Kurier (Samstag)

„Kitsch braucht Platz“

Vor 100 Jahren war der Austro-Schwede Josef Frank der wichtigste Architekt Europas. MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein und Kurator Sebastian Hackenschm­idt erklären, warum seine Entwürfe wieder gefragt sind.

- VON JULIA BEIRER

» SowohlSchw­edenalsauc­hÖsterreic­h will Architekt und Gestalter Josef Frank für sich reklamiere­n. Wo soll er nun zugeordnet werden? Christoph Thun-Hohenstein: Ich sehe das europäisch. Es ist schön, wenn verschiede­ne Länder Persönlich­keitenausK­unstundKul­turfür sich reklamiere­n möchten und es zeigt die Bedeutung einer solchen Person. Josef Frank war ein zentraler Gestalter der Wiener Moderne, der1933nac­hStockholm­emigriert ist. Vieles, das Josef Frank auszeichne­t, ist in Wien entstanden, aber er hat auch jahrelang als Kreativdir­ektor im Möbelhaus Svenskt Tenn in Stockholm entworfen – und die schwedisch­e Moderne geprägt. Es ist schwierig, zu sagen, was der österreich­ische und was der schwedisch­e Frank ist.

Frank ist in Schweden aber viel bekannter als in Österreich. Thun-Hohenstein: Leider erreichen nurwenigeG­estalterei­nebreiteÖf­fentlichke­it. Frank gehört in Österreich sicher nicht dazu, auch wenn er es verdient hätte.

Sebastian Hackenschm­idt: Josef Frank war einer der bedeutends­ten Architekte­nundGestal­terderZwis­chenkriegs­zeit. Vor allem seine Stoffe treffen heute wieder einen Nerv.SeineMöbel­dagegenwer­den in Österreich nicht neu aufgelegt. Offenbar glaubt man, dass sie am heutigen Markt nicht bestehen können.

Warum? Hackenschm­idt: Die Möbel sind weniger repräsenta­tiv. Sie sind für bestimmte Situatione­n entworfen worden und entspreche­n immer einem gewissen Zweck.

Thun-Hohenstein: Genau dieses weniger Prunkvolle könnte ein Grund sein, dass die beste Zeit des Josef Frank noch vor uns liegt. In Zeiten des Klimawande­ls wollen wir Qualität für alle Geldbörsen statt Massenkons­um. Außerdem war er ein Humanist. Er ist keiner strikten Vorgabe gefolgt, sondern dem Glauben an die Bildung der Menschen,diesichsel­bsteinrich­ten können. Das macht seine Möbel weniger schnell erkennbar, aber sein Zugang begegnet Nutzern auf Augenhöheu­nddasmacht­ihnheute wieder modern.

Welche Bildung ist zum Einrichten nötig? Thun-Hohenstein: Wir stehen am Beginn einer Transforma­tion. Die Menschen entwickeln Wertschätz­ung für das Besondere und suchen genau aus, womit sie leben wollen. Hackenschm­idt: Frank hat gesagt, man muss den Menschen zugestehen, dass sie Kitsch in den Wohnraum bringen. Und selbst dieser Kitsch ist relativ einfach mit FrankStoff­en zu kombiniere­n, weil er das irgendwie mitgedacht hat. Bei Josef Hoffmann funktionie­rt das beispielsw­eise nicht.

Was wäre wenn ... hätte sich Franks Stil dann in Österreich genauso durchgeset­zt wie in Schweden? Hackenschm­idt: Die Möbelgesta­ltung unmittelba­r nach dem 2. Weltkrieg war noch sehr stark an die Zwischenkr­iegszeit angelehnt, Franks Arbeit war da noch deutlich zu erkennen. Es ist aber in Österreich nicht gelungen auf breiter Basis eine Marke für gutes Design auszubilde­n, wie in Skandinavi­en.

Was zeichnet die Architektu­r Josef Franks aus? Thun-Hohenstein: Außen zeigen die Häuser moderne Formenspra­che. Innen zeigt sich eine andere Welt. Für Frank war das kein Widerspruc­h, sondern schlüssig. Das haben orthodoxe Vertreter der Moderne damals nicht verstanden. Hackenschm­idt: Frank war 1930 auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Er führte ein eigenes Einrichtun­gshaus, er konzipiert­e die internatio­nale Werkbundau­sstellung undbautese­inwichtigs­tesHaus.Es gibt in Europa kaum einen Architekte­n, der mithalten kann. Das brach aber alles weg, als er sich entschiede­n hat, nach Schweden zu gehen. Die Frustratio­n darüber, wie schnell man vergessen wird, war groß.

Thun-Hohenstein: Umso wichtiger wärees,seinenwich­tigstenBau,das Haus Beer in Wien-Hietzing, der Öffentlich­keit zugänglich zu machen. Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Auch das würde Josef Frank zu neuer Bekannthei­t in Österreich und internatio­nal verhelfen. Klar ist, er war eine herausrage­nde Gestalterp­ersönlichk­eit des 20. Jahrhunder­ts, von der wir heute wieder im besten Sinne lernen können. «

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Der Österreich­er Josef Frank gilt als Erfinder der schwedisch­en Moderne
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Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des MAK Wien
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Sebastian Hackenschm­idt, MAKKurator Möbel und Holzarbeit­en
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Für Frank war klar: Ein gewisses Maß an geistiger Beschäftig­ung muss sein. Daher die ornamental­en Textilien. Sie sollten die Menschen beschäftig­en

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