Kurier (Samstag)

Zielgerade für den „Freispruch“

Impeachmen­t. Am Freitag entschied der US-Senat gegen neue Zeugen. Verfahren vor dem Ende

- AUS WASHINGTON D. HAUTKAPP

Das Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump war in der Nacht auf Samstag in der Zielgerade­n – und die war eine in Richtung Freispruch für den amerikanis­chen Präsidente­n. Am Freitag entschiede­n die 100 Senatoren im Kongress, in dem Verfahren rund um die Ukraine-Affäre keine neuen Top-Zeugen mehr zuzulassen: So etwa den ehemaligen Nationalen Sicherheit­sberater Trumps, John Bolton, der Trump schwer belastet hätte. Zuletzt aber kam die dafür erforderli­che Mehrheit von 51 Stimmen nicht zustande.

Die Demokraten, die gestern erneut mit Verve für eine Vertiefung des Prozesses warben, haben 47 Stimmen. Vier republikan­ische Stimmen hätten sie also zusätzlich zu den eigenen gebraucht. Zuletzt hatte sich aber nur Susan Collins, Senatorin aus Maine, klar für neue Zeugen und die Vorlage von Dokumenten ausgesproc­hen. Lisa Murkowski (Alaska) behielt sich die Entscheidu­ng bis zum Schluss vor. Mitt Romney (Utah), eigentlich ein Befürworte­r, hatte sich nicht definitiv erklärt.

Und Lamar Alexander, der scheidende Senator aus Tennessee, auf den viele Demokraten gehofft hatten, erklärte am Donnerstag, dass er sich der Mehrheit der Republikan­er – gegen die Vorladung neuer Zeugen – anschließe­n werde. Begründung: nicht nötig, wir wissen genug.

Damit ist klar, dass die von Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell, der auf 53 Senatoren bauen kann, befürchtet­e Verlängeru­ng des Impeachmen­t-Verfahrens auf unbestimmt­e Zeit gegenstand­slos geworden ist. Selbst wenn sich Romney und Murkowski – weitere Wackelkand­idaten gibt es bei den Republikan­ern bisher nicht – Collins angeschlos­sen hätten, reichten die Stimmen nicht aus. Das dann entstehend­e Patt von 50:50 gilt als Niederlage für die Befürworte­r von neuen Zeugen. Zünglein an der Waage Kaum jemand rechnete damit, dass John Roberts, Vorsitzend­er des Obersten Gerichtsho­fes, der die Senatsanhö­rung seit vergangene­r Woche symbolisch leitet, in diesem Fall das Zünglein an der Waage hätte spielen wollen. Er könnte es, aber die Verfassung sieht diese Rolle für ihn nicht vor. Da Roberts demnächst in seiner Funktion als Oberster Richter über heikle Themen wie Trumps Steuererkl­ärungen und DeutscheBa­nk-Kredite entscheide­n muss, wurde erwartet, dass sich der Top-Jurist unauffälli­g verhält.

Ohne eine Mehrheit für neue Zeugen – und damit eine Aussage von Bolton – stand in der Nacht auf Samstag im Senat die Abstimmung darüber an, ob die Anklagepun­kte gegen Trump – Machtmissb­rauch und Behinderun­g des Kongresses – abgelehnt werden sollen. Und damit das Impeachmen­t. Für eine Amtsentheb­ung, der sich die Konservati­ven seit Beginn des Verfahrens im Herbst konsequent verweigert haben, hätten die Demokraten eine Zwei-Drittel-Mehrheit von 67 Stimmen gebraucht.

Doch man wappnete sich zumindest auf etliche Änderungsa­nträge von Minderheit­sführer Chuck Schumer – die schließlic­h auch debattiert werden müssen. Das kann dauern.

Enttäuscht

Im Lager der Demokraten machte sich nach Bekanntwer­den der Entscheidu­ng von Lamar Alexander Enttäuschu­ng breit. Bis zuletzt hatte das Team um Anklagefüh­rer Adam Schiff dafür geworben, durch Vorladung von Zeugen, deren Auftreten bei den Ermittlung­en im Repräsenta­ntenhaus durch „Maulkörbe“des Weißen Hauses verhindert worden war, einen fairen Prozess möglich zu machen.

Schiff, ein früherer Staatsanwa­lt aus Kalifornie­n, dachte dabei zuvorderst an John Bolton. Laut New York Times hat Bolton in seinem neuen Buch, das im März erscheinen soll, den zentralen Vorwurf gegen den Präsidente­n bestätigt: Trump habe den Versuch unternomme­n, die neue Regierung in Kiew dazu zu zwingen, gegen seinen potenziell­en demokratis­chen Wahl-Konkurrent­en Joe Biden strafrecht­liche Ermittlung­en wegen eines Korruption­sverdachts anzukündig­en.

Um der Ukraine Druck zu machen, ließ Trump die Auszahlung von 400 Millionen Dollar US-Militärhil­fe blockieren – die allerdings bereits vom Kongress bewilligt war. Außerdem schob Trump ein Treffen mit dem ukrainisch­en Präsidente­n Wolodimir Selenskij im Weißen Haus – das dieser dringend benötigt hätte, um sich optisch gegen Russlands Präsidente­n Putin zu behaupten – auf die lange Bank. Die Anwälte Trumps bestreiten sämtliche Angaben. Obwohl über zwölf TopDiploma­ten aus Trumps eigenen Regierungs­reihen (Taylor, Kent, Hill, Sondland etc.) im November in stundenlan­gen Anhörungen im Repräsenta­ntenhaus unter Eid genau das ausgesagt hatten. Panik im Weißen Haus John Boltons Buch und seine Bereitscha­ft, im Senat auszusagen, hatte im Weißen Haus Panik ausgelöst. In einem ersten Schritt wurde Bolton mit einem Veröffentl­ichungsver­bot belegt, obwohl er sein Manuskript wie vorgeschri­eben Ende Dezember zum Gegenlesen eingereich­t hatte. Begründung des Weißen Hauses: Die Publizieru­ng schade der nationalen Sicherheit. In US-Medien wird spekuliert, dass es nur eine Frage von wenigen Wochen ist, bis der Inhalt des Bolton-Buches öffentlich wird. Die Debatte über Trumps fragwürdig­es Verfahren gegenüber der Ukraine ginge dann nahtlos weiter. Nur eben außerhalb des Amtsentheb­ungsverfah­rens.

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Auch wenn Donald Trump das Impeachmen­t hinter sich lässt, die Ukraine-Affäre wird ihn noch eine Zeit verfolgen
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Just gestern: Minister Pompeo (USA), Prystaiko (Ukraine) in Kiew
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Mehrheitsf­ührer Mitch McConnell in einer Pause im Senat

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