Höhepunkt des Bombenkriegs
Oliviero Toscani (77), Starfotograf
Dresdner Stadtführer sind stolz: Wenn sie Besuchern dieser Tage den Platz rund um die Frauenkirche zeigen, der wie ein perfektes Baujuwel aus einer anderen Zeit wirkt, betonen Sie gerne, dass die zuletzt fertiggestellte Fassade keine sechs Monaten alt ist. Fake-Barock oder später Wiederaufbau, denn vor 75 Jahren wurde die historische Altstadt zerstört – Frauenkirche, Zwinger, Residenzschloss, Semperoper ... alles in Schutt und Asche. Elb-Florenz, die prächtige Stadt, war nicht mehr.
Bis Anfang 1945 war Dresden weitgehend von alliierten Luftangriffen verschont geblieben. Am Nachmittag des 13. Februar aber stiegen von englischen Flughäfen aus Hunderte Lancaster-Bomber in Richtung Nazi-Deutschland auf. Um 21.45 Uhr wurde Fliegeralarm ausgelöst, 20 Minuten später tauchten die ersten Flugzeuge am wolkenlosen Nachthimmel auf.
Der Einsatz basierte auf einer Direktive der Royal Air Force: Brandbomben sollten vermehrt über dicht bebautem Wohngebiet der warfen in den ersten zwei Tagen 1.478 Tonnen Sprengund 1.182 Tonnen Brandbomben sowie Luftminen auf die Stadt ab warfen
tagsüber ab. Am 15. Februar folgte eine Angriffswelle von 210 USamerikanischen B-17-Bombern, die 463 Tonnen Sprengbomben abwarfen der
in der Nacht vom 13. zum 14. Februar und am folgenden Tag
Postplatz abgeworfen werden. Denn seit Sommer 1944 waren mehr Soldaten gefallen als jemals zuvor. „Die Heftigkeit der Bombardierung sollte den Widerstandswillen schwächen“, sagt Thomas Widera, Historiker vom HannahArendt-Institut in Dresden. „Man wollte die Kapitulation erreichen, damit nicht bis zum letzten Mann gekämpft werden muss.“
Verheerende Luftangriffe auf Köln, Hamburg, Berlin und weitere 150 Städte hatten die erhoffte Wirkung verfehlt: Die Deutschen erhoben sich nicht gegen das NaziRegime. Und so wurde die sächsische Stadt eher zufällig Höhepunkt des Bombenkrieges. Widera: „Dresden war zur Festung erklärt worden und sollte unbedingt verteidigt werden. Es ging um Kriegsziele wie Bahnanlagen. Die Alliierten wollten den letzten funktionierenden
Semperoper
Zwinger
Ein Feuersturm kostet sehr viele Opfer
Elbe
Residenzschloss
Striezelmarkt
Elbe
B r ü h
T e ls ch rr e a sse
Neumarkt
Krankenhaus und Bahnhof werden getroffen Verkehrsknotenpunkt ausschalten.“Es gab zwar Industrieund Rüstungsbetriebe, Hauptziel aber war die Altstadt mit ihren berühmten Bauten. Symbolisch
Kein anderer Bombenangriff ist so symbolisch geworden wie der vom 13./14. Februar: Das liegt an der Spekulation über die Toten. Teil der NS-Propaganda war es, HorrorZahlen zu verbreiten. Von 100.000 bis 200.000 Opfern, die im Feuersturm danach starben, war die Rede. Nachdem Rechtsextremisten die falschen Angaben immer wieder verwendeten, wurde 2004 eine Kommission berufen, um die Zahl der Kriegstoten abschließend zu klären. „Mit vielfältigen Methoden “, sagt Widera, der kamen im Februar 1945 bei den Luftangriffen auf Dresden ums Leben. Die barocke Stadt versank zu großen Teilen in Schutt und Asche 2006 1945 Totale Zerstörung
Frauenkirche
Mitglied dieser Kommission war. Auchmitnaturwissenschaftlichen: ForscherderTUFreibergsolltenanhand von Fundstücken aus den Kellern – Glas, Email,
GESCHICHTE Steine – die Temperaturen klären. Denn eine ZUM
ANSCHAUEN wichtige Frage war: Ist es
Samstag überhaupt möglich, dass
Jeden KURIER 100.000 Menschen in der im Hitze des Feuers rückstandslos verbrannt sind?
Widera: „Horrorszenarien mit Temperaturen von mehr als 2.000 °C. geisterten herum“. Physiker und Brandschutzexperten kamen zu einem anderen Schluss: „Es gab weder auf der Straße noch in den Kellern, wo sich die Menschen aufhielten, Temperaturen,
die ausreichen, dass Menschen rückstandslos verbrennen. Die bereits nach 1945 ermittelten Zahlen wurden bestätigt.“Der Historiker war übrigens kein Befürworter des Wiederaufbaus der Frauenkirche. Die Ruine wäre ein wichtiges Mahnmal gegen den Krieg gewesen. „Wie die Gedächtniskirche in Berlin. Aber es geht immer wieder ums Vergessen. Man schaut halt lieber Glanz und Glamour des Barock an.“
Wobei gerade die Frauenkirche mittlerweile ein Symbol der Friedensbewegung geworden ist. Apropos Symbol: Das goldene Kreuz auf der monumentalen Kuppel wurde vom Sohn eines britischen Fliegers, der Dresden bombardiert hatte, geschmiedet.
Die Frauenkirche wurde durch einen dramatischen Feuersturm in Folge der Luftangriffe schwer beschädigt und stürzte am Tag danach ausgebrannt in sich zusammen. In der DDR war die Ruine ein Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung. Auch der Neumarkt rundum blieb unbebaut
Erst zwischen 1993 und 2005 wurde die Kirche, teils mit den alten Steinen, wiederaufgebaut. Die Häuser am Neumarkt folgten
Von Benetton gefeuert. Am Montag äußerte sich der Kreativ-Direktor der Benettons im Radio abfällig über den Brückeneinsturz von Genua mit 43 Toten. „Aber wen kümmert es schon, wenn eine Brücke einstürzt, lasst uns aufhören.“Die Benettons feuerten ihn, denn ihre Firma war für die Instandhaltung der Brücke verantwortlich.