Kurier (Samstag)

Ein Scheich aus Österreich und ein Konflikt, der die Welt in Atem hält

- VON CHRISTOPH SILBER

Gerhard Jelineks Doku „Blutige Linien“über die Wurzeln des Dramas im Nahen Osten und wie ein österreich­ischer Priester dagegen arbeitete (21.05 Uhr). Für ORF-Dokumentar­isten Gerhard Jelinek sagt ein simples Faktum beinahe alles: „Bei uns kennt kaum wer das Sykes-Picot-Abkommen. Für viele im Nahen Osten ist es hingegen das Symbol für koloniale Willkür, die Ignoranz des Westens und dessen Verrat an den Arabern.“Mit Folgewirku­ngen bis heute, wie Jelineks Doku „Blutige Linien“(21.05, ORFIII) als Teil eines „zeit.geschichte“Schwerpunk­tes (ab 20.15 Uhr) zeigt: Bürgerkrie­g in Syrien, das Schlachten des IS, Fehden zwischen Sunniten und Schiiten im Irak oder der Streit um Palästina und der Kurden-Konflikt.

Das Feuer für den DauerBrand­herd Naher Osten wurde 1916 gelegt: Während der Erste Weltkrieg tobte, zogen Sir Mark Sykes für England und François Georges-Picot für Frankreich in einem geheimen Abkommen willkürlic­h neue Grenzen. Es ging um langfristi­gen Einfluss. Dafür ignorierte­n sie Stammesund Religionsg­renzen und Verspreche­n gegenüber den Anführer der arabischen Revolte gegen die Osmanen, die ein arabisches Großreich zum Ziel hatte. Der walisische Archäologe und Offizier Thomas Edward Lawrence – der später legendäre Lawrence von Arabien und Anführer im Aufstand – wusste vom Abkommen und auch, dass diese Kämpfe auf Lügen aufgebaut wurden, wie er selbst formuliert­e. Persönlich­keiten

Ein Gegenspiel­er kam just aus Österreich: Alois Musil, anerkannte­r Orientalis­t, Berater Kaiser Karls und Priester. Der später über Lawrence sagte: „In Arabien scherte sich kein Mensch um ihn, weil man ihn nicht kannte. Anhänger gewann er nicht durch seine Persönlich­keit, sondern durch Bestechung.“

Musil hatte eine Vision: „die Orientalen als Gleichgest­ellte“in einem geeinten Arabien – und Verbündete Österreich-Ungarns. Der Priester wurde auf seiner „Mission Impossible“zu General und Scheich Abu Musa, der als Beduine lebte, unter Stämmen Frieden stiftete und als Katholik zu Allah betete.

Letztendli­ch aber am Weltgesche­hen scheiterte, das ihm auch persönlich übel mitspielte. „Weil Musil Tscheche war, musste er nach Kriegsende von Wien nach Prag übersiedel­n. Auch seine Karriere kam ins Stocken“, erzählt Jelinek, der für die Doku u. a. mit James Barr (Kings College London, Autor von „A Line in the Sand“), Ex-Außenminis­terin Karin Kneissl und Musil-Forscher Michael Weigl gesprochen hat. Im Nahen Osten war Jelinek für die Low-Budget-Produktion nicht: „Unsere Wüste liegt in Untersiebe­nbrunn, wo Bauschutt recycelt wird.“

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Mark Sykes (Mars Mohr, li.) und François Georges-Picot (Rainer Dinhof) schaffen in aller kolonialer Willkür neue Grenzen im Nahen Osten
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Wüste in Untersiebe­nbrunn: Jelinek, Produzenti­n Wieser, „Beduinen“

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