Der „Gorbi“am Horn von Afrika
Friedensnobelpreis. Auszeichnung für Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed, der für Reformen und Öffnung steht
In London holte sich der Betriebswirt einst seinen MasterTitel. Spezialfach: „Transformational Leadership and Change Management“– frei übersetzt ist ein Führungsstil gemeint, der egoistische Ziele zugunsten übergeordneter verdrängt, und ein verändertes, besseres Management. Beides setzt Abiy Ahmed seit April 2018 als äthiopischer Ministerpräsident um. Dafür wurde ihm am Freitag der diesjährige Friedensnobelpreis verliehen. Die Auszeichnung sei eine für ganz Afrika und ein riesiger Ansporn für die Fortsetzung seiner Arbeit, er lade „alle Äthiopier und Freunde Äthiopiens ein, sich weiter auf die Seite des Friedens zu stellen“, sagte der Geehrte in einer ersten Reaktion. Frauen-Power
Frieden mit dem ostafrikanischen Erzrivalen Eritrea – weil er diesen nach einem verlustreichen Krieg (zwischen 1998 und 2000 forderte dieser 80.000 Todesopfer) gleichsam über Nacht geschlossen hatte, zählte der 43-Jährige bereits vor der gestrigen Entscheidung zum Favoritenkreis. Und auch deswegen, weil er innenpolitisch das zuvor repressiv und autoritär geführte Land öffnete, und demokratisierte – weshalb er mitunter angelehnt an den früheren Sowjet-Präsidenten „Gorbi“(Gorbatschow) am Horn von Afrika genannt wird. Inhaftierte Regime-Kritiker kamen frei, verbotene Parteien wurden wieder zugelassen. Und Frauen stießen in Top-Positionen vor: Die Spitzen des Obersten Gerichts und des Staates (Präsidentin) sind weiblich, die Hälfte der Ministerriege ist es ebenso.
Abiy Ahmed hat auch jede Menge korrupter Beamte entlassen und die Zügel des Sicherheitsapparates gelockert. Obwohl der Sohn eines Muslims vom Volk der Oromo und einer Christin vom Volk der Amharen deswegen im Vorjahr fast einem Militärkomplott zum Opfer gefallen wäre, setzte er unbeirrt seinen Weg der Demokratisierung fort. Auf diesen, da sind sich alle Beobachter einig, muss er nun auch die vielen, untereinander teilweise verfeindeten Ethnien bringen. Denn es sind vor allem diese internen Auseinandersetzungen, die laut UN-Angaben 3,2 der 110 Millionen Äthiopier zu Vertriebenen im eigenen Land gemacht haben.
Zu Österreich hat der afrikanische Staat eine lange und enge Beziehung. Seit 1992 ist Äthiopien Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Im vergangenen Jahrzehnt flossen 61,6 Millionen Euro in die Region Ostafrika und an das Horn von Afrika. Für heuer beläuft sich das Budget auf rund 7,5 Millionen Euro, um die Armut zu beseitigen und den Menschen Zukunftsperspektiven vor Ort zu ermöglichen. „Bruder“Kurz
Zu Jahresende 2018 besuchte daher auch der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz Äthiopien. Abiy Ahmed nannte seinen Gast „Bruder“, Österreich sei einer der „ältesten Freunde“seiner Heimat. „Karlsplatz“in Addis
Zu diesen zählte lange Zeit auch der Schauspieler Karlheinz Böhm (✝ 2014). Der hatte 1981 nach einer „Wetten, dass“-Sendung die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“(MfM) ins Leben gerufen, um die (Hungers-)Not der Bevölkerung in Äthiopien zu lindern. Bis heute sind MfMMitarbeiter in den mittlerweile weit verzweigten Projekten tätig. Als Anerkennung seiner Leistungen wurde in der Hauptstadt Addis Abeba inmitten eines Kreisverkehrs Karlheinz Böhm in Form einer lebensgroßen Statue verewigt.