Kann der Kindesunterhalt bei „Unterbetreuung“erhöht werden?
Ich habe mich vor zwei Jahren vom Vater meiner beiden vierjährigen Zwillingssöhne getrennt. Der Vater zeigte überhaupt kein Interesse an seinen Kindern und war mit der Betreuung der beiden Kleinkinder auch völlig überfordert. Die Kinder haben ihn daher fast zwei Jahre nicht gesehen. Nun möchte er doch wieder Kontakt und es finden sehr unregelmäßige Kontakte im Besuchscafé statt, die aber immer wieder vom Vater meiner Söhne abgesagt werden. Manchmal kommt er auch einfach nicht. Er zahlt aber regelmäßig Kindesunterhalt.
Bei einer Freundin wurde nun der Kindesunterhalt für ihre Tochter gekürzt, weil deren Vater angeblich die Kinder „überbetreut“. Kann ich den Kindesunterhalt für unsere Söhne dann auch erhöhen lassen, Vater „unterbetreut“?
Hannah M., Salzburg weil ihr
Liebe Frau M., da Ihre Söhne nach der Trennung vom Kindesvater in Ihrem Haushalt leben, steht dem Vater grundsätzlich ein Kontaktrecht zu seinen Kindern zu. Außerdem ist er für seine Söhne geldunterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs wird in Prozenten vom monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen errechnet. Kinder im Alter Ihrer Söhne haben einen Anspruch auf 16 Prozent des monatlichen Nettoeinkommens des Unterhaltspf lichtigen, wobei für die jeweils andere Unterhaltspflicht 1 Prozent in Abzug gebracht wird.
Im Ergebnis trifft den Kindesvater daher eine Unterhaltspf licht von 15 Prozent für jeden seiner Söhne, wenn er keine weiteren Unterhaltspflichten etwa gegenüber anderen Kindern hat.
Betreut ein unterhaltspflichtiger Elternteil seine Kinder „überdurchschnittlich“, so kann dies tatsächlich zu einer Reduktion der Geldunterhaltspflicht führen. Als „durchschnittlich“werden ein Tag pro Woche, beziehungsweise 81 Tage pro Jahr angesehen. Betreut ein unterhaltspflichtiger Elternteil ein Kind daher mehr als durchschnittlich einen Tag pro Woche, so wird seine Unterhaltspflicht nach ständiger Rechtsprechung um 10 Prozent pro weiterem wöchentlichem
Betreuungstag reduziert. Die Gerichte begründen dies damit, dass sich der andere Elternteil durch die „überdurchschnittliche“Betreuung etwas erspart, etwa Ausgaben für Essen.
Ihre Frage, ob es daher nicht auch zu einer Erhöhung des Kindesunterhalts kommt, wenn die Betreuung tatsächlich „unterdurchschnittlich“ist, ist daher durchaus berechtigt. Eine unterdurchschnittliche Betreuung würde ja im Umkehrschluss dazu führen, dass der hauptbetreuende Elternteil zusätzliche Ausgaben hat.
Der Oberste Gerichtshof hat aber erst im September 2019 entschieden, dass es zu keiner Unterhaltserhöhung bei „unterdurchschnittlicher“Betreuung durch den geldunterhaltspf lichtigen Elternteil kommt. Er begründet dies damit, dass eine Unterhaltserhöhung bei unterdurchschnittlicher Betreuung einer „unterhaltsrechtlichen Bestrafung“des kontaktunwilligen Elternteils gleichkäme, die das Gesetz aber nicht vorsieht. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass bei „überdurchschnittlicher Betreuung“, wie offenbar bei Ihrer Freundin, für jeden wöchentlichen Mehrbetreuungstag 10 Prozent vom Kindesunterhalt in Abzug gebracht werden.
Betreut ein unterhaltspf lichtiger Elternteil aber weniger als einen Tag pro Woche, gibt es auch weiterhin keine Unterhaltserhöhung über den üblichen Prozentunterhalt hinaus.