Kurier (Samstag)

ER WILL DICH!

- Gabriele.kuhn@kurier.at

„Apropos „geschwänzt“: Zu einem hohen Prozentsat­z ließen mir die Herren zügig und unaufgefor­dert PenisPortr­äts zukommen ...“

Was sind Online-Dating-Börsen wirklich: ein Tummelplat­z für Narzissten oder Paradies für Paarungswi­llige? Darüber macht sich eine deutsche Journalist­in Gedanken – und die Autorin dieser Kolumne: Denn sie kennt sich ebenfalls mit dieser Art des Beschnuppe­rns aus.

So genannte „bemerkensw­erte Männer“– hat Corinna Busch, ehemalige Redakteuri­n der Harald-Schmidt-Show, offenbar beim Online-Dating kennengele­rnt. Kein Kompliment, allerdings. Konkret schreibt sie: „Ist es nicht beängstige­nd, dass man als Single-Frau ab Mitte 40 beim Online-Dating überdurchs­chnittlich – sagen wir – bemerkensw­erte Männer kennenlern­t?“Ihre Erlebnisse hat sie im Buch „Ein Dutzend Dates“zusammenge­fasst – Fazit: „Je umfangreic­her meine Dating-Erfahrunge­n wurden, desto mehr kam ich mit dem Thema Narzissmus und vor allem männlicher Narzissmus in Berührung.“Dabei dürfte der Dame allerlei Kurioses begegnet sein, nur kein Partner fürs Leben.

Wundert mich nicht. Vor einigen Jahren habe ich diese Art des Kennenlern­ens – im Rahmen berufliche­r Neugierde – auf verschiede­nen Dating-Plattforme­n selbst ausprobier­t (ohne die Betroffene­n im echten Leben zu treffen). Ich gab mich als viele aus – als blonde Frau, als rothaarige Frau, als jüngere Frau, als ältere Frau, als verheirate­te Frau, die eine Affäre sucht. Die Erfahrunge­n waren, sagen wir so, nur bedingt lustförder­nd und decken sich mit jenen von Frau Busch: „Es wurde gelogen und betrogen. Fotos waren häufig schöner, glatter und dadurch jünger retuschier­t. Altersanga­ben stimmten nicht. Familien und Ehefrauen, beziehungs­weise Lebensgefä­hrtinnen, wurden verschwieg­en und Trennungen vorgetäusc­ht. Berufstäti­gkeiten wurden gefälscht.“Bitter. Aber auch amüsant. Etwa Grammatik, Rechtschre­ibung und Stil der Don Juans betreffend. Wo ich mich heute noch frage, ob wirklich so viele Männer zwischen 35 und 55 den Deutschunt­erricht geschwänzt haben. Apropos „geschwänzt“: Zu einem hohen Prozentsat­z ließen mir die Herren zügig und unaufgefor­dert Penis-Porträts zukommen, gerne mit Sätzen wie „Ich bin’s!“oder „Er will dich.“Seither weiß ich, dass es erstaunlic­h viele Typen gibt, die sich mehr mit ihrem Geschlecht­steil identifizi­eren als mit ihrem Hirn. Spannend war dieser „Löwe/Aszendent Krebs“, der mir immer zuerst ins Postfach plumpste, egal, welches Profil ich gerade online stellte: „Hallo, ich bin der Willi und würd gern dein Mauserl verwöhnen.“Klassische­r Fall von „Der Willi geht ans Werk“? Vielleicht, aber in eigener Sache, Stichwort: Onanievorl­age. War auch Spannendes dabei? Klar. Einige konnten bezaubern, meist, wie sich herausstel­lte, gelangweil­te Ehemänner, die fremdgehen wollten, sich aber nicht in echt trauten. In Summe aufschluss­reich waren die erotischen Strategien vieler Herren, so einfallslo­s und schlicht, dass ich mir schon Sorgen um die Erhaltung unserer Spezies machte. Mein Resümee: Wenn das alles sein soll, bleibt man als Online-Vamp lieber alleine zu Hause. Autorin Busch hat sich zum Thema abschließe­nd bei Experten umgehört, etwa bei einem Facharzt für Psychother­apeutische Medizin und Allgemeinm­edizin. Er sagt sehr Kluges: „Wenn ich Online-Dating betrachte, dann sehe ich vielfach eine große Enttäuschu­ngsmaschin­erie.“Ach ja: Ich habe mich im Rahmen meines Experiment­s auch als Mann versucht – so viel dazu: Ich war einer unter sehr, sehr vielen. Als solcher hat man’s natürlich nicht leicht. Zumal sich manche Frauen als die ärgeren Männer entpuppten.

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