Künstlerhaus neu.
Neue Vorsitzende im Kuratorium der Albertina
Noch hängen keine Bilder: Erst am 12. März wird die „Albertina modern“im Künstlerhaus mit der Ausstellung „The Beginning: Österreichische Kunst 1945–1980“eröffnet. Und Tanja Prušnik gibt eine Woche vorher das Programm der Künstlerhaus Vereinigung bekannt, die in Zukunft das Obergeschoß mit der „Factory“als Multifunktionsraum bespielen wird.
Am Freitag war die Übergabe des in den letzten drei Jahren um 57 Mio. Euro sanierten, restaurierten modernisierten Baujuwels des Historismus an die beiden künftigen Nutzer.
Finanziert hat es Hans Peter Haselsteiner über seine Familien-Privatstiftung: „Es war teurer als ursprünglich vorgesehen.“Der Industrielle wollte die Sammlung Essl von der Peripherie in Klosterneuburg ins Zentrum der Bundeshauptstadt holen. Auseinandersetzungen „Mit viel Herzblut“habe alles begonnen, aber er habe nicht damit gerechnet, dass „ausgerechnet jene, die dafür verantwortlich waren und sind, dass das Künstlerhaus zu einer Ratzenburg verkommen ist, wie man in Tirol sagt, das Projekt schlechtmachen“.
Ein weiterer Wermutstropfen war die Polemik um die Dauerleihgabe und die Rolle der Albertina, „die ich voller Stolz als Kooperationspartner gewonnen habe“, so Haselsteiner. Er hat nicht nur die Adaptierung zur Gänze finanziert, sondern auch langfristig die Instandhaltungsund Wartungskosten übernimmt: „Mit diesem Haus werde ich verbunden bleiben, solange ich lebe.“
„Ich finde, wohlhabende Menschen, die in Österreich wohlhabend wurden, sollten ihren Reichtum außerhalb der Steuerpflicht auch noch zu einem gewissen Teil für die Öffentlichkeit und die Gesellschaft einsetzen, der sie ihren
Reichtum verdanken. Ich will auch kein Schulterklopfen, weil ich es für eine Verpflichtung halte, was ich hier und anderswo tue: Erhebliche Mittel für öffentliche – ob künstlerische oder soziale – Zwecke einzusetzen. Es wäre schön, wenn man dafür wenigstens nicht beschimpft wird. Das wäre Befriedigung.“
Mäzen mit Emotionen Die Dreifarbigkeit der Fassade wurde wiederhergestellt, der Terrazzoboden im Foyer rekonstruiert, ebenso strahlen die Dekorelemente und die Deckenmalereien im eine große frischen Glanz. Während die Modernisierungen und Erweiterungen im Stadtbild nicht sichtbar werden. Die Statuen von Velázquez, Bramante, Tizian und da Vinci beim Eingang scheinen schon auf Besucher zu warten.
Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder freut sich, dass das schon vor 1900 und dann immer wieder vom Abriss bedrohte und in den letzten Jahren marode Gebäude „wieder sehr stabil einer Nutzung zugeführt wird“. Und betont: „Es handelt sich dabei um die größte mäzenatische Leistung, die der bildenden Kunst in Österreich nach 1945 zugutegekommen ist.“
Offen bleibt was mit dem 1972 zum Theater umgebauten französischen Saal, lange Zeit bespielt vom brut wien, passieren wird. Die Stadt Wien wollte oder konnte die notwendigen Sanierungskosten nicht übernehmen. Haselsteiner konnte nicht die notwendigen Emotionen aufbringen. Denn „wenn Sie als Mäzen aktiv werden, muss etwas in irgendeiner Weise Ihr Herz berühren.“Tat es aber nicht – „bei aller grundsätzlichen Wertschätzung der Freien Szene als Stachel im Fleisch der Gesellschaft“.
Der 76-Jährige will sich seine Freiheit bewahren, jedenfalls „keinem Druck ausgesetzt sein“, sucht aber mit seinen Ingenieuren nach einer Lösung. Und die könnte vielleicht schon zu Ostern spruchreif sein.
Personalia. Andrea B. Braidt, Jahrgang 1971, wurde von Staatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) als Nachfolgerin von Christian Konrad zur neuen Vorsitzenden des Kuratoriums der Albertina bestellt. Die gebürtige Oberösterreicherin ist Präsidentin der European League of Institutes of the Arts und seit 2004 Senior Scientist am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien tätig.
Nach ihrem Studium in Innsbruck und Newcastleupon-Tyne (Großbritannien) sowie Forschungsaufenthalten im Ausland war Braidt Gastprofessorin an der Central European University in Budapest und von 2011 bis 2019 Vizerektorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Dabei konnte Braidt das Akademie-Budget sanieren und durch Kooperationen und Fördereinreichungen die Drittmittel für Lehrende und Studierende signifikant steigern.
Wie beginnen?
Ein neues „Stück“von Elfriede Jelinek als Stück zu erfassen, diesen Versuch haben Kritiker und Theaterbesucher ohnehin längst aufgegeben. In Jelineks Texten gibt es keine Handlungen, oder besser gesagt: Alle Handlungen auf einmal. Bei Jelinek hört die Sprache sich selber beim Sprechen zu.
Jelinek schreibt „Textflächen“, wobei sie selbst im Programmheft den Begriff „Textteppich“vorschlägt. Vielleicht trifft es das Wort „Textwurst“am besten, das der Kritiker der APA verwendet. (Und erzählt nicht Martin Wuttke zu Beginn ein absurdes Märchen von der Blutwurst und der Leberwurst?) Wo also beginnen? Vielleicht mit der
des deutschen Regisseurs Robert Borgmann. Borgmann – der unter anderem bildende Kunst studiert hat – löst Jelineks Text in frei assoziierten Bildern auf. Diese Bilder sind manchmal hoch poetisch, dann wieder komisch, manchmal rätselhaft, dann wieder knapp am Villacher Fasching, meist aber eh alles zugleich.
Joker
Da tapst Caroline Peters im rosa Gorilla-Kostüm über die Bühne, da üben sich Felix Kammerer und Christoph Luser mit Wallehaar-Perücken und Slimfit-Anzügen als Sebastian-Kurz-Parodisten-Duo. Da werden schemenhafte Ausschnitte des Ibiza-Videos auf Wände projiziert und diese Wände anschließend zertrümmert (da ist man nahe an der Regietheater-Parodie).
Da tritt Martin Wuttke mit „Joker“-Make-up vor den Vorhang und kämpft mit widerspenstigen Sesseln. Da spielt ein Biedermeier-Pärchen im Schneegestöber, da werden spanische Infantinnen-Gemälde nachgestellt. Da betrachtet die NSU-Terroristin Beate Zschäpe traurig ihr eigenes Porträt im Museum.
Bühne und Zuschauerraum gehen ineinander über, die Schauspieler sind zu Beginn Teil des Publikums, über einem Bild der BurgtheaterFeststiege prangt der Schriftzug „Eintritt macht frei“– ein Wortspiel (Eintritt = ein Tritt) und gleichzeitig Anspielung auf den Slogan „Arbeit macht frei“, mit dem die Nazis KZ-Opfer verhöhnten.
Was das alles genau soll, erschließt sich auf den ersten Blick nicht (was man auch als Hinweis darauf verstehen kann, dass es zweite und dritte Blicke braucht, wenn man klar denken will), aber eines wird dem Zuschauer deutlich gemacht: Du bist hier Komplize, du bist mitgemeint. Entsetzlich lächerlich Damit kommen wir zum aussichtslosen, weil von der Autorin vermutlich auch gar nicht erwünschten Versuch, Jelineks Text zu interpretieren.
„Über Ibiza muss man lachen, man kann es aber nicht“, schreibt Jelinek am Ende ihres Aufsatzes im Programmheft. Genau das gibt der Text wieder: Er ist die Parodie des nicht Parodierbaren, weil ohnehin schon entsetzlich Lächerlichen und lächerlich Entsetzlichen.
Jelineks Worte denken nach über Rechtspopulismus und Machtgier, über geschmeidige Politikerbuben und deren Angst vor Frauen, Fremden und sich selbst, über die religionsähnliche Verehrung moderner Ersatzgötter und Erlöserfiguren, über Gewalt und Hass, über Kunst und Medien und Mode und über eigentlich eh alles. Der Text reist von Ibiza über Verweise auf den französischen Kulturanthropologen und Religionsphilosophen René Girard bis zu Euripides und wieder retour.
„Schwarzwasser“ist gleichzeitig Essay und dramatisierte Zeitungskolumne, wild sich überschlagender Gedankenstrom und Kabarett, Wortspielplatz und kunstphilosophisches Proseminar.
Dass diese herrlich maßlose Denkübung bei der Uraufführung im Akademietheater trotz einiger Längen (mehr als drei Stunden Wortwurstkauen kann sehr anstrengend sein!) auch als Theaterabend funktioniert, liegt an den grandiosen Darstellern: Martin Wuttke, Caroline Peters, Felix Kammerer und Christoph Luser sind Jelineks Text gute Anwälte. Jubel
Ein Sprechchor und zwei sehr gute Sängerinnen unterstützen das Spiel virtuos.
Der Großteil des Premierenpublikums – darunter der Wiener Bürgermeister – nahm die Uraufführung mit Jubel entgegen, der kleinere Teil floh still. Es gab kein Buh – die Zeit der Theaterskandale ist endgültig vorbei.
Für alle, die in Jelineks Wortstrom Schwimmen lernen wollen: Der Text ist bei Rowohlt als Buch erschienen.