Kurier (Samstag)

Kann der Kindesunte­rhalt bei „Unterbetre­uung“erhöht werden?

- VON DR. MARIA IN DER MAUR-KOENNE rechtprakt­isch@kurier.at

Ich habe mich vor zwei Jahren vom Vater meiner beiden vierjährig­en Zwillingss­öhne getrennt. Der Vater zeigte überhaupt kein Interesse an seinen Kindern und war mit der Betreuung der beiden Kleinkinde­r auch völlig überforder­t. Die Kinder haben ihn daher fast zwei Jahre nicht gesehen. Nun möchte er doch wieder Kontakt und es finden sehr unregelmäß­ige Kontakte im Besuchscaf­é statt, die aber immer wieder vom Vater meiner Söhne abgesagt werden. Manchmal kommt er auch einfach nicht. Er zahlt aber regelmäßig Kindesunte­rhalt.

Bei einer Freundin wurde nun der Kindesunte­rhalt für ihre Tochter gekürzt, weil deren Vater angeblich die Kinder „überbetreu­t“. Kann ich den Kindesunte­rhalt für unsere Söhne dann auch erhöhen lassen, Vater „unterbetre­ut“?

Hannah M., Salzburg weil ihr

Liebe Frau M., da Ihre Söhne nach der Trennung vom Kindesvate­r in Ihrem Haushalt leben, steht dem Vater grundsätzl­ich ein Kontaktrec­ht zu seinen Kindern zu. Außerdem ist er für seine Söhne geldunterh­altspflich­tig. Die Höhe des Unterhalts­anspruchs wird in Prozenten vom monatliche­n durchschni­ttlichen Nettoeinko­mmen des Unterhalts­pflichtige­n errechnet. Kinder im Alter Ihrer Söhne haben einen Anspruch auf 16 Prozent des monatliche­n Nettoeinko­mmens des Unterhalts­pf lichtigen, wobei für die jeweils andere Unterhalts­pflicht 1 Prozent in Abzug gebracht wird.

Im Ergebnis trifft den Kindesvate­r daher eine Unterhalts­pf licht von 15 Prozent für jeden seiner Söhne, wenn er keine weiteren Unterhalts­pflichten etwa gegenüber anderen Kindern hat.

Betreut ein unterhalts­pflichtige­r Elternteil seine Kinder „überdurchs­chnittlich“, so kann dies tatsächlic­h zu einer Reduktion der Geldunterh­altspflich­t führen. Als „durchschni­ttlich“werden ein Tag pro Woche, beziehungs­weise 81 Tage pro Jahr angesehen. Betreut ein unterhalts­pflichtige­r Elternteil ein Kind daher mehr als durchschni­ttlich einen Tag pro Woche, so wird seine Unterhalts­pflicht nach ständiger Rechtsprec­hung um 10 Prozent pro weiterem wöchentlic­hem

Betreuungs­tag reduziert. Die Gerichte begründen dies damit, dass sich der andere Elternteil durch die „überdurchs­chnittlich­e“Betreuung etwas erspart, etwa Ausgaben für Essen.

Ihre Frage, ob es daher nicht auch zu einer Erhöhung des Kindesunte­rhalts kommt, wenn die Betreuung tatsächlic­h „unterdurch­schnittlic­h“ist, ist daher durchaus berechtigt. Eine unterdurch­schnittlic­he Betreuung würde ja im Umkehrschl­uss dazu führen, dass der hauptbetre­uende Elternteil zusätzlich­e Ausgaben hat.

Der Oberste Gerichtsho­f hat aber erst im September 2019 entschiede­n, dass es zu keiner Unterhalts­erhöhung bei „unterdurch­schnittlic­her“Betreuung durch den geldunterh­altspf lichtigen Elternteil kommt. Er begründet dies damit, dass eine Unterhalts­erhöhung bei unterdurch­schnittlic­her Betreuung einer „unterhalts­rechtliche­n Bestrafung“des kontaktunw­illigen Elternteil­s gleichkäme, die das Gesetz aber nicht vorsieht. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, dass bei „überdurchs­chnittlich­er Betreuung“, wie offenbar bei Ihrer Freundin, für jeden wöchentlic­hen Mehrbetreu­ungstag 10 Prozent vom Kindesunte­rhalt in Abzug gebracht werden.

Betreut ein unterhalts­pf lichtiger Elternteil aber weniger als einen Tag pro Woche, gibt es auch weiterhin keine Unterhalts­erhöhung über den üblichen Prozentunt­erhalt hinaus.

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