Wenn Patient X nach Wien kommt
Pandemie. Das Coronavirus breitet sich aus. Die heimischen Behörden wären auf einen Massenausbruch vorbereitet
Leere Straßen. Menschen mit Schutzmasken und mit Handschuhen, die vor Krankenhäusern auf Hilfe warten: Diese Szenen spielen sich gerade knapp 9.000 Kilometer entfernt von Österreich in der chinesischen Provinz Hubei ab. 26 Menschen starben bereits am Coronavirus, knapp 1.000 sollen infiziert sein. Die chinesischen Behörden haben Millionenstädte abgeriegelt (siehe auch Seite 4).
Die Angst, dass sich das Virus verbreiten könnte, ist auf der ganzen Welt groß. Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass es Fälle in Europa geben wird. Anlass zur Sorge gäbe es aber keinen.
Warum? Weil die Grippe, so wie wir sie kennen, die weitaus schlimmere Erkrankung ist. 1.373 Menschen starben 2018/19 in Österreich an Influenza. Die Viren sind weitaus ansteckender als das Coronavirus.
Doch wie würde ein Notfallplan in Österreich aussehen?
Sicherheitsvorkehrungen wie in China wären theoretisch auch hierzulande möglich. Dass Schulen geschlossen werden, wie etwa zuletzt in Tirol bei einem Grippeausbruch, kommt hierzulande relativ häufig vor. Doch auch ganze Gebiete dürften theoretisch abgeriegelt, Veranstaltungen verboten und Kranke überwacht werden. Polizei und Heer könnten zur Durchsetzung der Maßnahmen hinzugezogen werden.
Durch rasches „Absondern“, also durch das Isolieren Erkrankter, können massive Ausbrüche aber vermieden werden, betont Ursula Karnthaler vom Wiener Gesundheitsdienst MA 15. Bestes Beispiel sei die letzte Pandemie im Jahr 2009. Hierzulande erkrankten bis zu 45.000 Menschen an der Schweinegrippe, 40 starben. In Spitälern wurden Quarantänestationen eingerichtet. Fast 300.000 Österreicher ließen sich impfen. Notfallpläne
Wie im Falle eines Ausbruchs anzeigepflichtiger Krankheiten wie Cholera, Masern, MERS oder der Vogelgrippe vorzugehen ist, regelt das Epidemiegesetz. Eigene Pandemieplanungen organisieren das Zusammenspiel der Behörden und Spitäler, die Ausstattung mit Schutzkleidung und Impfstoffen – etwa bei Auftreten eines neuartigen
Grippevirus. 2015 wurde zudem ein Notfallplan für Ebola erstellt. Konkret funktioniert das so: Diagnostiziert ein Arzt beim „Patient X“eine meldepflichtige
„Gegen die meisten Infektionskrankheiten, die wir kennen, können wir uns schützen.“
Infektionskrankheit, werden Betroffene sofort isoliert. Je nach Schwere und Gefährlichkeit (etwa bei Mensch zu Mensch Übertragung) der Erkrankung kann das heißen, dass man zu Hause bleiben muss. Oder man wird mit der Rettung unter speziellen Sicherheitsvorkehrungen ins Spital gebracht werden.
Erste Anlaufstelle ist in Wien das Kaiser-Franz-JosefSpital, das eigens für Infektionskrankheiten ausgestattet ist. Dort werden Proben genommen, die Krankheit bestätigt und behandelt. Gleichzeitig beginnen die Behörden mit der Umgebungsuntersuchung. Dabei werden Menschen ausgeforscht, mit denen der Kranke Kontakt hatte. Zeigen sie Symptome, werden sie isoliert. Ansonsten müssen sie lediglich einen Krankheitsausbruch melden.
Bei Flugreisenden kann das laut MA 15 bedeuten, alle Passagiere ausfindig machen zu müssen. Im Fall des Coronavirus stehen Reisende am Flughafen Wien unter Beobachtung. Zeigen sie Symptome, wird ein Virusverdacht überprüft. Da es aber keine Direktverbindungen in die betroffenen Gebiete gibt, ist die Gefahr nicht sehr hoch. Quarantäne
Die Pandemieplanung legt das Vorgehen zudem stufenweise fest, ein Krisenstab wird eingerichtet. Sind etwa wegen zahlreicher Erkrankungen Quarantänestationen in Spitälern notwendig, können diese laufend ausgebaut werden.
Das bedeute laut Karnthaler auch, dass planbare Operationen verschoben werden müssen. Zudem können Impfungen angeordnet, allerdings nicht zwangsweise verabreicht werden. Wer den Schutz also verweigert, muss sich auf Isolation einstellen. „In der Regel halten sich die Leute daran, weil sie Angst haben, jemanden anzustecken“, sagt Karnthaler. Überhaupt: Beim Umgang mit Infektionskrankheiten müsse immer zu den am wenigsten drastischen Mitteln gegriffen werden, betont die Expertin.
Um Epidemien zu verhindern, gibt es eigene Regelungen für die Desinfektion von Wohnungen oder öffentlichen Räumen. Sogar für Todesfälle gibt es eigene Vorgaben. So müssen bei hochinfektiösen Erkrankungen wie Anthrax die Toten verbrannt werden.
So weit wird es beim Coronavirus nicht kommen. Und auch Maßnahmen wie das Abriegeln ganzer Gebiete wird es wohl nicht geben.
Ursula Karnthaler Gesundheitsdienst Stadt Wien