Wie man die Welt (nicht) retten kann
Kanzler Kurz hält eine bürgerlich-grüne Koalition auch in Deutschland nach der Wahl für wahrscheinlich
Greta Thunberg hat das Schweizer Bergstädtchen Davos fünf Tage lang dominiert. Und auch wenn sich die Stimmen mehren, dass der Greta-Hype nervt und das apodiktische Daumen-rauf, Daumen-runter mancher Klimaaktivisten über Unternehmen und Politiker jeden Rahmen sprengt: An den Themen Umwelt und Klima kommt man beim 50. World Economic Forum (WEF) im schweizerischen Davos nicht vorbei. Auch Sebastian Kurz nicht, der am Freitag seinen Rede-Auftritt beim WEF hatte. Und er legte gleich unmissverständlich klar, dass der Klimaschutz wichtig, aber die wirtschaftliche Entwicklung mindestens ebenso wichtig sei.
Waldbrände und Naturkatastrophen zeigten zwar, dass der Schutz der Umwelt zentral sei, sagte Kurz. Fortschritt nütze nichts, wenn die Welt verloren gehe. Es sei „gut“, dass Klimaschutz jetzt „in aller Munde“sei. „Aber wir müssen alle aufpassen, dass das Thema nicht missbraucht wird“, sagte Kurz und meinte „alte kollektivistische Ideen, die immer, egal wo auf der Welt, gescheitert sind“. In diesem Bewusstsein sei es „gut, zu verinnerlichen, dass wir das Klima nicht retten werden, indem wir die europäische Industrie oder Wirtschaft bekämpfen und schädigen“, sagte Kurz in Richtung mancher Klimaaktivisten. Klimaschutz und Wachstum Die Debatte „Klimaschutz oder Wirtschaft“, „Thunberg oder Trump“sei falsch. „Wir werden als Demokratien nur erfolgreich und Beispiel für andere sein, wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sind, wenn wir Arbeitsplätze erhalten und schaffen, Gesundheit, Pflege und Pensionen finanzieren können.“Und wer könnte sich besser als eine Art Vorreiter dieses Zusammenspiels präsentieren, als Österreich – in aller Bescheidenheit natürlich. Oder so. „Bestes aus beiden Welten verbinden“, sagte Kurz erneut zu seiner Koalition mit den Grünen: Klimaschutz da, Standort, Wirtschaft, Sicherheitspolitik dort.
Ein Modell für Europa will er aber nur bedingt sehen, zu unterschiedlich seien die Voraussetzungen. In Deutschland „kann unser Modell aber Vorbildfunktion haben“. Eine „ähnliche Konstellation“sei dort nach der nächsten Wahl „nicht unwahrscheinlich“, so der VP-Chef. „Da würde ich mich wetten trauen.“Und: „Die Grünen werden in vielen Ländern die Sozialdemokratie ersetzen, sie sind die moderne Linkspartei.“
Österreich werde bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie beziehen; man trete dafür ein, durch europäische CO2-Zölle den Wettbewerb fairer zu machen (und umweltbelastende Produktionen aus Drittstaaten zu verteuern).
Auch neue Investments konnte Kurz nach Gesprächen mit Firmenchefs verkünden: Der Industriekonzern ABB investiert 100 Millionen Euro in Oberösterreich, der PharmaRiese Novartis nimmt 30 Millionen am Tirol-Standort Kundl in die Hand. Schon am Donnerstag war der Kanzler in Zürich mit AppleChef Tim Cook zusammengetroffen. Cook versprach, wie berichtet, 300 neue Jobs in Österreich. Rückhalt für „Revolutionär“Am Freitag stand neben Treffen mit CEOs und der EZB-Chefin Christine Lagarde auch ein Gespräch mit Juan Guaidó, dem selbst ernannten Interimspräsidenten Venezuelas, auf dem Programm. Guaidó, der seit einem Jahr erfolglos versucht, Machthaber Nicolas Maduro von der Macht zu vertreiben, hatte das Treffen vorgeschlagen – Kurz war einer der Ersten gewesen, die Guaidó als Interimspräsidenten anerkannt hatten.
Der „Revolutionär“appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, die Menschen in Venezuela im Kampf für Demokratie nicht alleine zu lassen. Guaidó wird von mehreren Dutzend Ländern, darunter den USA und Deutschland, als legitimer Übergangsstaatschef anerkannt. Das Militär und Staaten wie Russland, China, Iran und Kuba stützen hingegen den Sozialisten Maduro. Guaidó räumte ein, dass die Opposition die Macht der Regierung unterschätzt habe. Auch der Druck der USA habe nachgelassen.