitter. Aber auch amüsant. Etwa Grammatik, Rechtschreibung und Stil der Don Juans betreffend. Wo ich mich heute noch frage, ob wirklich so viele Männer zwischen 35 und 55 den Deutschunterricht geschwänzt haben. Apropos „geschwänzt“: Zu einem hohen Prozentsatz ließen mir die Herren zügig und unaufgefordert Penis-Porträts zukommen, gerne mit Sätzen wie „Ich bin’s!“oder „Er will dich.“Seither weiß ich, dass es erstaunlich viele Typen gibt, die sich mehr mit ihrem Geschlechtsteil identifizieren als mit ihrem Hirn. Spannend war dieser „Löwe/Aszendent Krebs“, der mir immer zuerst ins Postfach plumpste, egal, welches Profil ich gerade online stellte: „Hallo, ich bin der Willi und würd gern dein Mauserl verwöhnen.“Klassischer Fall von „Der Willi geht ans Werk“? Vielleicht, aber in eigener Sache, Stichwort: Onanievorlage. War auch Spannendes dabei? Klar. Einige konnten bezaubern, meist, wie sich herausstellte, gelangweilte Ehemänner, die fremdgehen wollten, sich aber nicht in echt trauten. In Summe aufschlussreich waren die erotischen Strategien vieler Herren, so einfallslos und schlicht, dass ich mir schon Sorgen um die Erhaltung unserer Spezies machte. Mein Resümee: Wenn das alles sein soll, bleibt man als Online-Vamp lieber alleine zu Hause. Autorin Busch hat sich zum Thema abschließend bei Experten umgehört, etwa bei einem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und Allgemeinmedizin. Er sagt sehr Kluges: „Wenn ich Online-Dating betrachte, dann sehe ich vielfach eine große Enttäuschungsmaschinerie.“Ach ja: Ich habe mich im Rahmen meines Experiments auch als Mann versucht – so viel dazu: Ich war einer unter sehr, sehr vielen. Als solcher hat man’s natürlich nicht leicht. Zumal sich manche Frauen als die ärgeren Männer entpuppten.