NATURWUNDER
Big Island ist die größte Insel Hawaiis. Sie mag nicht so berühmt sein wie Maui oder Kauai, aber nirgendwo ist die Natur so vielfältig wie hier. Karge Mondlandschaft trifft auf Regenwald und nach einer Schneewanderung lockt der Sprung ins warme Meer.
Der 4.205 Meter hohe Mauna Kea mit seinem Observatorium. Während dort Schnee liegt, stürzen sich die Surfer im Tal in die Fluten
Der Freund, der frisch aus dem Hawaii-Urlaub zurückgekehrt ist, grinst wie ein Honigkuchenpferd. „Diese Insel ist sooo geil!“Normalerweise sind seine Zähne weiß, aber heute sind sie Strahler-80-Weiß, was wohl an der unverschämten Bräune liegt, die er aus Hawaii mitgebracht hat. „Wo warst du eigentlich genau?“, soll eine lockere Einstiegsfrage vom eigenen Elend – weiße Haut, graue Gesichtsfarbe – ablenken. „Wir haben uns mehrere Inseln angesehen“, sagt er ambitioniert, schaut dann aber mitleidig ins Gesicht seines grauen Gegenübers und schaltet einen Gang zurück: „Wenn man die weite Reise schon macht, muss man das ausnützen. Es sind doch 17 Stunden Flug.“Dann tauchen wir ein in die Welt der Insulaner, besuchen Ohau mit seinen Megawellen, dem weltberühmten Waikiki Beach und der
Hauptstadt Honolulu. Später folgt ein Abstecher nach Maui, „die“Surferinsel schlechthin – und zum Whale Watching ist sie auch Weltklasse. „Beeindruckende Bilder“, schwärmt der Freund. „Aber landschaftlich am faszinierendsten fand ich Big Island.“Dort wechselt die Umgebung ihr Aussehen so schnell wie im April das Wetter. Gerade hatte man noch das üppig grüne Irland vor Augen, wenig später wähnt man sich mitten in einer Steppenlandschaft. Steppe und Irland auf einmal? Sachen gibt’s, die gibt’s nicht!
Alle Klimazonen dieser Welt
Big Island ist besser bekannt unter ihrem eigentlichen Namen Hawaii. Aber das ist verwirrend, weil der ganze Inselstaat mit seinen 137 Eilands und Atollen so heißt. Deshalb gibt es zu Recht den Zweitnamen Big Island. Die größte Insel des ganzen Archipels, 150 Kilometer lang, 122 breit, ist groß genug, um Bühne für ein wahres Naturspektakel zu sein. Auf dem Programm stehen nicht weniger als elf von insgesamt 13 Klimazonen dieser Welt. In den Hauptrollen: tropische Regenwälder, üppig grüne Täler und Sumpfgebiete im Landesinneren. Zum Drüberstreuen findet man hier auch Schnee und natürlich das Meer. Kalt-warm in unschuldigster Form. Theoretisch stehen Urlauber am Vormittag mit Pudelmütze im Schnee und liegen nachmittags mit Badehose in der Sonne oder reiten auf den Wellen.
Der Österreich-Hawaiianer führt dazu die für Surfer typische Geste vor: geschlossene Faust, abgespreizter Daumen, gehobener kleinen Finger. „Hang Loose“, erklärt er den unter Insidern weltweit verbreiteten Gruß. Und schon switcht er in seiner Erinnerung direkt ins Hochgebirge zum Gipfel des Mauna Kea. Der ist nicht nur der höchste Berg der Insel, sondern des ganzen Archipels.
Einst wurde an der Makalawena Bay, im Westen der Insel, der Boden von Lava zerstört. Aber die Natur erobert sich ihr Terrain zurück 4.205 Meter ragt der Mauna Kea in den Himmel, und misst man seine Höhe von der Basis am Meeresgrund, bringt er es sogar auf 10.000 Meter. Viele sprechen von ihm deshalb als höchstem Berg der Welt, der es wirklich in sich hat. Big Island ist nämlich eine Vulkaninsel, die vor rund einer Million Jahren aus der Lava von fünf Vulkanen, darunter der Mauna Kea, entstanden ist. Seit Tausenden Jahren schlummert der Feuerberg aber friedlich vor sich hin. Am friedlichsten, als der Zufahrtsweg zur Spitze von Demonstranten blockiert worden war.
Mega-Teleskop am heiligen Ort Grund dafür war ein 30-Meter-Teleskop, kurz „TMT“genannt, das dort positioniert hätte werden sollen. Auf dem Berg befindet sich nämlich mit dem ‚Mauna-Kea-Observatorium‘ eine der bedeutendsten astronomischen Beobachtungsstationen der Welt.
Seine Höhe und die damit verbundene klare Luft machen den Mauna Kea zum idealen Spot zur Erforschung des Alls. Dicke Luft herrscht deswegen aber innerhalb der Bevölkerung, weil der Berg für Hawaiianer heilig ist und schon die bereits vorhandenen Teleskope maximal geduldet werden. Als offenes Geheimnis gilt außerdem, dass es den elf Nationen bei ihren Forschungen nicht nur um Daten über das Sonnensystem, sondern auch um Militärisches geht. Aber der Widerstand der Einheimischen, an dem sich auch prominente Hawaiianer wie ‚Game-of-Thrones‘-Star Jason Momoa und Sängerin Nicole Scherzinger im Juli und August 2019 beteiligten, hat sich offenbar ausgezahlt. Das „TMT“soll nun angeblich auf dem „Roque de los Muchachos“, auf der Kanaren-Insel La Palma, seine Heimat finden. Die letzten Bau-Genehmigungen wurden Ende November 2019 erteilt.
„Ich habe dir übrigens etwas mitgebracht“, sagt der Heimkehrer und holt einen erdig braunen Linoldruck aus einer Tasche. „Dietrich Varez, ein Künstler aus Volcano, der sich mit lokalen Sagen auseinandersetzt.“Um die Verehrung der Insulaner für ihre Berge zu verstehen, muss man Vulkangöttin Pele begegnen, jener Frau, die auch auf dem Druck zu sehen ist. Nach zahlreichen Kämpfen, Liebschaften und einer langen Reise, hat Pele, so erzählt es die Sage, ihre neue Heimat im Krater des Kilauea gefunden. Er steht zwar mit seinen 1.247 Metern im Schatten des großen Bruders Mauna Kea, hat aber sein eigenes Alleinstellungsmerkmal. Der Kilauea gilt als einer der aktivsten Vulkane der Welt. Im „Volcanoes National Park“gelegen, ist er jährlich Anziehungspunkt für Millionen von Touristen. Vor allem, wenn die Natur, wie hier so oft, alle Stückeln spielt. Dann spuckt Pele derart, dass sich ein