Kurier (Samstag)

5 Schweizer Lehren für die Lehre

In Österreich im Imagetief, beim Nachbarn die erste Wahl. Wie machen das die Eidgenosse­n?

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Weniger Alternativ­en Die Lehrlingsq­uote ist deshalb viel höher, weil die Jugendlich­en weniger schulische Alternativ­en haben. Im Unterschie­d zu Österreich spielen berufsbild­ende mittlere und höhere Schulen (HTL, HAK, Fachschule­n etc.) fast keine Rolle. „Die Berufsausb­ildung läuft dort fast ausschließ­lich über die Lehre“, weiß Wolfgang Bliem, Experte beim Institut für Bildungsfo­rschung der Wirtschaft (ibw). Jugendlich­e müssten sich im Wesentlich­en zwischen Allgemein- und Berufsbild­ung entscheide­n. Nicht unbedingt besser, aber ein anderes System. Die Lehre ist dadurch „verschulte­r“als in Österreich. Neben der Berufsschu­le gibt es weitere Schulungst­räger (siehe Punkt 4).

Ausbildung „light“Fälschlich­erweise oft als „Lehre light“bezeichnet, gibt es in der Schweiz in derzeit 56 Berufen, darunter Pflegeassi­stenz, eine auf zwei Jahre verkürzte betrieblic­he Ausbildung. Gedacht ist diese niederschw­ellige Ausbildung für lernschwac­he Jugendlich­e, Migranten mit schlechten Deutsch-Kenntnisse­n oder Erwachsene, die einen Berufswech­sel anstreben. Mit dem Eidgenössi­schen Berufsatte­st (EBA) gibt es einen anerkannte­n Abschluss, der eine Weiterqual­ifizierung ermöglicht. Die übliche Lehrzeit dauert drei Jahre und kann verlängert werden, wenn etwa Leistungss­portler nebenbei trainieren. Eine Lehrzeitve­rlängerung ist in Österreich mit der Flexi-Lehre geplant.

Klare Karrierewe­ge Die Berufsausb­ildung ist mehrstufig aufgebaut und folgt klar vorgezeich­neten Karrierewe­gen. Die höhere Fachprüfun­g qualifizie­rt ebenso wie die Meisterprü­fung für Leitungspo­sitionen oder zum selbststän­digen Führen eines Geschäfts und schließt mit einem Diplom ab. Das Bildungssy­stem ist durchlässi­ger als in Österreich, was die Höherquali­fizierung erleichter­t. Die „Lehre mit Matura“ist eher die Regel als die Ausnahme. Die Vorbereitu­ng auf die Berufsmatu­ra kann während der Grundausbi­ldung oder danach an diversen Schulen absolviert werden. Die Berufsmatu­ra berechtigt zum Studium an der Fachhochsc­hule, nach einer einjährige­n Ausbildung auch an einer Universitä­t. Einige Unis ermögliche­n ein Bachelorst­udium auch ohne Matura. Voraussetz­ungen sind Aufnahmepr­üfung und Berufserfa­hrung. Je nach Vorbildung ist ein Eintritt in höhere Semester möglich.

Im Verbund statt allein „Eine große Stärke der

Schweizer Lehre ist der triale Ansatz“, sagt Bliem. Lehrinhalt­e, die nicht vom Betrieb oder in der Berufsschu­le angeboten werden können, übernehmen Drittanbie­ter. Für diese überbetrie­blichen Kurse, etwa im Bereich Digitalisi­erung, gibt es eigene Ausbildung­szentren. Sie gelten offiziell als dritter Lernort der betrieblic­h organisier­ten Grundbildu­ng. In Österreich gibt es dies erst in Ansätzen, etwa mit den Bauakademi­en. Bliem kann sich auch HTLoder HAK-Lehrgänge als Teil der trialen Ausbildung vorstellen, „hier darf es Denkverbot­e geben“. keine

Kosten

Durch enge Vernetzung mit Schulungse­inrichtung­en tragen in der Schweiz die Betriebe nur etwa 43 Prozent der Ausbildung­skosten, in Österreich sind es drei Viertel. Ein Spezifikum der Schweiz sind die Berufsbild­ungsfonds. Betriebe, die sich nicht an den Kosten der Berufsbild­ung beteiligen, müssen Solidaritä­tsbeiträge bezahlen. Das gibt’s in Österreich erst in Ansätzen in Vorarlberg.

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Die Fachkräfte­ausbildung in der Schweiz gilt als Vorbild für die neue Regierung, um die Lehre wieder attraktive­r zu machen

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