Ziemlich patschert, aber kein Skandal
Wie sich eine eher unbedeutende Rochade im Kulturbereich zu einem Pseudo-Skandal für Türkis und Grün auswuchs.
Das war schlechtes Timing und insgesamt eine PRPanne der sonst so inszenierungsfreudigen Türkisen: Eine routinemäßige Neubestellung von Aufsichtsräten im Kulturbereich wurde diese Woche so ungeschickt kommuniziert, dass sie den Neos Gelegenheit bot, einen Skandal daraus zu konstruieren. Was dann auch die Regierungsklausur in den Schatten stellte.
Wäre es nicht so patschert gelaufen, hätte die grüne Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek die Personalrochade sogar als Erfolg „verkaufen“können: mehr Frauen statt verdienter älterer Herren aus dem großkoalitionären Kosmos. Also zum Beispiel Kunstmanagerin Lilli Hollein statt des früheren Verbund-Managers Hannes Sereinig als Aufsichtsratsvorsitzende im Museum für angewandte Kunst. Dabei geht es nicht einmal um aufregende Gagen oder Kunstexpertise, sondern um ehrenamtliches Engagement mit großer finanzieller Verantwortung, was mit Sitzungsgeldern zwischen 150 und 200 Euro abgegolten wird. Die Funktionsperioden aller Beteiligten waren übrigens bereits Ende 2019 abgelaufen.
Auf dem türkisen Altar geopfert? Europaministerin Karoline Edtstadler war bis zur Änderung des Bundesministeriengesetzes am Mittwoch provisorisch mit der Kultur betraut. Es war unnötig, dass Lunacek ihr die Verlautbarung der koalitionär vereinbarten Besetzung an diesem letzten Tag überließ. Das machte kein gutes Bild, war doch allgemein bekannt, dass der Albertina-Aufsichtsratsvorsitzende, Ex-Raiffeisen-Manager und Ex-Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, der aktuellen ÖVP-Spitze ausnehmend kritisch gegenübersteht. Logisch, dass er (der für die Albertina erfolgreich ein Sponsoren-Netz aufgezogen hat) nun als türkises Opfer ins mediale Scheinwerferlicht geraten ist. Stattdessen ziehen Ex-Akademie-Vizerektorin Andrea Braidt sowie Heute-Chefin und Kunstsammlerin Eva Dichand in den Aufsichtsrat ein.
Der anschließende „Shitstorm“traf auch die Grünen, von denen etliche auf Distanz zur Entscheidung gingen. Regieren bedeutet aber auch, manche Personalentscheidung zu treffen, mit der man keinen Beliebtheitspreis gewinnt, und Koalitionskompromisse zu schließen. Neu regieren könnte natürlich auch heißen, den „Postenschacher“der vergangenen Jahrzehnte nicht fortzuführen. Besonders übel war er, wenn Personen mit mangelnder Kompetenz in höchste Ämter kamen. Übrigens kein FPÖ-Unikum. Wenn die Grünen schon bei machtpolitisch so unbedeutenden Besetzungen kalte Füße kriegen, kann das noch heiter werden. Aber sie können in ihrem Zuständigkeitsbereich ja einfach die vielen Roten, Schwarz-Türkisen und ein paar versprengte Blaue im Amt belassen. Oder immer einen Sündenbock für Verlautbarungen suchen.