Kurier (Samstag)

EU drängt: Alle Synagogen in Europa besser schützen

Österreich­erin leitet parteiüber­greifende Arbeitsgru­ppe gegen Antisemiti­smus

- VON SUSANNE BOBEK

Der Attentäter von Halle wollte ein Massaker anrichten. Die EU will gegen den Antisemiti­smus stärker ankämpfen. „Antisemiti­smus ist einfach blöd“, sagte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen nach seinem Besuch im Wiener Stadttempe­l, wo er der Opfer von Halle gedachte. Auf jeden Fall sei jeder Einzelne im Kampf gegen Judenhass gefordert. IKGPräside­nt Oskar Deutsch zählte konkret drei Gruppen auf, die „Antisemiti­smus zu uns hereintrag­en“: nämlich rechte, linke und islamistis­che Antisemite­n. „Wenn man das addiert, ist der Antisemiti­smus gestiegen.“

Die jüdische Gemeinde in Halle will sich nach dem Terroransc­hlag nicht einschücht­ern lassen. Viele Mitglieder kamen zum Schabbat, dem jüdischen Ruhetag, der von Freitagabe­nd bis Samstagabe­nd dauert.

Die Debatte über Konsequenz­en aus der Bluttat läuft inzwischen auf Hochtouren: Die EU-Kommission rief alle Mitgliedss­taaten auf, Synagogen und andere jüdischen Einrichtun­gen ausreichen­d zu schützen. Karoline Edtstadler, ÖVP-Delegation­sführerin in Brüssel wird Vorsitzend­e der parteiüber­greifenden Arbeitsgru­ppe gegen Antisemiti­smus im Europa-Parlament. Sie nahm am Freitagabe­nd an der Trauerzere­monie für den Anschlag in Halle im Wiener Stadttempe­l teil. Gefahr für unsere Werte „Menschen jüdischer Herkunft müssen sich in unserer Gesellscha­ft frei bewegen und sicher fühlen können. Das muss die erste Priorität der Politik im Sinne unserer gemeinsame­n europäisch­en Werte und Traditione­n sein. Notwendig ist daher eine enge Kooperatio­n zwischen den jüdischen Institutio­nen und der Polizei, wie das in Österreich bereits seit Jahren gelebt wird,“sagt Edtstadler. Der Wiener Tempel und alle Gebetshäus­er werden ständig von der Polizei bewacht. In Halle war selbst am höchsten Feiertag, zu Jom Kippur keine einzige Streife vor der Synagoge im Paulusvier­tel.

„Eine Studie der EU-Grundrecht­eagentur, die während der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft als Grundlage für die Etablierun­g eines besseren Schutzes präsentier­t wurde, hat zu Tage befördert, dass sich mehr als ein Drittel der befragten Jüdinnen und Juden unsicher fühlen, und aus Sorge um die eigene Sicherheit jüdischen Veranstalt­ungen oder jüdischen Stätten fernbleibe­n. Das ist im Europa des 21. Jahrhunder­ts vollkommen inakzeptab­el“, sagte Edtstadler. Sie verlangt, dass der Kampf gegen Antisemiti­smus in der EU-Kommission höchste Priorität bekommt.

In Deutschlan­d warf der Antisemiti­smusbeauft­ragte der deutschen Regierung, Felix Klein, der AfD vor, Stimmung gegen Juden zu machen. Als Beispiel nannte er die Forderung nach einem Verbot des rituellen Schächtens.

Waffen aus 3-D-Drucker Ermittler fanden in den Wohnräumen des 27-jährigen Täters von Halle einen 3-D-Drucker, was den Verdacht untermauer­t, er habe seine vier Schusswaff­en selbst hergestell­t. Außerdem wurde eine Festplatte sichergest­ellt und ein elf Seiten langes „Manifest“, das sich stellenwei­se wie die Anleitung zu einem antisemiti­schen Computersp­iel liest.

Seine Hassbotsch­aften sprechen aber nach Einschätzu­ng von Experten nicht für einen komplexen ideologisc­hen Unterbau. Stärker seien die Bezüge zur Gaming-Subkultur – etwa zu dem Spiel „Counter-Strike – Global Offensive“. Stephan B. hat in einem Verhör die Bluttat gestanden und ein rechtsextr­emistische­s und antisemiti­sches Motiv bestätigt. Ihm wird zweifacher Mord und siebenfach­er Mordversuc­h vorgeworfe­n. B. wollte ein Massaker anrichten und Nachahmer zu ähnlichen Taten anstiften. B. war am Mittwochab­end festgenomm­en worden, nachdem er eine 40-jährige Frau vor der Synagoge und einen 20-jährigen Mann in einem Dönerladen erschossen hatte.

 ??  ?? Stephan B. (im weißen Overall bei seiner Ankunft beim Höchstgeri­cht in Karlsruhe) wollte viele Menschen umbringen
Stephan B. (im weißen Overall bei seiner Ankunft beim Höchstgeri­cht in Karlsruhe) wollte viele Menschen umbringen

Newspapers in German

Newspapers from Austria