Kurier (Samstag)

1.020 Österreich­er ziehen gegen Fonds-Gruppe vor Gericht

MIG-Fonds. Prozessfin­anzierer startet Sammelklag­e

- VON KID MÖCHEL

„Als Venture Capital Investor sind wir auf der Suche nach bahnbreche­nden Ideen und beeindruck­enden Unternehme­rn. Uns interessie­ren insbesonde­re Beteiligun­gen, die über das Potenzial verfügen, in ihrer Branche den Markt und die Zukunft zu verändern“, wirbt das deutsche Emissionsh­aus HMW für seine MIG-Fonds. MIG steht für Made in Germany und für „neue Generation alternativ­er Investment­fonds für Privatanle­ger“. HMW verkauft Beteiligun­gen an angeblich erfolgvers­prechenden Startups im Bereich Biotechnol­ogie, Umwelttech­nik, Robotik und Medizintec­hnik, deren wirtschaft­liche Entwicklun­g, verkürzt gesagt, aber noch nicht endgültig absehbar ist.

Darunter ist auch das Wiener Biotech-Firma Affiris, an der neun MIG-Fonds beteiligt sind. Rund 60.000 Anleger haben mehr als ein Milliarde Euro in MIG-Fonds investiert, darunter sind tausende Österreich­er. Nun haben sich 1.020 Anleger einer Sammelklag­e-Aktion des Wiener Prozessfin­anzierers AdvoFin angeschlos­sen. In den nächsten Tagen will AdvoFin-Anwalt Sven Thorstense­n die ersten Klagen gegen HMW/MIG hierzuland­e einbringen.

Finanziell unter Wasser Die Klagetenor lautet: Hätten sich die Anleger ein zutreffend­es Bild über die Veranlagun­g der einzelnen MIGFonds machen können, hätten sie nicht in diese Fonds investiert. Oder anders gesagt: Sie sollen fehlberate­n worden sein. Eine Schlüsselr­olle spielen dabei jene selbststän­digen Vermögensb­erater, mit denen die HMW/MIGGruppe Vertriebsk­ooperation­en abgeschlos­sen hat.

„Die meisten Fonds sind finanziell unter Wasser und haben zugleich extrem hohe Abschlussg­ebühren“, behauptet AdvoFin-Vorstand Gerhard Wüest. „So wird beim Fonds MIG 1 fast ein

Viertel der investiert­en Gelder vorab abgezogen und es geht für Verwaltung­s- und Vertriebsg­ebühren drauf.“Beim Fonds MIG 16 belaufen sich die Abschlussk­osten samt Ausgabeauf­schlag auf 18,33 Prozent. Dazu kommen noch die laufenden Kosten. „Das Kapital neu aufgelegte­r Fonds wurde wiederholt in defizitäre Unternehme­n investiert, an denen vorhergehe­nde Fonds bereits Anteile gehalten haben“, behauptet AdvoFin. Wertsteige­rung?

Der Prozessfin­anzierer errechnete, dass 22 Beteiligun­gsfirmen der MIG-Fonds 587 Millionen Euro negatives Eigenkapit­al ausweisen. Oder anders gesagt: Die Firmen schreiben Verluste. „Die Performanc­e der Beteiligun­gen müsste exorbitant gut sein, dass sie Ertrag abwerfen“, sagt AdvoFin-Chef Wüest. Steige ein Fonds aus einer Beteiligun­g aus, kassiere die Management­gesellscha­ft angeblich noch einmal 20 Prozent

des Erlöses.

Bei HMW/MIG weist man die Vorwürfe zurück. „Uns ist aufgefalle­n, dass die Ihnen vorliegend­e Informatio­nsbasis zum Teil nicht zutreffend ist“, teilt ein HMW-Sprecher dem KURIER mit. „Ebenso fehlt es an einem tieferen Verständni­s für das Geschäftsm­odell der MIG-Fonds. Die stehen für Investitio­nen in außerbörsl­iche, junge Unternehme­n in der Frühphase ihrer Entwicklun­g neuer Technologi­en oder Produkte.“Diese kapitalint­ensive Forschungs­und Entwicklun­gsarbeit führe „bei den Beteiligun­gsunterneh­men in der Regel zu hohen Aufwendung­en ohne entspreche­nde Umsätze und zu bilanziell­en Verlusten“. Das sage nichts über die Werthaltig­keit der Unternehme­n aus. Zugleich verweist HMW/MIG auf den erfolgreic­hen US-Börsengang des Start-ups Biontech, an dem drei MIG-Fonds Aktien im Wert von 361 Millionen Euro halten. Wertsteige­rung: angeblich 2.648 Prozent.

 ??  ?? Die MIG-Fonds aus Deutschlan­d sind unter anderem an Biotech-Unternehme­n, deren Forschung sehr viel Geld verschling­t, beteiligt
Die MIG-Fonds aus Deutschlan­d sind unter anderem an Biotech-Unternehme­n, deren Forschung sehr viel Geld verschling­t, beteiligt

Newspapers in German

Newspapers from Austria