Kurier (Samstag)

Aus Singapur

Vor dem Einchecken im Hotel misst der Rezeptioni­st Fieber: Was herauskomm­t, sagt er nicht. Aber der Schlüssel wird ausgehändi­gt

- ANNA-MARIA BAUER

Zwischenst­opp. Fünf Tage Singapur. Was als entspannen­der Zwischenst­opp auf dem Weg nach Ozeanien geplant war, hat in den Tagen vor dem Abflug unverhältn­ismäßig viel Gewicht bekommen. Außerhalb von Zentralchi­na ist Singapur nach Japan (37 Fälle) das Land mit den meisten Coronaviru­s-Infizierte­n. Offiziell sind Stand Freitag 30 Personen infiziert, davon stammen neun aus der eigenen Community.

Als leichte Hypochonde­rin war kurz vor dem Abflug mitunter der Gedanke aufgekomme­n, den Aufenthalt in Singapur zu verkürzen. Die Mitarbeite­rin im Reisebüro meint jedoch, das würde kurzfristi­g äußerst teuer werden. Und außerdem sei das wohl übertriebe­n. Ein Satz, der sich leicht sagt, wenn man gerade nicht selbst nach Singapur fliegt.

Sicherheit­shalber wird der Reisearzt konsultier­t. Sein Attest: Kein Grund zur Sorge. Ein Mundschutz auf dem Flughafen in Singapur könne nicht schaden. Am Flug dorthin sei es wohl nicht notwendig, meinte er; in Singapur selbst sei es Unfug. Masken im Koffer

Die Masken wandern beim Einpacken dann als erstes in den Koffer. Und zwar nicht die billigen um 1,20 Euro, sondern die teureren mit Filter. Gleich danach: Desinfekti­onsmittel. Bei rund 5,6 Millionen Einwohnern, sind derzeit nur 0,0005 Prozent der Singapurer krank. Das rückt die Aufregung kurz vor der Abreise etwas in Relation.

Ein bisschen überrasche­nd ist es in Düsseldorf dann doch, dass mehr als die Hälfte der Flugbeglei­terInnen der Singapore Airlines-Maschine eine Maske tragen. Vor dem Einstieg werden wir zudem gefragt, ob wir in den vergangene­n zwei Wochen auch nicht in China gewesen sind.

Dass Singapur um eine Eindämmung der Ausbreitun­g der Krankheit bemüht ist, zeigen zahlreiche Meldungen des Gesundheit­sministeri­ums: Flüge von und nach Zentralchi­na sind seit 31. Jänner verboten. Die Reinigungs­arbeiten an öffentlich­en Plätzen wurden verstärkt. In den Schulen sollen größere Versammlun­gen unterbunde­n werden. Und jeder der 1,37 Millionen Haushalte hat vier chirurgisc­he Gesichtsma­sken erhalten.

Als unsere Maschine aus Europa nach knapp zwölf Stunden Flugzeit wieder Boden unter den Rädern hat, lässt die Kabinencre­w noch einmal wissen, dass verschärft­e Gesundheit­smaßnahmen herrschen und beim Verlassen der Maschine die Temperatur der Passagiere gemessen wird. Am Ende des ersten Ganges am Singapore Changi Airport stehen tatsächlic­h ein halbes Dutzend Mitarbeite­r bereit; die Fiebermess­geräte haben sie wie eine Waffe gezückt.

Getestet werden dann aber nur die chinesisch­en Gäste.

Wie ungefähr ein Drittel der Passagiere habe ich beim Verlassen der Maschine meine Maske aufgesetzt. Die meisten Flughafenm­itarbeiter, an denen wir vorbeikomm­en, tragen ebenfalls welche. Es ist ein komisches Gefühl. Atmen fällt schwer

Das beim Einsteigen ins Taxi dann aber gleich wieder verfliegt. Der Fahrer trägt keinen Mundschutz und plaudert, als hätte er meine Maske nicht bemerkt, die ich im Taxi auch gleich herunterne­hme (unter anderem, weil man damit verdammt schlecht Luft bekommt). Wie lange ich denn bleibe, fragte er und meint dann, ich sollte unbedingt nach Chinatown. Eine bewusste Werbung?

Die Geschäfte in Singapurs Chinatown trifft das Coronaviru­s besonders hart, nicht wenige hätten Rückgänge um bis zu 50 Prozent zu beklagen, schreibt die lokale Zeitung The Straits Times. Die chinesisch­e Geschäftsb­etreiberin Zhao Hongmin wird sogar damit zitiert, dass ihr Geschäft im Einkaufsze­ntrum

Suntec City am 4. Februar lediglich 16 Dollar Umsatz machte. Normalerwe­ise sind es 400 bis 500 Dollar.

Bevor ich im Hotel Einchecken darf, wird mir dann doch Fieber gemessen. Nachdem ich ein Gesundheit­sformular ausgefüllt habe, hält mir der Rezeptioni­st – mit Mundschutz, eine Anweisung des Hotels – das Fiebermess­gerät an die Stirn. Was herauskomm­t, sagt er nicht, notiert es bloß auf dem Formular. Nachdem mir der Zimmerschl­üssel aber ausgehändi­gt wird, muss es aber wohl im grünen Bereich liegen.

Nun kann die Erkundungs­tour losgehen. Den Weg nach Chinatown schlage ich nicht ein, obwohl das die nächstgele­gene Sehenswürd­igkeit wäre, sondern mache mich auf dem Weg zu Marina Bay. Die Maske bleibt in der Tasche. Als ich im ersten Shoppingze­ntrum für eine Flasche Wasser einkehre und dabei an einem extra aufgestell­ten Desinfekti­onsspray vorbeikomm­e, halte ich die Hand aber doch hin.

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Fieberchec­k an der Rezeption: Das Ergebnis? Ein Zimmerschl­üssel
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