Zu Besuch im Reparatur-Café
Die Reparatur-Cafés erfreuen sich zunehmender Beliebtheit – jetzt auch in Österreich. Das hat mehrere Gründe, wie ein Lokalaugenschein zeigt
Österreich. Alte Geräte reparieren erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Der KURIER besuchte einige Protagonisten.
Der Herr Peter hat für alle ein offenes Ohr – und auch den passenden Schraubenzieher. Der agile Elektrotechniker in Pension hilft seit zweieinhalb Jahren ehrenamtlich beim Reparieren. Etwa, wenn das Stromkabel des vertrauten Küchenmixers nicht mehr leiten will oder Feuchtigkeit über die Jahre in das Mikrofon des Handys gekrochen ist.
Donnerstagnachmittag im Reparatur-Café schraube 14 in Wien 14, das im Keller des R. U. S. Z. (Reparatur- und Service-Zentrum) aktiv ist. Der Keller ist wie ein großer Bastelraum eingerichtet. Auf dem großen Arbeitstisch in der Mitte herrscht kreatives Chaos: Werkzeug liegt neben Ersatzteilen, das Strommessgerät steht zwischen Kontaktspraydose und Kaffeetasse.
Rund um den Tisch haben sich die, die etwas reparieren wollen, versammelt. Sie alle verbreiten eine sympathischbetriebsame Stimmung. Der Herr Peter, der die Erfahrung eines ganzen Berufslebens als Techniker in die Waagschale werfen kann, weiß genau, warum das so ist.
Er selbst freut sich: Wenn er wieder einmal einen alten Toaster, eine Kaffeemaschine oder einen Wasserkocher vor der Müllhalde retten kann. Und wenn er mit seinem Know-how den Besitzern der Gerätschaften unter die Arme greifen kann. Und am Ende sind zumeist alle zufrieden.
„Wir haben im Café eine Erfolgsquote von 85 Prozent“, freut sich Sepp Eisenriegler, der diese Service-Einrichtung in der Lützowgasse 12 vor bald sieben Jahren gegründet hat und damit wieder einmal seiner Zeit um ein Haucherl voraus war. „Seit zwei Jahren schießen die Reparatur-Cafés in allen Bundesländern wie die Schwammerln nach dem Regen aus dem Boden.“
Fast fünfzig solcher Treffpunkte gibt es bereits – in allen neun Bundesländern. Sie sind ständig aktuell auf
www.RepaNet.at aufgelistet (eine Auswahl siehe rechts).
Der heute 67-Jährige war schon dabei, als sich in den 1980er-Jahren Öko-Bewegte zusammentaten, um die bis heute agile Umweltberatung ins Leben zu rufen. Mit dem Reparatur-Café will er drei Ziele gleichzeitig erreichen: „Die Ressourcen schonen, indem wir die Lebensdauer der Geräte verlängern. Unsere Kunden ermächtigen, indem wir ihnen beim Reparieren helfen. Und nicht zuletzt die Wut der Konsumenten auf die Industrie kanalisieren, indem wir dem Reparieren einen sozialen Aspekt hinzufügen.“
Mit schraube 14 wollte Sepp Eisenriegler keinesfalls eine Gratis-Konkurrenz zu den bestehenden Reparaturbetrieben schaffen. Deshalb lässt er die Besucher beim erstmaligen Besuch höflich und doch bestimmt wissen, was nicht geht: „Einen Kaffee runterdrücken und untätig zuschauen, wie ein anderer Ihr Gerät repariert.“
Ein Liebesbeweis
Bei den meisten ist das gar nicht nötig. Der Jus-Student Matthias ist extra aus dem 2. Bezirk mit dem Rad angereist, um dem elektrischen Haarentferner seiner Freundin wieder Leben einzuhauchen. (Was für ein Liebesbeweis!)
Während er kurz warten muss, erzählt Matthias, dass er gerne selbst Hand anlegen wird, „wenn ich denn kann“. Marianne nickt zustimmend. Die ältere Dame ist heute mit einer Nachttischlampe, die nicht mehr leuchten will, und einer Kaffeemaschine, die das Wasser nicht mehr über den Filter laufen lässt, angerückt. Sie drückt aus, was viele hier im Gemeinschaftsraum zum Kommen bewegt: „Ich sehe nicht ein, warum man alles, was kaputt wird, sofort zum Müll bringen soll, um das nächste Trumm zu kaufen, das noch schneller kaputtgeht.“
Ihre Sitznachbarin stimmt ihr zu: „Es ist doch schon ein Wahnsinn. Es kommen immer mehr Produkte in unsere Märkte, die immer früher ihren Geist aufgeben.“Von mehreren Seiten setzt jetzt Klage über Waschmaschinen, Geschirrspüler und andere Markenprodukte ein, die bald nach Ende der Garantiezeit ihren Betrieb einstellen. Freundschaften gestiftet Schnell kommt man hier mit Gleichgesinnten ins Gespräch, auch Ältere mit Jüngeren. Was Sepp Eisenriegler freut: „Ich glaube, dass wir noch keine Ehe gestiftet haben, Freundschaften ganz sicher.“
Versöhnlich darf auch diese Geschichte enden: Irgendwann will der verehrte CD-Player seiner Besitzerin nicht mehr erlauben, CDs in ihn reinzuschieben. Ein ebenso ehrenamtlich tätiger Kollege vom Herrn Peter nimmt den stillen Verweigerer in seine Obhut und stellt bald fest, dass ein Keilriemen im Laufe der Jahre porös geworden ist. So einen Riemen kann man noch immer kaufen, und er kostet auch nicht die Welt. Die Besitzerin des CD-Players strahlt heute über das ganze Gesicht: „Wissen Sie, was er gekostet hat? Sechs Euro fünfzig! Ist das nicht toll?“
„Was nicht geht: Einen Kaffee runterdrücken und untätig zuschauen, wie ein anderer Ihr Gerät repariert“
Sepp Eisenriegler Mastermind im R. U. S. Z.