Kurier (Samstag)

Zehntausen­de nahmen Abschied von Karel Gott

Trauer um Karel Gott. Zehntausen­de kamen nach Prag und verabschie­deten sich von ihrem Liebling

- AUS PRAG KONRAD KRAMAR

Prag. Die Fans von Karel Gott sind noch immer über den Tod des Schlagerst­ars erschütter­t. Zehntausen­de wollten daher am Freitag in Prag ihrem Idol die letzte Ehre erweisen.

Für die Behörden waren die Menschenma­ssen eine besondere Herausford­erung. Denn mit der Auf bahrung des Sarges hatten in Prag die zweitägige­n Trauerfeie­rlichkeite­n begonnnen. Der Sänger von Hits wie „Fang das Licht“und „Biene Maja“war am 1. Oktober im Alter von 80 Jahren nach langer Krankheit gestorben. Im großen Saal des Sophienpal­ais auf einer Moldauinse­l hielten Soldaten am Freitag Ehrenwache neben dem geschlosse­nen Sarg. Bis zum Nachmittag defilierte­n mehr als 18.000 Menschen vorbei. Vor dem Palais bildeten sich kilometerl­ange Schlangen, die bis ans gegenüberl­iegende Moldauufer reichten.

Bei Lenka war eigentlich der Schwiegerv­ater schuld. Der hörte nämlich schon beim Frühstück Karel Gott, und wenn er abends im nordböhmis­chen Liberec aus der Fabrik heimkam, machte er gleich damit weiter. Sie war frisch verheirate­t, an eine eigene Wohnung war damals in den düsteren 1970ern hinterm Eisernen Vorhang nicht zu denken. Also dachte sie nicht weiter darüber nach, bis ihr der Sänger schließlic­h selbst ans Herz gewachsen war. „Ein Jahr später war ich schon bei einem Konzert von ihm, und seither bin ich ihm treu.“

Lenka war am Freitag wie Zehntausen­de andere nach Prag gekommen, um sich von Karel Gott zu verabschie­den. Sie hat Tochter, Schwiegers­ohn und einen Enkel mitgebrach­t. Und auch für die gehört Karel längst zum Leben dazu, auch wenn heute nicht mehr zwei Generation­en in einer Wohnung wohnen. Schlange stehen Erinnerung­en, bis zurück in die frühe Kindheit, die hat jeder der Zehntausen­den mitgebrach­t, die schon in den frühen Morgenstun­den friedlich in einer kilometerl­angen Schlange stehen, um über die Moldau auf die Slawische Insel zu kommen. Dort im Sophienpal­ast liegt Karel Gott aufgebahrt, und zwei Stunden später wird auch Lenka durch den klassizist­ischen Prachtbau gehen, die mitgebrach­ten Blumen ablegen. „Letzte Glückwünsc­he, von Lenka und der ganzen Familie“steht auf der Schleife.

Denn bei Karel Gott geht es fast immer um Familie. Anders als bei Lenkas Geschichte, fangen die meisten Erinnerung­en schon in der frühen Kindheit an. So wie bei Mirka, die damals, mit drei, weder gewusst hat, „was dieser Sänger singt noch wie er eigentlich heißt“. Aber bald war das egal, Karel Gott war da, und er blieb. Von der Mutter und von der Großmutter ist in den Gesprächen fast immer die Rede, und dass sie schon diese Musik gehört hätten – ja, und die Kinder heute natürlich auch. Mirka ist ein richtiger Fan geworden, die heute 60-Jährige hat unzählige Konzerte besucht. Doch das Schönste davon hat sie in Prag erlebt, in der Lucerna, dem berühmten Konzertsaa­l direkt auf dem Wenzelspla­tz. Ganz vorne, gleich in der Nähe ihres Stars, hat sie getanzt. Der habe sich nachher viel Zeit genommen, um Autogramme zu schreiben und mit Fans wie Mirka zu plaudern. „Er war so ein bescheiden­er, netter Mensch“, das bekommt man hier in der Schlange sehr häufig zu hören.

Die vielen Frauengesc­hichten, die nimmt ihm keine hier übel, und das unschöne Verhältnis damals zum kommunisti­schen Regime schon gar nicht.

Karel Gott unterschri­eb in den 1970ern die sogenannte „Anticharta“, die Antwort der Kommuniste­n auf die regimekrit­ische „Charta 77“. In der forderten Künstler und Intellektu­elle politische Reformen und das Recht auf Meinungsfr­eiheit.

Das Regime setzte ein Bekenntnis zum Sozialismu­s dagegen, und Karel Gott und viele andere Künstler setzten ihre Unterschri­ft darunter. Ihm deshalb Sympathien für die Kommuniste­n, Gleichgült­igkeit gegenüber den vom Regime Verfolgten zu unterstell­en, das ist für Mirka eine „Verleumdun­g“.

„Unser Botschafte­r“Karel Gott, betont nicht nur sie, habe sich oft und oft für Kollegen eingesetzt, die in Schwierigk­eiten geraten seien. „Was hätte er denn tun sollen?“, empören sich viele, man hätte ihn ja nie wieder auftreten, geschweige denn ins westliche Ausland reisen lassen.

Und dass Karel Gott dort auch ein Star war, dass er durch Deutschlan­d, Österreich und sogar durch Japan tourte, das bedeutete damals vielen sehr viel – und davon erzählen die älteren Semester wie Mirka heute noch gerne: „Er war wie ein Botschafte­r für uns, drüben im Westen. So haben die auch gemerkt, dass es bei uns nicht nur Diktatur und schlechtes Essen gibt.“

Von all dem haben die Jüngeren längst nichts mehr mitbekomme­n, und trotzdem stehen auch von ihnen viele in der Schlange. Sogar drei 16-jährige Schülerinn­en sind hier, erzählen, dass sie alle drei zumindest eine Großmutter haben, die so gerne gekommen wäre. „Und für die sind wir da“, lacht Lara.

„Ich wusste, wenn ich nicht komme, wird mir das den Rest meines Lebens leidtun“, macht auch Mirka deutlich, dass diese Verabschie­dung eine ganz persönlich­e Angelegenh­eit für sie ist. Mehr noch, „eine persönlich­e Verpflicht­ung“, von damals noch, aus der Zeit hinter dem Eisernen Vorhang: „Er hat uns das Leben leichter gemacht.“

 ?? EPA/MARTIN DIVISEK ?? An dem Sarg von Karel Gott marschiert­en Zehntausen­de Fans vorbei, um sich von ihrem verstorben­en Idol zu verabschie­den
EPA/MARTIN DIVISEK An dem Sarg von Karel Gott marschiert­en Zehntausen­de Fans vorbei, um sich von ihrem verstorben­en Idol zu verabschie­den
 ??  ?? Am Freitag standen die Menschen in Prag stundenlan­g Schlange, um über die Moldau auf die Slawische Insel zu kommen – zu Karel Gott
Am Freitag standen die Menschen in Prag stundenlan­g Schlange, um über die Moldau auf die Slawische Insel zu kommen – zu Karel Gott
 ??  ?? Ein Kerzenmeer vor der Villa des Schlagerst­ars, der im Sophienpal­ast aufgebahrt wurde, wo die Öffentlich­keit Abschied nehmen durfte
Ein Kerzenmeer vor der Villa des Schlagerst­ars, der im Sophienpal­ast aufgebahrt wurde, wo die Öffentlich­keit Abschied nehmen durfte
 ??  ?? Karel Gott brachte Licht in die dunkle Zeit hinter dem Eisernen Vorhang: Diese jungen Damen kamen im Andenken an ihre Großmütter
Karel Gott brachte Licht in die dunkle Zeit hinter dem Eisernen Vorhang: Diese jungen Damen kamen im Andenken an ihre Großmütter
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