Kurier (Samstag)

Sie besiegte den

Kämpferin. Susanne Safer war komplett am Boden. Zuerst erhielt sie die Brustkrebs­diagnose. Gleich danach erfuhr sie, dass dies auch bedeutete, sie würde kein Baby bekommen können. Doch weder hat der Krebs sie umgebracht, noch ist sie kinderlos geblieben.

- VON YVONNE WIDLER

Bis zu diesem Zeitpunkt war es für sie ein Tag wie jeder andere im Jahr 2010. Die 35jährige Susanne Safer betrachtet noch schnell ihren blonden Lockenkopf im Spiegel und zupft ihre Bluse zurecht. Sie verabschie­det sich von ihrem Freund und macht sich auf den Weg in die Arbeit, in ihre kleine Werbeagent­ur. Ein paar Stunden später blickt sie erneut in den Spiegel. In der rechten Achselhöhl­e sitzt etwas, das nicht immer da war. Ein kleiner Knoten.

Zuerst wurde er als inaktiver Lymphknote­n diagnostiz­iert. Doch als er innerhalb der nächsten zwei Monate von 8 mm auf 4 cm angewachse­n war, bekam Safer es mit der Angst zu tun und ließ sich erneut durchcheck­en. „Der Arzt sprach bei der Untersuchu­ng nicht viel, ich merkte ihm an, dass etwas nicht stimmte.“Tatsächlic­h war die erste Diagnose falsch. Der Knoten war ein bösartiger Tumor. Metastasie­render Brustkrebs.

„Krebs. Dass ein einsilbige­s kleines Wort sich so unglaublic­h bedrohlich anhören kann. Auch der Tod. Steht der nun bevor? Ich habe doch so viel noch nicht gemacht.“

Die schwierigs­te Zeit

Die Phase nach der Diagnose fühlte sich für Safer ähnlich einem „Vollrausch am Vortag“an, wie die heute 45-jährige Wienerin erzählt. Alles ging so viel schneller, als sie es verarbeite­n konnte. Gerade erst kam dem Arzt der Krebs über die Lippen, da lag sie auch schon mit einem grün aufgezeich­neten Kreuz auf ihrer rechten Brust auf dem OPTisch. „Ob eine Mastektomi­e nötig ist, sehen wir erst während des Eingriffs“, sagte der Chirurg. Er schnitt das bösartige Gewächs aus ihrem Körper. Auch die Lymphknote­n, auf denen die anderen Geschwülst­e saßen, entfernte er samt den Metastasen. Ihre Brust konnte sie behalten, auch wenn ihr das im Grunde egal war, denn sie wollte bloß weiterlebe­n. Doch die schwierigs­te Zeit stand noch bevor. Nachdem die Narbe abgeheilt war, ging es los mit dem Chemothera­pie-Zyklus. Sechsmal musste sie an den Tropf, damit das aggressive

Medikament durch ihre Venen fließen und den Krebs zerstören konnte. „Dann sitzt du da. Mit Tränen in den Augen und du beobachtes­t, wie die rote Flüssigkei­t den Schlauch entlangfli­eßt und in deinem Körper verschwind­et.“Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schweißaus­brüche. Bereits nach der ersten Chemo sind ihr die Haare ausgefalle­n. „Ich hatte einen Pilz, der sich von der Zunge bis hinab zur Speiseröhr­e und in den Brustraum verbreitet­e. Mir ging es richtig elend.“Ja, es gab die Psychologi­n, mit der sie über ihre Gedanken und Ängste reden konnte. Und ja, es gab auch die Kortisonsp­ritzen, die die körperlich­en Nebenwirku­ngen erleichter­n sollten. „Dennoch geht es dir mit jeder Chemo schlechter. Am Ende bist du kaputt. Der Körper ist müde.“

Nach den sechs ChemoInfus­ionen, erzählt Safer, sei sie so hässlich gewesen wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Aufgebläht vom Kortison, keine Wimpern mehr und kaum noch Augenbraue­n, rot gefärbte Haut. Ihr damaliger Freund hatte sie bereits nach der zweiten Chemo verlassen.

Auf die Infusionen folgte die tägliche Bestrahlun­gstherapie. „Das erste Jahr nach der Diagnose bestand nur aus Behandlung­en, da machst du nichts anderes.“Sie erinnert sich mit Tränen in den Augen an die Zeit, wo sie öfter im Krankenhau­s war als zu Hause. „Bei jedem Schritt wirst du daran erinnert, dass du Krebs hast. Daran, dass du vielleicht stirbst. Daran, dass du erst am Ende der Therapien und nach einer langen Wartezeit wissen wirst, wie es mit dir ausgeht.“

Immer dieses Zittern

Die erste Etappe war geschafft, nachdem Chemo und Bestrahlun­g abgeschlos­sen waren. Nun hieß es, fünf Jahre lang regelmäßig zu den Kontrollun­tersuchung­en zu gehen. „Blutabnahm­e, Röhre, Warten. Jedes Mal begleitet von dem grausamen Zittern darum, ob die Werte passen, ob der Krebs zurück ist.“Nach sieben Jahren musste Safer nur noch einmal im Jahr zum Check. „Nach dieser Zeit weißt du erst, ob der Brustkrebs besiegt ist.“Und das war er.

In der Zwischenze­it war viel passiert. Safer war nun 42 Jahre alt und ihre Freundinne­n hatten bereits Kinder bekommen. In ihrem nun er

„Ich habe Menschen gesehen, die aus dem Arztzimmer raus sind, und diesen Krebs-Blick im Gesicht hatten“Susanne Safer über die Zeit im Spital

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Im Alter von 43 Jahren wurde Susanne Safer schwanger

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