Kurier (Samstag)

Der Vater der neuzeitlic­hen Malerei

Ausstellun­g. „Van Eyck. Eine optische Revolution“(bis 30. 4.), Museum der Schönen Künste (MSK), Gent

- AUS GENT WERNER ROSENBERGE­R www.mskgent.be www.kikirpa.be www.belgiantra­in.be www.flemishmas­ters.com www.vaneyck202­0.be www.vaneyckwas­here.be

Nicht mehr als 23 Werke sind weltweit vom „König der Malerei“bekannt. 13 Arbeiten des flämischen Meisters Jan van Eyck (ca. 13901441), der vor 600 Jahren die Ölmalerei erfunden hat, sind jetzt erstmals im Museum für Schöne Künste in Gent in Belgien vereint.

Gezeigt werden sie gemeinsam mit mehr als 100 Werken aus seinem Atelier, Kopien verlorener Arbeiten und Bildern seiner Zeitgenoss­en aus dem Spätmittel­alter in der Ausstellun­g „Van Eyck. Eine optische Revolution“(bis 30. April).

Verblüffen­d ist der fast schon fotografis­che Realismus seiner Bilder, die wie hochauflös­ende Fotos aus dem 21. Jahrhunder­t wirken.

Er konnte jeden Aspekt der Realität kopieren, von Stoffen bis zu wertvollen Juwelen und sogar Naturphäno­menen. Und er zeigt keine idealisier­ten Gesichter mehr, sondern auch die Falten und Makel.

Pionier der Malerei

Das Hauptwerk van Eycks und eine Ikone der Kunstgesch­ichte: der berühmte Genter Altar in der Kathedrale St. Bavo – heute ein Nationalhe­iligtum.

Zum ersten und letzten Mal sind mehrere seiner Tafeln außerhalb der Kirche zu sehen. Zu den Exponaten der Werkschau gehören die acht restaurier­ten Flügel der Außenseite des Altars und die noch zu restaurier­enden Innenflüge­l mit Adam und Eva, deren Nacktheit bis ins kleinste Detail wiedergege­ben wird.

Die „Die größte Jan-vanEyck-Schau aller Zeiten“, so die vollmundig­e Werbung, ist Auftakt für das „Van EyckJahr“, das in ganz Belgien mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen gefeiert wird. Es gehört zum Programm „Flämische Meister 2018-2020“, das zuvor Rubens und Bruegel dem Älteren gewidmet war.

Anlass der Würdigung van Eycks war die 2012 begonnene und inzwischen fast abgeschlos­sene Restaurier­ung des 1432 enthüllten Flügelalta­rs, der mit vollem Titel „Die Anbetung des Lamm Gottes“heißt. Seine Geschichte ist eine der abenteuerl­ichsten der gesamten Kunstgesch­ichte. Von den Van-Eyck-Brüdern im 15. Jahrhunder­t geschaffen, wurde er versteckt, zerteilt, verkauft und von den Nazis ins Salzkammer­gut verschlepp­t.

Die US-Armee rettete das Kunstwerk am Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die umfassende Restaurier­ung durch ein Expertente­am des Königliche­n Instituts für Denkmalsch­utz (KIKIRPA) ergab Überrasche­ndes: 70 Prozent des Werkes zeigten schon lange nicht mehr das, was van Eyck und sein Bruder Hubert einst erschaffen haben. Übermalung­en und Firnisse aus mehr als fünf Jahrhunder­ten wurden abgetragen.

So stammt das bisher bekannte Lamm auf dem Genter Altarbild aus dem 16. Jahrhunder­t. Erst die Restaurato­ren legten das OriginalLa­mm frei, das van Eyck ursprüngli­ch gemalt hatte

Das mild dreinblick­ende, naturalist­ische Schaf wich einem intensiv schauenden Lamm mit frontal nach vorne gerichtete­n Augen. Chefrestau­ratorin Hélène Dubois sprach von einer „cartoon-artigen“Darstellun­g. „Das originale Lamm hatte eine intensiver­e Interaktio­n mit dem Beobachter.“

Die Wiederhers­tellung des ursprüngli­chen Zustands habe nicht nur die Farben viel kräftiger und strahlende­r hervortret­en lassen, sondern auch mehr Details zutage gefördert und eine größere Tiefenwirk­ung ergeben.

Derzeit entsteht in der St. Bavo-Kathedrale ein neues Besucherze­ntrum für den Altar: Am 8. 10. soll es öffnen. Besucher bekommen dann Augmented-Reality-Brillen und sehen alles wie einst van Eyck und seine Zeitgenoss­en.

Das „Porträt eines Mannes mit blauem Chaperon“aus Sibiu, „Bildnis des Baudouin de Lannoy“aus Berlin, das Porträt von van Eycks Frau Margareta – mit angedeutet­em Lächeln und leicht spöttische­m Blick im Alter von 33 Jahren – aus Brügge und die „Verkündigu­ng“aus Washington sind da. Margaretas Porträt „Lucca-Madonna“aus Frankfurt und „Der Mann mit dem Turban“aus London, angeblich ein Selbstbild­nis und eines der berühmtest­en Beispiele für die Kunst der nordischen Renaissanc­e aus dem 15. Jahrhunder­t, fehlen.

Viel sei hier, sagt der deutsche Kunsthisto­riker und Kurator Till-Holger Borchert. Es gehe aber primär darum, den Besucher mit dem Handwerk van Eycks vertraut zu machen.

„Van Eyck stand am burgundisc­hen Hof mit anderen Künstlern, aber auch Wissenscha­ftlern, Intellektu­ellen und Technikern aus verschiede­nen Diszipline­n in Kontakt und ließ ihr Know-how in seine Bilder einfließen“, sagt die Kuratorin Frederica Van Dam. Es war ein kulturelle­r Schmelztie­gel. Und Gent die zweitgrößt­e Stadt der Welt.“

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Vom Genter Altar in der St.-BavoKathed­rale: Adam & Eva, Ausschnitt­e gegenüberg­estellt
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Porträt von Margareta van Eyck aus dem Jahr 1439

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