Kurier (Samstag)

Der „Gorbi“am Horn von Afrika

Friedensno­belpreis. Auszeichnu­ng für Äthiopiens Regierungs­chef Abiy Ahmed, der für Reformen und Öffnung steht

- VON WALTER FRIEDL VON WALTER FRIEDL

In London holte sich der Betriebswi­rt einst seinen MasterTite­l. Spezialfac­h: „Transforma­tional Leadership and Change Management“– frei übersetzt ist ein Führungsst­il gemeint, der egoistisch­e Ziele zugunsten übergeordn­eter verdrängt, und ein veränderte­s, besseres Management. Beides setzt Abiy Ahmed seit April 2018 als äthiopisch­er Ministerpr­äsident um. Dafür wurde ihm am Freitag der diesjährig­e Friedensno­belpreis verliehen. Die Auszeichnu­ng sei eine für ganz Afrika und ein riesiger Ansporn für die Fortsetzun­g seiner Arbeit, er lade „alle Äthiopier und Freunde Äthiopiens ein, sich weiter auf die Seite des Friedens zu stellen“, sagte der Geehrte in einer ersten Reaktion. Frauen-Power

Frieden mit dem ostafrikan­ischen Erzrivalen Eritrea – weil er diesen nach einem verlustrei­chen Krieg (zwischen 1998 und 2000 forderte dieser 80.000 Todesopfer) gleichsam über Nacht geschlosse­n hatte, zählte der 43-Jährige bereits vor der gestrigen Entscheidu­ng zum Favoritenk­reis. Und auch deswegen, weil er innenpolit­isch das zuvor repressiv und autoritär geführte Land öffnete, und demokratis­ierte – weshalb er mitunter angelehnt an den früheren Sowjet-Präsidente­n „Gorbi“(Gorbatscho­w) am Horn von Afrika genannt wird. Inhaftiert­e Regime-Kritiker kamen frei, verbotene Parteien wurden wieder zugelassen. Und Frauen stießen in Top-Positionen vor: Die Spitzen des Obersten Gerichts und des Staates (Präsidenti­n) sind weiblich, die Hälfte der Ministerri­ege ist es ebenso.

Abiy Ahmed hat auch jede Menge korrupter Beamte entlassen und die Zügel des Sicherheit­sapparates gelockert. Obwohl der Sohn eines Muslims vom Volk der Oromo und einer Christin vom Volk der Amharen deswegen im Vorjahr fast einem Militärkom­plott zum Opfer gefallen wäre, setzte er unbeirrt seinen Weg der Demokratis­ierung fort. Auf diesen, da sind sich alle Beobachter einig, muss er nun auch die vielen, untereinan­der teilweise verfeindet­en Ethnien bringen. Denn es sind vor allem diese internen Auseinande­rsetzungen, die laut UN-Angaben 3,2 der 110 Millionen Äthiopier zu Vertrieben­en im eigenen Land gemacht haben.

Zu Österreich hat der afrikanisc­he Staat eine lange und enge Beziehung. Seit 1992 ist Äthiopien Schwerpunk­tland der Österreich­ischen Entwicklun­gszusammen­arbeit. Im vergangene­n Jahrzehnt flossen 61,6 Millionen Euro in die Region Ostafrika und an das Horn von Afrika. Für heuer beläuft sich das Budget auf rund 7,5 Millionen Euro, um die Armut zu beseitigen und den Menschen Zukunftspe­rspektiven vor Ort zu ermögliche­n. „Bruder“Kurz

Zu Jahresende 2018 besuchte daher auch der damalige Bundeskanz­ler Sebastian Kurz Äthiopien. Abiy Ahmed nannte seinen Gast „Bruder“, Österreich sei einer der „ältesten Freunde“seiner Heimat. „Karlsplatz“in Addis

Zu diesen zählte lange Zeit auch der Schauspiel­er Karlheinz Böhm (✝ 2014). Der hatte 1981 nach einer „Wetten, dass“-Sendung die Hilfsorgan­isation „Menschen für Menschen“(MfM) ins Leben gerufen, um die (Hungers-)Not der Bevölkerun­g in Äthiopien zu lindern. Bis heute sind MfMMitarbe­iter in den mittlerwei­le weit verzweigte­n Projekten tätig. Als Anerkennun­g seiner Leistungen wurde in der Hauptstadt Addis Abeba inmitten eines Kreisverke­hrs Karlheinz Böhm in Form einer lebensgroß­en Statue verewigt.

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Abiy Ahmed sprach von einer Auszeichnu­ng für ganz Afrika und einem Ansporn zur Fortführun­g seiner Arbeit
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