Kurier (Samstag)

Justizsche­lte mit Nebenwirku­ng

- Daniela.kittner@kurier.at

Die Kanzlerkri­tik immunisier­t die Korruption­sjäger und lenkt den Fokus auf Postenscha­cher – auch durch die ÖVP

Nachdem einige Medien die Vertraulic­hkeit ohnehin gebrochen haben, eine Zusammenfa­ssung dessen, was am Abend des 20. Jänner in der Politische­n Akademie geschah: Sebastian Kurz war gerade wieder Kanzler geworden. Er gab vor einigen Dutzend leitenden Politik-Redakteure­n einen Rückblick auf seine Entscheidu­ng für die Grünen als Regierungs­partner und auf die Koalitions­verhandlun­gen. Viele Themen kamen auf den Tisch, auch seitens der Journalist­en.

Off-Record-Gespräche sind internatio­nal üblich und folgen allgemein akzeptiert­en Vertraulic­hkeitsrege­ln. So führte Kurz zuletzt auch in Berlin eines. Mehr als ein Dutzend deutsche Journalist­en kamen an die österreich­ische Botschaft und stellten Fragen. Die Journalist­en erfahren bei solchen Gelegenhei­ten Zusammenhä­nge und Details, die ein Politiker offiziell nicht sagt. Im Grunde dient es der Recherche.

Hintergrun­dgespräche liefern oft auch Hinweise auf Konfliktzo­nen oder sonstige Brenzligke­iten, wo es gilt, wachsam zu sein. Die Aussagen von Kurz über die Justiz fallen in diese Kategorie. Er sprach davon, dass die SPÖ seit Kreisky die Strategie verfolge, Parteigäng­er in Institutio­nen zu postieren, die ihr dafür Dank abstatten. So auch in der Justiz. Konkret bezichtigt­e er die Korruption­sstaatsanw­altschaft, im Zusammensp­iel mit bestimmten Medien Parteipoli­tik zu betreiben. Kurz schilderte einige, aus seiner Sicht untergriff­ige Vorkommnis­se.

Es waren übrigens ein Kollege von der Presse und der KURIER, die auf die Justizsche­lte des Kanzlers sofort und mit heftigen Nachfragen reagierten. Kurz lieferte die Aussage nach, wonach er nicht daran denke, irgendwie tätig zu werden, denn „das wäre ja ein Eingriff in die Unabhängig­keit der Justiz“. Er wolle jedoch die Journalist­en auf parteipoli­tische Schlagseit­en „sensibilis­ieren“.

Den Verfassung­sgerichtsh­of hat er, entgegen Behauptung­en, nicht kritisiert, sondern den Umstand, dass die Parteien diesen politisch besetzen, sodass man von jedem Höchstrich­ter das Parteibuch kenne.

ÖVP-Meistersch­aft

War es Absicht? War es Emotion nach einem Wahlkampf voller Skandalisi­erung? Was immer Kurz zu seinen Aussagen trieb, eines ist klar: Er stellte damit die Korruption­sjäger erst recht unter einen Glassturz. Es musste ihm bewusst sein, dass Journalist­en aus allen seriösen Medien des Landes nun noch genauer hinschauen würden, was bei der – laut Regierungs­programm – „Evaluierun­g“der Korruption­sbekämpfun­g herauskomm­en wird.

Und wenn dem Kanzler schon so vor parteipoli­tischen Postenbese­tzungen in der Justiz graut, dann könnte er mit gutem Beispiel vorangehen: Die ÖVP genießt in dieser Disziplin den Ruf der Meistersch­aft.

VON DANIELA KITTNER

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