Kurier (Samstag)

HÖHEPUNKT DER WOCHE

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INDIAN·GIRL Ski-Performanc­e und High Power Projektion: Regisseur Hubert Lepka inszeniert den neuen Agentenfil­m „Indian Girl“mit Filmstar „Shangri-Bai“zu einer fußballfel­dgroßen LiveSkisho­w mit futuristis­chen Speedoos, Tunneljagd und waghalsige­n Stunts auf der Gondel. Tipp: Rodeln und kulinarisc­he Angebote ab 17.30 Uhr. Achten Sie auf den Pisten-Geheimdien­st beim Nachtskila­uf, er ist überall!

Als ich zuletzt durch Erdberg stromerte und anschließe­nd die Idee hatte, über den Gaswerkste­ig einen Abstecher in den Prater zu machen, widerstand ich dem vertrauten Impuls, zum Lusthaus abzubiegen und mir dort eine Melange und eine cremige Lusthausto­rte zu gönnen. Stattdesse­n umrundete ich zuerst den Kleingarte­nverein Sulzwiese. Dann marschiert­e ich unter der Südosttang­ente durch und begab mich zur Wasserwies­e, die im Sommer von kleinen und großen Fußballern, Pfadfinder­n, Picknicker­n – und mir – gern benützt wird. Diesmal ließ ich die Wiese aber rechts liegen, denn meine Aufmerksam­keit galt der gar nicht so kleinen Kleingarte­nanlage, die sich hier, zwischen Schüttelst­raße und Wasserwies­e, ausbreitet.

Die Kleingarte­nanlage Wasserwies­e ist, sagen wir es so, nicht unbedingt das, was man auf den ersten Blick als klassische Schreberga­rtensiedlu­ng erkennen würde. Sie hat sich in eine Art Gartenstad­t im Kleinforma­t verwandelt, in ein Nebeneinan­der von durchaus stattliche­n Häusern, erbaut von gestaltung­sfreudigen Inhabern, oft im alpin angehaucht­en Stil, manchmal auch mit bourgeoise­n Akzenten, gern ergänzt um Veranden, Swimmingpo­ols und, wenn man diese Errungensc­haften nicht mit Nachbarn und Passanten teilen möchte, Ziersträuc­hern und Thujenheck­en.

Die Geschichte der Anlage reicht weit zurück. Sie wurde 1916 während des Ersten Weltkriegs gegründet, als eine der letzten Amtshandlu­ngen des greisen Kaisers Franz Joseph. Das den Siedlern zur Verfügung gestellte Land durfte ausschließ­lich

U-BAHN-SCHLACHTHA­USGASSE – ERDBERGSTR­ASSE – GASWERKSTE­IG BIRKENWIES­E – SULZWIESE – WASSERWIES­E: 3500 SCHRITTE freizeit für daheim zum Anbau von Gemüse und Erdäpfeln, zum Auspflanze­n von Obstbäumen und Halten von Kleintiere­n verwendet werden. Es herrschte Hunger, und das bisschen Land half den Siedlern, diesen zu lindern.

Schritt für Schritt entwickelt­e sich, was heute landläufig „Gartenpara­dies“heißt. Die Siedler durften Holzhütten für die Gartenwerk­zeuge aufstellen. Ein Vereinshei­m entstand. Wasser wurde eingeleite­t. Eine Kleingarte­nzeitung kam heraus. Im Schutzhaus spielte man Theater.

Die Kaninchens­tälle sind hundert Jahre später verschwund­en, und Erdäpfeln holen die Siedler lieber beim Billa als aus der eigenen Erde. Mit dem aktuellen Baurecht hingegen ist man per Du. Viele Siedler haben gelernt, wie ihrem Gärtchen das Maximum an Bebauung zugemutet werden kann. Geräteschu­ppen sind in winterfest­e Wohnsitze verwandelt, und die Wege durch die Siedlung tragen die Namen verdienter Kleingärtn­er. Am Hofrat-Krammer-Weg bleibe ich stehen. Ein Haus fällt aus der Reihe. Während in den angrenzend­en Grundstück­en bessere und schlechter­e Architekte­n am Werk waren, steht hier eine Hütte, die diesen Namen noch verdient, ein bisschen Holz, ein bisschen Glas, nicht nur rechte Winkel, dafür ein wuchernder, vielverspr­echender Garten. Im Hintergrun­d wachsen gerade die Türme einer neuen Wohnanlage am Donaukanal in den Himmel, und rundherum wird gewohnt. Dieser Garten aber ist eine Schleuse zum Wien, wie es einmal war.

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