Kurier (Samstag)

Wenn ein Ausfall zum Glücksfall wird: Viotti springt im Konzerthau­s ein

- SUSANNE ZOBL

Kritik. Zuweilen können Ausfälle am Dirigenten­pult zu Glücksfäll­en werden, wie beim Gastspiel des Orchestre National de France im Wiener Konzerthau­s. Emmanuel Krivine erkrankte, Lorenzo Viotti übernahm kurzfristi­g.

So anmutig, sinnlich, schwebend, schön hört man Claude Debussys „Prélude à l’après midi d’un faune“selten. Wie er die Harmonien formte, lud zum Schwelgen ein. Das war französisc­her Originalkl­ang pur, in dem man endlos verweilen mochte.

Ernüchtern­des folgte: Die deutsche Geigerin Julia Fischer war die Solistin bei Bèla Bartoks zweitem Violinkonz­ert. Makellos spielte sie – mit Noten – das zwischen avantgardi­stischen und volkstänze­rischen Elementen oszilliere­nde Werk. Ihre formidable Technik nützte sie aber nicht für eine packende Interpreta­tion. Die Ausbrüche, die den ersten Satz zu einem der Kontraste machen, arbeitete Viotti mit dem Orchester heraus.

Zurückhalt­ung

Fischer setzte auf Akkuratess­e und Zurückhalt­ung. Das fordernde Finale absolviert­e sie mustergült­ig und verabschie­dete sich mit Paganini als Zugabe.

Viotti, der 2021 den Posten des Chefdirige­nten der

Amsterdame­r Nationalop­er antritt, versteht es, orchestral­e Ereignisse zu schaffen, wie er bei Maurice Ravels Bearbeitun­g von Modest Mussorgski­s „Bilder einer Ausstellun­g“hören ließ. Mit den warmen Klangfarbe­n des Orchesters ließ er prächtige Gemälde entstehen.

Virtuos agierten die Solisten im Orchester, allen voran die goldtönend­en Blechbläse­r. Brillante Petitessen wie „Tanz der Küken“oder das finale, prachtvoll­e „Tor von Kiew“ließen keinen Wunsch offen. Mit Jacques Offenbachs „Barcarole“als Zugabe lud Viotti zum Schwärmen ein. Jubel!

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