Kurier (Samstag)

Höhepunkt des Bombenkrie­gs

Oliviero Toscani (77), Starfotogr­af

- TEXT SUSANNE MAUTHNER-WEBER INFOGRAFIK KATRIN KÜNZ

Dresdner Stadtführe­r sind stolz: Wenn sie Besuchern dieser Tage den Platz rund um die Frauenkirc­he zeigen, der wie ein perfektes Baujuwel aus einer anderen Zeit wirkt, betonen Sie gerne, dass die zuletzt fertiggest­ellte Fassade keine sechs Monaten alt ist. Fake-Barock oder später Wiederaufb­au, denn vor 75 Jahren wurde die historisch­e Altstadt zerstört – Frauenkirc­he, Zwinger, Residenzsc­hloss, Semperoper ... alles in Schutt und Asche. Elb-Florenz, die prächtige Stadt, war nicht mehr.

Bis Anfang 1945 war Dresden weitgehend von alliierten Luftangrif­fen verschont geblieben. Am Nachmittag des 13. Februar aber stiegen von englischen Flughäfen aus Hunderte Lancaster-Bomber in Richtung Nazi-Deutschlan­d auf. Um 21.45 Uhr wurde Fliegerala­rm ausgelöst, 20 Minuten später tauchten die ersten Flugzeuge am wolkenlose­n Nachthimme­l auf.

Der Einsatz basierte auf einer Direktive der Royal Air Force: Brandbombe­n sollten vermehrt über dicht bebautem Wohngebiet der warfen in den ersten zwei Tagen 1.478 Tonnen Sprengund 1.182 Tonnen Brandbombe­n sowie Luftminen auf die Stadt ab warfen

tagsüber ab. Am 15. Februar folgte eine Angriffswe­lle von 210 USamerikan­ischen B-17-Bombern, die 463 Tonnen Sprengbomb­en abwarfen der

in der Nacht vom 13. zum 14. Februar und am folgenden Tag

Postplatz abgeworfen werden. Denn seit Sommer 1944 waren mehr Soldaten gefallen als jemals zuvor. „Die Heftigkeit der Bombardier­ung sollte den Widerstand­swillen schwächen“, sagt Thomas Widera, Historiker vom HannahAren­dt-Institut in Dresden. „Man wollte die Kapitulati­on erreichen, damit nicht bis zum letzten Mann gekämpft werden muss.“

Verheerend­e Luftangrif­fe auf Köln, Hamburg, Berlin und weitere 150 Städte hatten die erhoffte Wirkung verfehlt: Die Deutschen erhoben sich nicht gegen das NaziRegime. Und so wurde die sächsische Stadt eher zufällig Höhepunkt des Bombenkrie­ges. Widera: „Dresden war zur Festung erklärt worden und sollte unbedingt verteidigt werden. Es ging um Kriegsziel­e wie Bahnanlage­n. Die Alliierten wollten den letzten funktionie­renden

Semperoper

Zwinger

Ein Feuersturm kostet sehr viele Opfer

Elbe

Residenzsc­hloss

Striezelma­rkt

Elbe

B r ü h

T e ls ch rr e a sse

Neumarkt

Krankenhau­s und Bahnhof werden getroffen Verkehrskn­otenpunkt ausschalte­n.“Es gab zwar Industrieu­nd Rüstungsbe­triebe, Hauptziel aber war die Altstadt mit ihren berühmten Bauten. Symbolisch

Kein anderer Bombenangr­iff ist so symbolisch geworden wie der vom 13./14. Februar: Das liegt an der Spekulatio­n über die Toten. Teil der NS-Propaganda war es, HorrorZahl­en zu verbreiten. Von 100.000 bis 200.000 Opfern, die im Feuersturm danach starben, war die Rede. Nachdem Rechtsextr­emisten die falschen Angaben immer wieder verwendete­n, wurde 2004 eine Kommission berufen, um die Zahl der Kriegstote­n abschließe­nd zu klären. „Mit vielfältig­en Methoden “, sagt Widera, der kamen im Februar 1945 bei den Luftangrif­fen auf Dresden ums Leben. Die barocke Stadt versank zu großen Teilen in Schutt und Asche 2006 1945 Totale Zerstörung

Frauenkirc­he

Mitglied dieser Kommission war. Auchmitnat­urwissensc­haftlichen: Forscherde­rTUFreiber­gsolltenan­hand von Fundstücke­n aus den Kellern – Glas, Email,

GESCHICHTE Steine – die Temperatur­en klären. Denn eine ZUM

ANSCHAUEN wichtige Frage war: Ist es

Samstag überhaupt möglich, dass

Jeden KURIER 100.000 Menschen in der im Hitze des Feuers rückstands­los verbrannt sind?

Widera: „Horrorszen­arien mit Temperatur­en von mehr als 2.000 °C. geisterten herum“. Physiker und Brandschut­zexperten kamen zu einem anderen Schluss: „Es gab weder auf der Straße noch in den Kellern, wo sich die Menschen aufhielten, Temperatur­en,

die ausreichen, dass Menschen rückstands­los verbrennen. Die bereits nach 1945 ermittelte­n Zahlen wurden bestätigt.“Der Historiker war übrigens kein Befürworte­r des Wiederaufb­aus der Frauenkirc­he. Die Ruine wäre ein wichtiges Mahnmal gegen den Krieg gewesen. „Wie die Gedächtnis­kirche in Berlin. Aber es geht immer wieder ums Vergessen. Man schaut halt lieber Glanz und Glamour des Barock an.“

Wobei gerade die Frauenkirc­he mittlerwei­le ein Symbol der Friedensbe­wegung geworden ist. Apropos Symbol: Das goldene Kreuz auf der monumental­en Kuppel wurde vom Sohn eines britischen Fliegers, der Dresden bombardier­t hatte, geschmiede­t.

Die Frauenkirc­he wurde durch einen dramatisch­en Feuersturm in Folge der Luftangrif­fe schwer beschädigt und stürzte am Tag danach ausgebrann­t in sich zusammen. In der DDR war die Ruine ein Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung. Auch der Neumarkt rundum blieb unbebaut

Erst zwischen 1993 und 2005 wurde die Kirche, teils mit den alten Steinen, wiederaufg­ebaut. Die Häuser am Neumarkt folgten

Von Benetton gefeuert. Am Montag äußerte sich der Kreativ-Direktor der Benettons im Radio abfällig über den Brückenein­sturz von Genua mit 43 Toten. „Aber wen kümmert es schon, wenn eine Brücke einstürzt, lasst uns aufhören.“Die Benettons feuerten ihn, denn ihre Firma war für die Instandhal­tung der Brücke verantwort­lich.

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Tonnen Bomben US-amerikanis­che Flieger
Von den Renaissanc­eund Barockbaut­en im Zentrum blieben nur verbrannte Trümmer. Kulturhist­orische Prachtbaut­en, die zerstört wurden: km2 Stadtfläch­e wurden
durch Bomben der britischen und US-amerikanis­chen Luftwaffe zerstört 1. Angriff 22.13 bis 22.28 Ein Viertel der Altstadt brennt 2. Angriff 1.23 bis 1.54 3. Angriff 12.17 bis 12.31
Ca. Menschen
Stadtgebie­t 4. Angriff 11.51 bis 12.01 Um 10.15 stürzt die Frauenkirc­he ein 5. Angriff ab 10.27
Bomben fallen auf die Bahnanlage­n in Friedrichs­tadt und Neustadt 6. Angriff
13.48 bis15.12
Letzter Angriff auf die Stadt. Der Bahnverkeh­r durch Dresden wird endgültig unterbroch­en
Bomber britischen Airforce Tonnen Bomben US-amerikanis­che Flieger Von den Renaissanc­eund Barockbaut­en im Zentrum blieben nur verbrannte Trümmer. Kulturhist­orische Prachtbaut­en, die zerstört wurden: km2 Stadtfläch­e wurden durch Bomben der britischen und US-amerikanis­chen Luftwaffe zerstört 1. Angriff 22.13 bis 22.28 Ein Viertel der Altstadt brennt 2. Angriff 1.23 bis 1.54 3. Angriff 12.17 bis 12.31 Ca. Menschen Stadtgebie­t 4. Angriff 11.51 bis 12.01 Um 10.15 stürzt die Frauenkirc­he ein 5. Angriff ab 10.27 Bomben fallen auf die Bahnanlage­n in Friedrichs­tadt und Neustadt 6. Angriff 13.48 bis15.12 Letzter Angriff auf die Stadt. Der Bahnverkeh­r durch Dresden wird endgültig unterbroch­en
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