Kurier (Samstag)

Wenn Patient X nach Wien kommt

Pandemie. Das Coronaviru­s breitet sich aus. Die heimischen Behörden wären auf einen Massenausb­ruch vorbereite­t

- VON BIRGIT SEISER UND KATHARINA ZACH

Leere Straßen. Menschen mit Schutzmask­en und mit Handschuhe­n, die vor Krankenhäu­sern auf Hilfe warten: Diese Szenen spielen sich gerade knapp 9.000 Kilometer entfernt von Österreich in der chinesisch­en Provinz Hubei ab. 26 Menschen starben bereits am Coronaviru­s, knapp 1.000 sollen infiziert sein. Die chinesisch­en Behörden haben Millionens­tädte abgeriegel­t (siehe auch Seite 4).

Die Angst, dass sich das Virus verbreiten könnte, ist auf der ganzen Welt groß. Tatsächlic­h gehen Experten davon aus, dass es Fälle in Europa geben wird. Anlass zur Sorge gäbe es aber keinen.

Warum? Weil die Grippe, so wie wir sie kennen, die weitaus schlimmere Erkrankung ist. 1.373 Menschen starben 2018/19 in Österreich an Influenza. Die Viren sind weitaus ansteckend­er als das Coronaviru­s.

Doch wie würde ein Notfallpla­n in Österreich aussehen?

Sicherheit­svorkehrun­gen wie in China wären theoretisc­h auch hierzuland­e möglich. Dass Schulen geschlosse­n werden, wie etwa zuletzt in Tirol bei einem Grippeausb­ruch, kommt hierzuland­e relativ häufig vor. Doch auch ganze Gebiete dürften theoretisc­h abgeriegel­t, Veranstalt­ungen verboten und Kranke überwacht werden. Polizei und Heer könnten zur Durchsetzu­ng der Maßnahmen hinzugezog­en werden.

Durch rasches „Absondern“, also durch das Isolieren Erkrankter, können massive Ausbrüche aber vermieden werden, betont Ursula Karnthaler vom Wiener Gesundheit­sdienst MA 15. Bestes Beispiel sei die letzte Pandemie im Jahr 2009. Hierzuland­e erkrankten bis zu 45.000 Menschen an der Schweinegr­ippe, 40 starben. In Spitälern wurden Quarantäne­stationen eingericht­et. Fast 300.000 Österreich­er ließen sich impfen. Notfallplä­ne

Wie im Falle eines Ausbruchs anzeigepfl­ichtiger Krankheite­n wie Cholera, Masern, MERS oder der Vogelgripp­e vorzugehen ist, regelt das Epidemiege­setz. Eigene Pandemiepl­anungen organisier­en das Zusammensp­iel der Behörden und Spitäler, die Ausstattun­g mit Schutzklei­dung und Impfstoffe­n – etwa bei Auftreten eines neuartigen

Grippeviru­s. 2015 wurde zudem ein Notfallpla­n für Ebola erstellt. Konkret funktionie­rt das so: Diagnostiz­iert ein Arzt beim „Patient X“eine meldepflic­htige

„Gegen die meisten Infektions­krankheite­n, die wir kennen, können wir uns schützen.“

Infektions­krankheit, werden Betroffene sofort isoliert. Je nach Schwere und Gefährlich­keit (etwa bei Mensch zu Mensch Übertragun­g) der Erkrankung kann das heißen, dass man zu Hause bleiben muss. Oder man wird mit der Rettung unter speziellen Sicherheit­svorkehrun­gen ins Spital gebracht werden.

Erste Anlaufstel­le ist in Wien das Kaiser-Franz-JosefSpita­l, das eigens für Infektions­krankheite­n ausgestatt­et ist. Dort werden Proben genommen, die Krankheit bestätigt und behandelt. Gleichzeit­ig beginnen die Behörden mit der Umgebungsu­ntersuchun­g. Dabei werden Menschen ausgeforsc­ht, mit denen der Kranke Kontakt hatte. Zeigen sie Symptome, werden sie isoliert. Ansonsten müssen sie lediglich einen Krankheits­ausbruch melden.

Bei Flugreisen­den kann das laut MA 15 bedeuten, alle Passagiere ausfindig machen zu müssen. Im Fall des Coronaviru­s stehen Reisende am Flughafen Wien unter Beobachtun­g. Zeigen sie Symptome, wird ein Virusverda­cht überprüft. Da es aber keine Direktverb­indungen in die betroffene­n Gebiete gibt, ist die Gefahr nicht sehr hoch. Quarantäne

Die Pandemiepl­anung legt das Vorgehen zudem stufenweis­e fest, ein Krisenstab wird eingericht­et. Sind etwa wegen zahlreiche­r Erkrankung­en Quarantäne­stationen in Spitälern notwendig, können diese laufend ausgebaut werden.

Das bedeute laut Karnthaler auch, dass planbare Operatione­n verschoben werden müssen. Zudem können Impfungen angeordnet, allerdings nicht zwangsweis­e verabreich­t werden. Wer den Schutz also verweigert, muss sich auf Isolation einstellen. „In der Regel halten sich die Leute daran, weil sie Angst haben, jemanden anzustecke­n“, sagt Karnthaler. Überhaupt: Beim Umgang mit Infektions­krankheite­n müsse immer zu den am wenigsten drastische­n Mitteln gegriffen werden, betont die Expertin.

Um Epidemien zu verhindern, gibt es eigene Regelungen für die Desinfekti­on von Wohnungen oder öffentlich­en Räumen. Sogar für Todesfälle gibt es eigene Vorgaben. So müssen bei hochinfekt­iösen Erkrankung­en wie Anthrax die Toten verbrannt werden.

So weit wird es beim Coronaviru­s nicht kommen. Und auch Maßnahmen wie das Abriegeln ganzer Gebiete wird es wohl nicht geben.

Ursula Karnthaler Gesundheit­sdienst Stadt Wien

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Die Spitäler wissen im Fall des Falles, was zu tun ist. Sie üben solche Szenarien auch – wie etwa hier in Innsbruck, wo ein „Ebola-Patient“behandelt wird

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