Farbe lockt auf die Wohnstraße
Umfärbung. Immer mehr Straßen werden bemalt. Was das bringen soll und welche Probleme damit verbunden sind
Stadtgestaltung. In Wien gibt es bald drei bemalte Straßen – und es sollen mehr werden. Was die Muster bringen sollen.
Lange hat der frische Asphalt in der Waltergasse seinen satten, dunkelgrauen Ton nicht behalten. Im Sommer wurde die Wohnstraße vor dem Gymnasium IV auf der Wieden umgebaut. Jetzt prangen dort blaue Wolken, gelbe Sonnen und bunte Dreiecke.
„Das ist ein Regenbogendiamant“, sagt Schülerin Felice. Sie und ihre Mitschüler aus der 3C haben den Asphalt diese Woche bemalt. Mit abwaschbarer Kreide. Doch schon bald soll die Straße dauerhaft eingefärbt sein. Felice gefällt das: „Leere Straßen sind eh langweilig.“
Mit dieser Ansicht ist die Zwölfjährige offenbar nicht alleine: Die Waltergasse ist die dritte Straße in Wien, die bald eine bunte Oberfläche hat. Und sie wird nicht die letzte bleiben.
Die Umfärbung geht zu einem Gutteil auf das Konto von Grafikerin Sylvia Kostenzer. Vor einem Jahr verpasste sie der rund 200 Meter langen Wohnstraße Staglgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus einen blauen Anstrich. Vergangene Woche finalisierte sie auf der Oberfläche der Ernst-Melchior-Gasse – einer Fußgängerzone im zweiten Bezirk – gemeinsam mit Verkehrs- und Stadtplanungsinitiativen ein riesiges türkises Tierchen. Und für die Waltergasse wird sie bis Mitte Oktober – auf Basis der Entwürfe der Schüler – ein Design ausarbeiten. Strenger Magistrat Kostenzer will die Straßen allerdings nicht nur schöner machen. Sondern Anrainer dazu animieren, Wohnstraßen und verkehrsberuhigte Bereiche zu nutzen. „Eine Wohnstraße ist eigentlich ein Freiraum für Kinder“, sagt sie. Das Spielen auf der Fahrbahn ist dort explizit erlaubt (siehe Kasten). Bloß: Das mache kaum jemand.
Die Ernst-Melchior-Gasse wurde dank der Bemalung sogar zum Spielplatz – und zwar für kleine Radfahrer. „Die Kinder können zum Beispiel Linien nachfahren“, sagt Ideengeber Alec Hager vom Büro „Die Radvocaten“.
Die bunten Straßen finden Anklang: Mariahilf und Margareten haben Interesse angemeldet, sagt Kostenzer.
Bis eine Straße umgefärbt werden kann, braucht es allerdings Durchhaltevermögen. Das erfährt gerade die Kulturinitiative „Space and Place“. Sie will in der Langmaisgasse und in einem Abschnitt der Markgraf-RüdigerStraße – beides Wohnstraßen in Rudolfsheim-Fünfhaus – Blumen aufmalen. „Sie sind ein Signal an Autofahrer, dass das besondere Straßen sind. Und ein Signal an die Anwohner, die Straße einzunehmen“, sagt Künstlerin Julia Scharinger-Schöttel. Solchen Vorhaben müssen die MA46 (Verkehrsorganisation) und MA28 (Straßenbau) zustimmen. Und Letztere ist restriktiv, wie sogar ihr Sprecher einräumt: „Wir lehnen Bemalungen grundsätzlich ab, etwa aus Sicherheitsgründen.“Nur in Einzelfällen genehmige man derartige Projekte. Vorausgesetzt, die verwendete Farbe sei rutschfest. Und: Es müsse geklärt sein, wer für etwaige Unfälle hafte. Genau daran spießt sich das Projekt von „Space und Place“. Die Initiative kann sich die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht leisten. Man hoffe, bis Frühling eine Lösung gefunden zu haben, sagt Scharinger-Schöttel.
Diese Probleme gibt es in der Waltergasse nicht. Da der Bezirk die Bemalung beauftragt hat und bezahlt, wird die MA28 selbst Kostenzers Design aufmalen. Somit hafte der Bezirk. Kostenpunkt: Bis zu 50 Euro pro Quadratmeter.
Schülerin Felice legt jetzt die Kreiden in die Schachtel zurück. „Nicht darüber gehen“, hat sie neben ihren „Diamanten“geschrieben. Auf die fixe bunte Straße freut sie sich schon: „Die wird die Leute glücklich machen.“