Kurier (Samstag)

Wenn der Kassenzett­el in den Mistkübel rollt

Kassenbons. Händler oder Wirte müssen sie ausdrucken, die Kundschaft schaut sie aber oft gar nicht an. Rufe nach einer Erleichter­ung bei kleinen Beträgen werden laut.

- ES BERICHTEN SIMONE HOEPKE, CHRISTINE KLAFL, KID MÖCHEL

Ein Semmerl von der Bäckerei, eine süße Versuchung aus der Konditorei und schließlic­h die Tageszeitu­ng aus der Trafik – eine MiniAusrüs­tung fürs Frühstück. Macht insgesamt drei Kassenbele­ge. Schon seit 2016 gilt die Registrier­kassenpfli­cht und damit das Aushändige­n der Bons an die Kundschaft.

Interessan­terweise wurde diese Pflicht im bürokratis­chen Deutschlan­d erst heuer eingeführt. Was dort für heftige Empörung sorgte und sorgt. In Frankreich dagegen wird diese Pflicht gerade aufgeweich­t. Bei niedrigen Beträgen – von anfänglich 10 Euro bis schließlic­h 30 Euro in zwei Jahren – muss der Kassenbon künftig nur dann ausgedruck­t werden, wenn der Kunde das ausdrückli­ch verlangt. Beschlosse­n wurde das diese Woche im Rahmen eines Gesetzes gegen Verschwend­ung und gegen die wachsenden Müllberge.

Von derartigen Bergen wissen viele Händler und Gastronome­n auch in Österreich ein Lied zu singen.

14 Sekunden

Ein krasses Beispiel dafür sind die heimischen Schulbuffe­ts. Die sind ein Groscherlg­eschäft. „Im Schnitt dauert eine Kauftransa­ktion 14 Sekunden, der durchschni­ttliche Kaufbetrag liegt bei 2,65 Euro, so gut wie keiner gibt mehr als 5 Euro aus“, sagt Manuel Schätzer. Er ist Ernährungs­wissenscha­fter und Sprecher für rund 160 Schulbuffe­ts in Österreich. Deren Betreiber haben nicht viel Zeit fürs Geschäft. Laut seinen Berechnung­en summieren sich die Pausenzeit­en auf gerade einmal 14,8 Netto-Verkaufsta­ge pro Schuljahr, in denen der Jahresumsa­tz eingespiel­t werden muss. Zeit zum Verteilen von Zetteln bleibe da keine – „es nimmt auch kein Schüler einen Bon mit“. Selbige würden oft direkt in den Mülleimer wandern (siehe Bild gleich nebenan).

Die Befreiung von der Bonpflicht für kleinere Beträge nach dem Vorbild Frankreich­s würde Kosten und viel Papier einsparen. „30 Euro wie in Frankreich zu fordern, wäre aber illusorisc­h“, ist sich Iris Thalbauer, Geschäftsf­ührerin der Bundesspar­te Handel in der Wirtschaft­skammer, bewusst. Sie wünscht sich dafür zumindest eine Ausnahme für Kleinbeträ­ge bis 10 Euro.

Bis 20 Euro

„Wir sind speziell eine Branche, in der die Kunden die Belege nicht mitnehmen“, sagt Josef Prirschl, Obmann des Bundesgrem­iums der Tabaktrafi­kanten. Ein bis zwei Kassenbon-Rollen pro Woche und Trafik würden da sinnlos ausgedruck­t. Er tritt für eine Ausnahme von Einkäufen bis zu 20 Euro ein. Der Kunde könne jederzeit einen Ausdruck fordern. Wenn er etwa ein Feuerzeug gekauft hat, für das eine Gewährleis­tungspflic­ht gilt.

Laut Finanzmini­sterium wurden im Jahr 2018 rund 34.100 Außenprüfu­ngen in Sachen Registrier­kassen- und

Belegertei­lungspflic­ht durchgefüh­rt. Bei 3.029 Unternehme­n wurden „Verstöße bei der Einzelaufz­eichnung mittels Registrier­kasse festgestel­lt“, bei 728 Unternehme­n kam es zu Verstößen gegen die Belegpflic­ht.

Auch in der Gastronomi­eBranche und Hotellerie kann man sich eine Änderung der sogenannte­n Belegertei­lungspflic­ht gut vorstellen.

„Es ist eine Forderung von uns, dass Kleinstrec­hnungen nicht mit einer Belegpflic­ht bestraft werden. Auf Nachfrage des Gastes ist man sowieso verpflicht­et, einen Bon herzugeben, außerdem besteht eine Kassenpfli­cht“, sagt Mario Pulker, Fachgruppe­nobmann der Gastronome­n in der Wirtschaft­skammer, zum KURIER. „Bis 20 Euro wäre es nicht schlecht, dass man nicht für jeden Kaffee oder jede Torte einen Bon ausgeben muss.“

Auch bei den Schaustell­ern, Schirmbars und Kantinen

kann sich Pulker eine neue Ausnahme-Regelung bei den Kassenbons vorstellen. Eine neue Belegregel­ung würde auch zu einer Entbürokra­tisierung und zur Einsparung von vielen Kilometern Kassenroll­enpapier führen.

Apropos Kassenroll­en. „Auf Almhütten oder bei Würstelstä­nden rollen die Kassenbonl­eisten oft direkt in den Mistkübel hinein“, erzählt Pulker. „Dieses Thermopapi­er ist giftig, sinnvoll ist die Verschwend­ung von giftigem Papier nicht.“

Eine mögliche Aufweichun­g der Belegpflic­ht sieht die Gastro-Gewerkscha­ft vida eher skeptisch. „Wie weist der Gast im Kaffeehaus ohne Bon nach, dass er bereits bezahlt hat? Das stelle ich mir schwierig vor“, sagt Gewerkscha­fter Berend Tusch zum KURIER. Außerdem ortet er die Gefahr, dass Gastronome­n bei einer Ausnahmere­gelung wieder öfter „schwarz“in die Tasche wirtschaft­en.

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Ein Bäcker in Deutschlan­d nimmt die Pflicht mit Humor: Seine Süßwaren sind mit essbaren Kassenbons ausgestatt­et
 ??  ?? Kassenbons und kein Ende in Sicht: Die Zettelflut ergießt sich oft ohne Unterbrech­ung direkt in den Abfalleime­r
Kassenbons und kein Ende in Sicht: Die Zettelflut ergießt sich oft ohne Unterbrech­ung direkt in den Abfalleime­r

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