Der Preis für Selbstbeschädigung geht heuer an die Grammys
Unmittelbar vor der Verleihung ist ein offener, brutaler Streit in der Academy ausgebrochen.
Es erinnert an die Schwedische Akademie. Das Komitee, das den Literaturnobelpreis vergibt, hat nach einem #MeToo-Fall eine existenzbedrohende Krise durchlebt. Nun geht es einer anderen Akademie genauso: Wenige Tage vor der Verleihung der Grammys (in der Nacht auf Montag) ist die Recording Academy ins Wanken geraten. Es geht um Vorwürfe der Vergewaltigung, der Bedrohung, der Schiebung. Kurzzeitchefin
Ins Rollen gebracht hat den Fall die Kurzzeitchefin Deborah Dugan. Die wurde nach nur wenigen Monaten beurlaubt. Laut Academy wegen ihres Führungsstils, der zu einer Beschwerde wegen Bullying geführt hat.
Laut Dugan aber, weil sie den angeblichen Dreck in der Academy zu sehr aufgewirbelt hatte: In einer 44-seitigen Beschwerde bei der Gleichstellungsbehörde von Los Angeles hatte Dugan erklärt, bei ihrer Beurlaubung durch die Akademie handle es sich in Wahrheit um eine Racheaktion, nachdem sie sich über sexuelle Belästigung, Unregelmäßigkeiten bei den Grammy-Nominierungen sowie weiteres Fehlverhalten beschwert habe.
Der schwerste Vorwurf: Dugans Vorgänger, Neil Portnow, habe keinen neuen Vertrag bekommen, da er eine Musikerin vergewaltigt haben soll. Portnow wies dies zurück: Dies sei die „Verbreitung einer Lüge“.
An den Grundfesten der Grammys rütteln weitere Vorwürfe: Dugan stellt in den Raum, dass die Preisträger der wichtigsten Musikauszeichnung der Welt nach anderen Kriterien als nach künstlerischen ausgewählt werden. Academy-Mitglieder haben demnach Künstler, denen sie nahe standen, vorgereiht oder bevorzugt behandelt. Millionenforderung
Die Academy gilt schon seit Langem als reformbedürftiger, männerdominierter „Boys Club“. Nun veröffentlichte sie ein Statement: Es sei „kurios“, dass Dugan diese schweren Vorwürfe erst jetzt äußere, nachdem ihr selbst von einer weiblichen Angestellten ein „giftiges Arbeitsumfeld“und Umgangsverstöße vorgeworfen wurden. Dugan habe 22 Millionen Dollar von der Academy verlangt – was die ExChefin wiederum leugnet.
Der Schaden für den Preis ist jetzt schon enorm; bei der Verleihung wird man viele gezwungen lächelnde Gesichter sehen.
Und in noch etwas ähnelte die Recording Academy der Schwedischen Akademie (Stichwort Peter Handke): Viele Grammy-Entscheidungen zuletzt waren umstritten, zeitgemäße Musikströmungen wie Hip-Hop etwa wurden kaum gewürdigt. Die Chance ist gut, dass die Debatte um die Grammys am Montag noch einmal neuen Schwung bekommt.