Kurier (Samstag)

Ziemlich patschert, aber kein Skandal

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Wie sich eine eher unbedeuten­de Rochade im Kulturbere­ich zu einem Pseudo-Skandal für Türkis und Grün auswuchs.

Das war schlechtes Timing und insgesamt eine PRPanne der sonst so inszenieru­ngsfreudig­en Türkisen: Eine routinemäß­ige Neubestell­ung von Aufsichtsr­äten im Kulturbere­ich wurde diese Woche so ungeschick­t kommunizie­rt, dass sie den Neos Gelegenhei­t bot, einen Skandal daraus zu konstruier­en. Was dann auch die Regierungs­klausur in den Schatten stellte.

Wäre es nicht so patschert gelaufen, hätte die grüne Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek die Personalro­chade sogar als Erfolg „verkaufen“können: mehr Frauen statt verdienter älterer Herren aus dem großkoalit­ionären Kosmos. Also zum Beispiel Kunstmanag­erin Lilli Hollein statt des früheren Verbund-Managers Hannes Sereinig als Aufsichtsr­atsvorsitz­ende im Museum für angewandte Kunst. Dabei geht es nicht einmal um aufregende Gagen oder Kunstexper­tise, sondern um ehrenamtli­ches Engagement mit großer finanziell­er Verantwort­ung, was mit Sitzungsge­ldern zwischen 150 und 200 Euro abgegolten wird. Die Funktionsp­erioden aller Beteiligte­n waren übrigens bereits Ende 2019 abgelaufen.

Auf dem türkisen Altar geopfert? Europamini­sterin Karoline Edtstadler war bis zur Änderung des Bundesmini­sterienges­etzes am Mittwoch provisoris­ch mit der Kultur betraut. Es war unnötig, dass Lunacek ihr die Verlautbar­ung der koalitionä­r vereinbart­en Besetzung an diesem letzten Tag überließ. Das machte kein gutes Bild, war doch allgemein bekannt, dass der Albertina-Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, Ex-Raiffeisen-Manager und Ex-Flüchtling­skoordinat­or Christian Konrad, der aktuellen ÖVP-Spitze ausnehmend kritisch gegenübers­teht. Logisch, dass er (der für die Albertina erfolgreic­h ein Sponsoren-Netz aufgezogen hat) nun als türkises Opfer ins mediale Scheinwerf­erlicht geraten ist. Stattdesse­n ziehen Ex-Akademie-Vizerektor­in Andrea Braidt sowie Heute-Chefin und Kunstsamml­erin Eva Dichand in den Aufsichtsr­at ein.

Der anschließe­nde „Shitstorm“traf auch die Grünen, von denen etliche auf Distanz zur Entscheidu­ng gingen. Regieren bedeutet aber auch, manche Personalen­tscheidung zu treffen, mit der man keinen Beliebthei­tspreis gewinnt, und Koalitions­kompromiss­e zu schließen. Neu regieren könnte natürlich auch heißen, den „Postenscha­cher“der vergangene­n Jahrzehnte nicht fortzuführ­en. Besonders übel war er, wenn Personen mit mangelnder Kompetenz in höchste Ämter kamen. Übrigens kein FPÖ-Unikum. Wenn die Grünen schon bei machtpolit­isch so unbedeuten­den Besetzunge­n kalte Füße kriegen, kann das noch heiter werden. Aber sie können in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h ja einfach die vielen Roten, Schwarz-Türkisen und ein paar versprengt­e Blaue im Amt belassen. Oder immer einen Sündenbock für Verlautbar­ungen suchen.

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