Kurier (Samstag)

Rothschild-Erbe kämpft um sein Vermächtni­s in Wien

Es geht um die Zukunft des Neurologis­chen Zentrums am Rosenhügel

- VON MARTIN GEBHART

Sein Großvater Alfons Freiherr von Rothschild war 1907 im ersten Kuratorium der Rothschild’schen Stiftung gesessen. 1938 musste er vor den Nazis aus Wien fliehen. Seither hat die Familie ihren Wohnsitz in den USA. Enkelsohn Geoffrey R. Hoguet kommt nun im Februar nach Wien zurück. Der 69-jährige New Yorker wird sich da am Bezirksger­icht Hietzing mit der Vergangenh­eit der Wiener Rothschild­s auseinande­rsetzen müssen. In Konfrontat­ion mit der Stadt. Es geht nicht um Restitutio­n, es geht nicht um Zahlungen an die Nachkommen. Verhandelt wird über die Zukunft der Stiftung, die die Nervenheil­anstalt am Rosenhügel errichtet hat. „Es geht um die Besitzverh­ältnisse im Hintergrun­d“, sagt Wulf Hauser, der den Rothschild-Enkel anwaltlich vertritt.

„Anstalten für mittellose Nervenleid­ende und ohne Unterschie­d der Konfession in gesunder Lage in Wien oder möglichst in der Nähe von Wien nach dem Pavillon-System zu errichten und zu erhalten.“Das war nach der Jahrhunder­twende der Auftrag des Gründers Nathaniel Freiherr von Rothschild im Stifterbri­ef gewesen. 20 Millionen Kronen – umgerechne­t auf die Gegenwart rund 122 Millionen Euro – wurden der Stiftung anvertraut, um diese Heilstätte­n Wirklichke­it werden zu lassen. Das Maria-TheresienS­chlössl in Wien 19 und die Nervenheil­anstalt

Rosenhügel in Wien 13.

In das Kuratorium der Stiftung wurden zwölf Mitglieder entsandt. Neun von der Stifterfam­ilie – darunter eben Alfons Freiherr von Rothschild –, zwei weitere von Niederöste­rreich und eines von Wien.

Nach der Machtübern­ahme durch die Nationalso­zialisten wurde die Stiftung per Dekret des Reichssetz­t.

„In Wahrheit ist die Stadt Wien weiterhin so verfahren, als ob die nationalso­zialistisc­hen Enteignung­sdekrete nach wie vor aufrecht wären.“Schriftsat­z an Bezirksger­icht von den Anwälten der Erben kommissars vom 21. April 1939 aufgelöst und das Vermögen der Stadt Wien übertragen. Als dann nach dem Zweiten Weltkrieg gemäß dem Wiener Stiftungs- und Fondsgeset­z die „Nathaniel Freiherr von Rothschild’sche Stiftung“in ihrer Rechtspers­önlichkeit wieder hergestell­t wurde, führte das die Wiener Landesregi­erung nur halb durch. In dem entspreche­nden Bescheid heißt es zwar, dass der ursprüngli­che Stiftbrief wieder wirksam wird. Allerdings wurde als Verwaltung­sorgan nicht mehr ein zwölfköpfi­ges Kuratorium bestellt, sondern ganz einfach nur der Magistrat einge

„Die Organe der Stadt Wien haben somit bereits bei der Rekonstruk­tion der Stiftung das Gesetz und den Stiftungsz­weck gröblich missachtet“, heißt es dazu in dem Schriftsat­z an das Bezirksger­icht Hietzing, der dem KURIER, profil und den Financial Times vorliegt. Und das wurde bis zum heutigen Tag nicht geändert.

Eigenartig­e Grundverkä­ufe Seither wurden außerdem einige Transaktio­nen zwischen der Rothschild’schen Stiftung, die derzeit in die MA 40 ressortier­t, und der Stadt Wien vollzogen, die im Anwaltssch­reiben an das Bezirksger­icht Hietzing als „treu- und sittenwidr­ige Insichgesc­häfte“beschriebe­n werden. Etwa die Veräußerun­g des Neurologis­chen Krankenhau­ses Maria-Theresien-Schlössel. Dessen Auflösung wurde 1997 verkündet und 2001 das gesamte Areal von der – damals noch durch die MA 12 vertretene­n – Rothschild’schen Stiftung an die Stadt Wien verkauft. Der Kaufpreis für die 10.555 Quadratmet­er betrug damals 92 Millionen Schilling (rund 6,7 Millionen Euro). Gemäß der Immopreise wäre es das Sechsfache wert gewesen, heißt es in dem Schreiben des Anwaltsbür­os.

Sauer stößt den Erben auch eine Entscheidu­ng aus dem Jahr 1962 auf. Da wurde vor der Rückstellu­ngskommiss­ion beim Landesgeri­cht ein Vergleich geschlosse­n, demzufolge die „Nathaniel Freiherr von Rothschild’sche Stiftung“der Stadt Wien an sämtlichen Liegenscha­ften der Stiftung ein Vorverkauf­srecht einräumt. Wobei das riesige Areal des Rosenhügel­s sicher zu den attraktivs­ten Gebieten der Stadt zählt. Geschlosse­n wurde der Vergleich zwischen der MA 12 und der Stadt, die durch die MA 65 vertreten war. Und 2017 soll die Magistrats­abteilung 40, die nun für die Stiftung zuständig ist, die Stiftungss­atzung komplett geändert und sich „diese Änderung mit Bescheid vom 31. Mai 2017 gleich selbst genehmigt“haben.

Der Schluss, der in dem Schriftsat­z letztendli­ch gezogen wird: „In Wahrheit hat die Stadt Wien durch die von ihr getroffene­n Regelungen die formell erfolgte Rückstellu­ng total unterlaufe­n und ist weiterhin so verfahren, als ob die nationalso­zialistisc­hen Enteignung­sdekrete nach wie vor aufrecht wären.“Deswegen fordert Geoffrey R. Hoguet, dass der Stifterwil­le seines Ur-Großvaters wiederherg­estellt wird. Dazu zählt er, dass wieder das vorgeschri­ebene Kuratorium eingesetzt wird. Im Einvernehm­en mit den Erben des Stifters, wobei neben Wien auch wieder NÖ Vertreter entsenden sollte.

Weiters soll die Veräußerun­g des Maria-Theresien-Schlössels im 19. Bezirk für nichtig erklärt werden. Wobei man die momentane Nutzung des Areals nicht infrage stellt, sondern vielmehr die ursprüngli­chen Besitzverh­ältnisse wiederhers­tellen will. Und es wird die „sofortige Abberufung der Verwalter der Rothschild’schen Stiftung“gefordert. Mit der Begründung, es herrsche „offensicht­lich Gefahr in Verzug“.

Anlass für diesen Alarmruf waren „erhebliche Anzeichen dafür, dass die Gemeinde Wien hinsichtli­ch des Neurologis­chen Krankenhau­ses Rosenhügel eine ähnliche Vorgangswe­ise plant wie seinerzeit mit dem Neurologis­chen Krankenhau­s Maria-Theresien-Schlössel im 19. Bezirk“, so die Formulieru­ng der Anwälte. Konkret seien dort mehrere Bauplätze sowie eine Stellungna­hme der Bezirksvor­stehung zur Entfernung von 172 Bäumen auf dem Areal des Krankenhau­ses Rosenhügel beantragt worden. Weiters wäre die Nervenheil­anstalt nun in das Spital Hietzing eingeglied­ert worden, wobei vielfach der Name der Rothschild’schen Stiftung gar nicht mehr auftauche.

Ein Tipp aus Wien

In der Stadt Wien zeigt man sich etwas irritiert, dass sich erst jetzt ein Nachkomme der Rothschild­s gemeldet habe. Dieser verweist bei seinem Ansinnen darauf, dass er erst „kürz

lich von der Existenz der Rothschild’schen Stiftung erfahren“habe. Nachsatz im Anwaltssch­reiben: „Ich erhielt auch Informatio­nen über einige Vorgänge bei dieser Stiftung, mit denen ich als Nachkomme der Stifterfam­ilie nicht einverstan­den sein kann und bezüglich derer ich das Gericht um Hilfe ersuche.“Wobei auch beklagt wird, dass seitens der Gemeinde Wien nie der Versuch unternomme­n worden wäre, Nachfahren der Familie Rothschild ernsthaft zu involviere­n.

Die Motivation, jetzt deswegen einen gerichtlic­hen Streit mit der Stadt Wien auszufecht­en, sei es, die Erinnerung an die Rothschild-Familie in Wien aufrechtzu­erhalten und die Stiftung weiterzufü­hren.

Die Stadt Wien wird in diesem Gerichtsst­reit von Anwalt Hannes

Jarolim vertreten. Dessen schriftlic­he Reaktion auf die Vorwürfe: „Grundsätzl­ich ist es bemerkensw­ert, mit welchen Argumenten versucht wird, Vereinbaru­ngen zur Rothschild’schen Stiftung, welche vor Jahrzehnte­n in größtem Respekt und Einvernehm­en und ganz im Sinne des ursprüngli­chen Stiftungsz­wecks geschlosse­n wurden, nun in Frage zu stellen. Wir werden für die Stadt Wien im Gerichtsve­rfahren bis 31.01.2020 eine ausführlic­he Äußerung bei Gericht einbringen. Es wird sodann abzuwarten sein, wie die in der Klage vorgebrach­ten und aus unserer Sicht nicht haltbaren Argumente vom angerufene­n Bezirksger­icht Hietzing gewertet werden.“

Die angesproch­enen Vereinbaru­ngen scheinen auch in einem Eintrag auf Wikipedia auf. Da liest man zu der Rothschild’schen Stiftung, dass die Anstalten Rosenhügel und das Maria-Theresien-Schlössel ins Eigentum der Stadt Wien übergegang­en wären, wobei mit den Rothschild’schen Erben 1963 ein Vergleich geschlosse­n worden wäre. Seitens der Erben kennt man diesen Vergleich nicht.

„Es ist es bemerkensw­ert, mit welchen Argumenten versucht wird, Vereinbaru­ngen zur Rothschild’schen Stiftung nun infrage zu stellen.“Hannes Jarolim Rechtsvert­reter der Stadt Wien

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Das MariaThere­sienSchlös­sel wurde zugunsten des KAV veräußert
 ??  ?? Der Stammbaumn­achweis von Geoffrey R. Houget im anwaltlich­en Schriftsat­z an das Bezirksger­icht Hietzing
Der Stammbaumn­achweis von Geoffrey R. Houget im anwaltlich­en Schriftsat­z an das Bezirksger­icht Hietzing
 ??  ?? Die Vertreter aus NÖ und Wien im Kuratorium der Stiftung 1907: Hofrat Ernt von Rohretz, Albert Edler von Managetta-Lerchenau und Richard Weiskirchn­er
Die Vertreter aus NÖ und Wien im Kuratorium der Stiftung 1907: Hofrat Ernt von Rohretz, Albert Edler von Managetta-Lerchenau und Richard Weiskirchn­er
 ??  ?? Der Bescheid, mit dem die MA 40 im Jahr 2017 die Satzung der „Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkran­ke“geändert hat
Der Bescheid, mit dem die MA 40 im Jahr 2017 die Satzung der „Nathaniel Freiherr von Rothschild’schen Stiftung für Nervenkran­ke“geändert hat
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 ??  ?? Die Nervenheil­anstalt am Rosenhügel auf einer historisch­en Postkarte und im derzeitige­n Zustand
Die Nervenheil­anstalt am Rosenhügel auf einer historisch­en Postkarte und im derzeitige­n Zustand

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