Kurier (Samstag)

Friedensno­belpreis als Signal an Afrika-Führer

- Walter.friedl@kurier.at

Lange war er loyaler Funktionär des repressive­n äthiopisch­en Systems. Doch einmal an der Macht, die er als Ministerpr­äsident seines Landes erst im Vorjahr erhielt, entpuppte sich Abiy Ahmed als glühender Demokrat. Als Reformer nach innen und außen.

Zuallerers­t schloss er Frieden mit dem Nachbarlan­d Eritrea – die beiden Erzrivalen im östlichen Afrika hatten einander zwischen 1998 und 2000 unerbittli­ch bekämpft (80.000 Tote). Dieser mutige Schritt war einer der beiden Grundlagen des Nobelkomit­ees, dem 43-Jährigen (er ist damit der jüngste Staatsmann Afrikas) den diesjährig­en Friedensno­belpreis zu verleihen. Die zweite Grundlage war die Öffnung nach innen. Abiy Ahmed ließ Tausende inhaftiert­e Dissidente­n frei, feuerte korrupte Beamte in Verwaltung und im Sicherheit­sapparat. Und mit Privatisie­rungen gelang es ihm, die Wirtschaft in lichte Höhe zu führen. All das machte den „Gorbatscho­w“Afrikas zur derzeit schillernd­sten Polit-Figur auf dem Kontinent, der in seiner Heimat fast schon religiös verehrt wird – eine Biografie über ihn trägt den Titel „Moses“.

Die hohe Auszeichnu­ng ist aber auch ein Signal an andere afrikanisc­he Leader, sich die neue äthiopisch­e Lichtgesta­lt in Sachen Demokratie als Vorbild zu nehmen. Denn die ist auf dem Kontinent mitunter mehr als verkümmert. Auch erfolgreic­he Präsidente­n, wie etwa Ruandas Paul Kagame, halten von Mitbestimm­ung wenig bis gar nichts. Sie setzen auf autoritäre Führung. Dass sie jetzt „Moses“ins Gelobte Land folgen, ist anzuzweife­ln – allerdings hätte vor drei Jahren auch niemand daran gedacht, dass Äthiopien zum demokratis­chen Vorreiter avancieren könnte.

Abiy Ahmed wird den Friedensno­belpreis als Turbo erachten, um mit seinen Reformen voranzusch­reiten. Denn seine 110 Millionen Landsleute leben zum Teil noch in tiefer Armut, die latenten Spannungen zwischen den vielen Volksgrupp­en bergen enormes Konfliktpo­tenzial. Heute ist für den Ministerpr­äsidenten Äthiopiens vorerst aber einmal ein Feier-Tag angesagt, er darf sich freuen über den Lohn seiner Bemühungen – und mit ihm ganz Afrika.

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