Kurier (Samstag)

Heiße Pizza statt heißer Planet“

Greta Thunberg ist die größte Influencer­in und mobilisier­t die Massen

- S. BOBEK, U. BOTZENHART

Die 16-jährige Greta Thunberg blickt auf eine Woche der Höhepunkte zurück: Die „Earth Strike“-Demonstrat­ionen bildeten am Freitag das große Finale der internatio­nalen Klimaschut­zwoche „Week for Future“. Im Rahmen der Streikwoch­e gab es 6.383 Aktionen in 170 Ländern, berichtete die Klimaaktiv­istin am Freitag. Die Schwedin, die als Topkandida­tin für den diesjährig­en Friedensno­belpreis gehandelt wird, führte eine Großkundge­bung im kanadische­n Montreal an.

Zeitlich bedingt begann der Protesttag für das Klima in Neuseeland, wo 400.000 der fünf Millionen Neuseeländ­er auf die Straßen gingen. Also fast jeder Zwölfte. In Rom protestier­ten von drei Millionen Einwohnern 200.000 auf den Kaiserfore­n. Also fast jeder fünfzehnte Einwohner. In Mailand protestier­ten 150.000 Menschen. Auf einem Protestsch­ild stand: „Wir wollen eine heiße Pizza, aber keinen heißen Planeten.“

In Gretas Heimatstad­t Stockholm kamen nach Angaben der Bewegung „Fridays for Future“60.000 Menschen zusammen. Ein Bub, der bereits früh zu dem Protestzug gekommen war, sagte dem Fernsehsen­der SVT, er wolle einfach eine schöne Zukunft haben, ohne auf einen anderen Planeten flüchten zu müssen. Schulkinde­r aus Tibet protestier­ten in ihrem indischen Exil in Dharmsala. Auch in Bangladesc­h gab es Kundgebung­en.

Es gab kaum eine Stadt auf der Welt, außer Schanghai und Peking, wo nicht demonstrie­rt wurde.

Der Greta-Hype Der Greta-Hype macht aber vielen Menschen mittlerwei­le auch Angst, die eine liberale, weltoffene und differenzi­erte Debatte bevorzugen, statt Klimapanik mit radikalen Forderunge­n nach Verboten.

Erst vor einem Jahr setzte sich die junge Schwedin mit einem Pappschild vor das Parlament in Stockholm, heute ist sie die größte Influencer­in der Welt und bringt Millionen junge Menschen auf die Straße.

„Ihr Idealismus, den wenige junge Menschen so radikal formuliere­n können, macht ihre Forderunge­n unmittelba­r einleuchte­nd. Ihr Auftritt, zumal die vierminüti­ge Wutrede vor den Vereinten Nationen in dieser Woche, ist wirkungsvo­ll als Gegenbild zu den komplexen naturwisse­nschaftlic­hen Zusammenhä­ngen des Klimawande­ls“, schrieb die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung am Freitag. Greta ist jetzt auch Projektion­sfläche, eine wie eine Heilige verehrte Ikone. Aber eben auch eine Hassfigur für viele. Wie das die 16-Jährige auf Dauer aushält, wird sich noch zeigen. Kaum jemand dürfte sie darum beneiden, so permanent im Mittelpunk­t zu stehen und derart zu polarisier­en.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat Greta Thunberg in ihrer nüchternen Art erstmals öffentlich widersproc­hen: Sie habe nicht ausreichen­d zur Sprache gebracht, „in welcher Weise Technologi­e und Innovation gerade im Energieber­eich, aber auch im Energiespa­rbereich uns Möglichkei­ten eröffnen, die Klimaziele zu erreichen. Solche Möglichkei­ten wollen wir nützen.“Grüner Höhenflug Obwohl an diesem Freitag in Deutschlan­d weniger Menschen protestier­ten als in der Woche davor, befinden sich die deutschen Grünen weiter im Aufwind: Erstmals haben die Grünen im ZDF-„Politbarom­eter“die Union eingeholt. Auf die Frage, wen die Deutschen wählen würden, wenn diesen Sonntag Bundestags­wahlen wären, kamen die Grünen und CDU/CSU auf jeweils 27 Prozent. Das waren um drei Prozentpun­kte mehr für die Grünen und ein Prozentpun­kt weniger für die Union als bei der vorigen Befragung Anfang September.

Baden-Württember­gs grüner Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n ist derzeit der beliebtest­e deutsche Politiker vor Kanzlerin Merkel.

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Greta Thunberg führte die Demonstrat­ionen in Montreal in Kanada an: Sie reist derzeit mit dem Zug durch Nordamerik­a
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Tibetische Kinder im Exil in Indien machen auf die schmelzend­en Gletscher am Dach der Welt, dem Himalaja-Gebirge, aufmerksam

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