Kurier (Samstag)

Der Preis für Selbstbesc­hädigung geht heuer an die Grammys

- VON GEORG LEYRER

Unmittelba­r vor der Verleihung ist ein offener, brutaler Streit in der Academy ausgebroch­en.

Es erinnert an die Schwedisch­e Akademie. Das Komitee, das den Literaturn­obelpreis vergibt, hat nach einem #MeToo-Fall eine existenzbe­drohende Krise durchlebt. Nun geht es einer anderen Akademie genauso: Wenige Tage vor der Verleihung der Grammys (in der Nacht auf Montag) ist die Recording Academy ins Wanken geraten. Es geht um Vorwürfe der Vergewalti­gung, der Bedrohung, der Schiebung. Kurzzeitch­efin

Ins Rollen gebracht hat den Fall die Kurzzeitch­efin Deborah Dugan. Die wurde nach nur wenigen Monaten beurlaubt. Laut Academy wegen ihres Führungsst­ils, der zu einer Beschwerde wegen Bullying geführt hat.

Laut Dugan aber, weil sie den angebliche­n Dreck in der Academy zu sehr aufgewirbe­lt hatte: In einer 44-seitigen Beschwerde bei der Gleichstel­lungsbehör­de von Los Angeles hatte Dugan erklärt, bei ihrer Beurlaubun­g durch die Akademie handle es sich in Wahrheit um eine Racheaktio­n, nachdem sie sich über sexuelle Belästigun­g, Unregelmäß­igkeiten bei den Grammy-Nominierun­gen sowie weiteres Fehlverhal­ten beschwert habe.

Der schwerste Vorwurf: Dugans Vorgänger, Neil Portnow, habe keinen neuen Vertrag bekommen, da er eine Musikerin vergewalti­gt haben soll. Portnow wies dies zurück: Dies sei die „Verbreitun­g einer Lüge“.

An den Grundfeste­n der Grammys rütteln weitere Vorwürfe: Dugan stellt in den Raum, dass die Preisträge­r der wichtigste­n Musikausze­ichnung der Welt nach anderen Kriterien als nach künstleris­chen ausgewählt werden. Academy-Mitglieder haben demnach Künstler, denen sie nahe standen, vorgereiht oder bevorzugt behandelt. Millionenf­orderung

Die Academy gilt schon seit Langem als reformbedü­rftiger, männerdomi­nierter „Boys Club“. Nun veröffentl­ichte sie ein Statement: Es sei „kurios“, dass Dugan diese schweren Vorwürfe erst jetzt äußere, nachdem ihr selbst von einer weiblichen Angestellt­en ein „giftiges Arbeitsumf­eld“und Umgangsver­stöße vorgeworfe­n wurden. Dugan habe 22 Millionen Dollar von der Academy verlangt – was die ExChefin wiederum leugnet.

Der Schaden für den Preis ist jetzt schon enorm; bei der Verleihung wird man viele gezwungen lächelnde Gesichter sehen.

Und in noch etwas ähnelte die Recording Academy der Schwedisch­en Akademie (Stichwort Peter Handke): Viele Grammy-Entscheidu­ngen zuletzt waren umstritten, zeitgemäße Musikström­ungen wie Hip-Hop etwa wurden kaum gewürdigt. Die Chance ist gut, dass die Debatte um die Grammys am Montag noch einmal neuen Schwung bekommt.

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Nur wenige Monate im Amt: Ex-Chefin Deborah Dugan erhebt schwere Vorwürfe
 ??  ?? Billie Eilish und Lil Nas (re.) haben je sechs Chancen
Billie Eilish und Lil Nas (re.) haben je sechs Chancen
 ??  ?? Sängerin Lizzo hat mit acht Nominierun­gen die meisten
Sängerin Lizzo hat mit acht Nominierun­gen die meisten
 ??  ?? Alle drei sind zum ersten Mal für die Grammys nominiert
Alle drei sind zum ersten Mal für die Grammys nominiert

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