Wenn ein Ausfall zum Glücksfall wird: Viotti springt im Konzerthaus ein
Kritik. Zuweilen können Ausfälle am Dirigentenpult zu Glücksfällen werden, wie beim Gastspiel des Orchestre National de France im Wiener Konzerthaus. Emmanuel Krivine erkrankte, Lorenzo Viotti übernahm kurzfristig.
So anmutig, sinnlich, schwebend, schön hört man Claude Debussys „Prélude à l’après midi d’un faune“selten. Wie er die Harmonien formte, lud zum Schwelgen ein. Das war französischer Originalklang pur, in dem man endlos verweilen mochte.
Ernüchterndes folgte: Die deutsche Geigerin Julia Fischer war die Solistin bei Bèla Bartoks zweitem Violinkonzert. Makellos spielte sie – mit Noten – das zwischen avantgardistischen und volkstänzerischen Elementen oszillierende Werk. Ihre formidable Technik nützte sie aber nicht für eine packende Interpretation. Die Ausbrüche, die den ersten Satz zu einem der Kontraste machen, arbeitete Viotti mit dem Orchester heraus.
Zurückhaltung
Fischer setzte auf Akkuratesse und Zurückhaltung. Das fordernde Finale absolvierte sie mustergültig und verabschiedete sich mit Paganini als Zugabe.
Viotti, der 2021 den Posten des Chefdirigenten der
Amsterdamer Nationaloper antritt, versteht es, orchestrale Ereignisse zu schaffen, wie er bei Maurice Ravels Bearbeitung von Modest Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“hören ließ. Mit den warmen Klangfarben des Orchesters ließ er prächtige Gemälde entstehen.
Virtuos agierten die Solisten im Orchester, allen voran die goldtönenden Blechbläser. Brillante Petitessen wie „Tanz der Küken“oder das finale, prachtvolle „Tor von Kiew“ließen keinen Wunsch offen. Mit Jacques Offenbachs „Barcarole“als Zugabe lud Viotti zum Schwärmen ein. Jubel!