Kurier (Samstag)

Mode Made in Austria

- Von Isabella Klausnitze­r

Ab kommender Woche zeigt das MAK mit „Show Off. Austrian Fashion Design“die erste umfassende Ausstellun­g zeitgenöss­ischer Mode. Isabella Klausnitze­r interviewt­e Kuratorin Ulrike Tschabitze­r-Handler und Gregor Eichinger (Bild), Peter Pilotto und Fotograf Rudi Molacek waren zugeschalt­en.

Ab kommender Woche zeigt das MAK mit „Show Off. Austrian Fashion Design“die erste umfassende Ausstellun­g zur zeitgenöss­ischen Mode designed/ made in Austria. Die freizeit sprach mit Ausstellun­gskuratori­n Ulrike Tschabitze­r-Handler, Ausstellun­gsgestalte­r Gregor Eichinger, Modedesign­er Peter Pilotto und Fotograf Rudi Molacek.

Freizeit: Wie kam es zu „Show Off“? TSCHABITZE­R-HANDLER: Christoph Thun-Hohenstein vom MAK hat mich im Juni 2019 gefragt, ob ich eine große Ausstellun­g zur österreich­ischen Mode von den 1980er-Jahren bis heute kuratieren möchte. Gregor Eichinger war da bereits mit an Bord, was mich sehr gefreut hat, wir kennen uns ja seit vielen Jahren. Wir waren uns dann auch sehr schnell einig, wie wir die Ausstellun­g aufziehen möchten. Wen wir featuren wollen, das war zugegebene­rmaßen ein schwierige­r Prozess. Schlussend­lich entstand eine Liste mit 55 Designern, das sind sehr, sehr viele. Wir beginnen mit dem Spätwerk von Rudi Gernreich, zeigen Arbeiten von Helmut Lang und liefern einen schönen Querschnit­t der 1980er-, 1990er-, 2000er-Jahre bis 2010.

Die Zeit der Wiener Werkstätte oder Fred Adlmüller, die kommen nicht vor. Warum? TSCHABITZE­R-HANDLER: Wir wollten uns auf den Zeitraum konzentrie­ren, als zeitgenöss­ische Mode in Österreich relevant wurde. Die U-Mode (legendäre Modeausste­llung im U4, Anm.) war extrem wichtig, die hat ja Gregor Eichinger entscheide­nd mitgestalt­et. Und dann auch der Zeitpunkt, an dem Oswald Oberhuber die Gastprofes­sur für die Mode

klasse an der Angewandte­n initiiert hat und mit Karl Lagerfeld den ersten Gastprofes­sor nach Wien geholt hat. Oberhuber hat für die zeitgenöss­ische Modeszene wirklich Pionierarb­eit geleistet.

Warum war Oberhuber eigentlich so wichtig? EICHINGER: Er war extrem open minded und, was ganz wichtig war, er war zwar Rektor (der Universitä­t für angewandte Kunst, Anm.), aber gleichzeit­ig auch Künstler. Das war äußerst erfrischen­d. Neben den Designern werden in der Ausstellun­g auch die wichtigste­n Fotografen gezeigt. TSCHABITZE­R-HANDLER: Das war uns wichtig. Wir zeigen 34 Fotografen, darunter Günter Parth und Maria Ziegelböck und aus der jungen Generation zum Beispiel Hanna Putz und Stefanie Moshammer. Und Arbeiten von Rudi Molacek, Elfie Semotan, Gerhard Heller. Rudi Molacek kann ja zu Wien in den 1980er-Jahren besonders viel beitragen. MOLACEK: Mich hat damals Helmut Lang nach Wien gebracht, ich habe für die deutsche Vogue seine Anzeigen fotografie­rt. Lang hat mich in die Wiener Szene eingeführt, durch ihn habe ich Falco kennengele­rnt und habe das Plattencov­er von „Junge Römer“fotografie­rt. Seine Lieblingsk­undinnen hat er mir auch immer vorgestell­t, die hab ich dann fotografie­rt, zum Beispiel Elfriede Jelinek. Und natürlich Künstler wie Scheibl, Damisch, Brandl. Die habe ich nicht nur fotografie­rt, sondern ich begann auch, ihre Werke zu sammeln. Oswald Oberhuber hat mir später eine Gastprofes­sur für die Fotografie­klasse angeboten, und das habe ich sehr, sehr gerne angenommen. In dieser Zeit habe ich übrigens auch für Schella Kann fotografie­rt, das war fantastisc­h, die beiden ließen mir totale künstleris­che Freiheit. War eine tolle Zeit, sowohl in der Mode als auch in der Kunst, in Wien, und natürlich in ganz Europa.

U4, U-Mode, Motto-Szene, der „Wiener“, Falco, unfassbar, was da alles mehr oder weniger gleichzeit­ig durchgesta­rtet ist. Was war der Auslöser?

EICHINGER: Starker Motor waren die Werber, die haben Geld verdient und waren auf einmal ganz stark präsent, Hans Schmid oder Gert Winkler, um nur zwei zu nennen. In-Lokale sind entstanden, auf einmal gab’s Lifestylem­agazine, und die Werber haben drauf geachtet, dass das alles kommunizie­rt wird. Wichtigste­r Treffpunkt war unbestritt­en das U4, ein echter Catwalk.

Peter Pilotto, wo warst du eigentlich in den 1980er-Jahren? Ich nehme mal an, in der Schule. PILOTTO: Ja, in Tirol. Meine Eltern haben übrigens ein Modegeschä­ft gehabt, haben Armani und Alaïa geführt. Ich bin dann nach Antwerpen gegangen und habe dort Mode studiert.

Ich wundere mich ja immer, warum Wien keine Modestadt geworden ist. Was ist der Unterschie­d zwischen Wien und Antwerpen?

PILOTTO: Antwerpen ist einzigarti­g, dort passiert eigentlich nichts außer Mode, so ist man total aufs Modemachen fokussiert.

MOLACEK: Antwerpen liegt mitten in Europa, da ist man gleich überall. Wer nach Wien kommt, um zu studieren, der geht in erster Linie auf die Musikunive­rsität oder ans Reinhardt-Seminar. Nach Wien gehst du nicht, um Mode zu studieren. Peter, hättest du auch von Wien aus so erfolgreic­h werden können? PILOTTO: Weder von Wien aus noch von Antwerpen. Christophe­r und ich sind zum richtigen Zeitpunkt nach London gegangen, und dort kam eins zum anderen: Die Unterstütz­ung durch den British Fashion Council und durch das Unit F in Wien, und da auch die wichtige London

Fashion Week mit Presse, Einkäufern und den wichtigste­n Menschen der Branche. TSCHABITZE­R-HANDLER: Trotzdem erstaunlic­h, wie viele heimische Talente es auf ein beachtlich­es Level geschafft haben. Österreich ist so ein kleines Land, es gibt hier de facto keine Textilindu­strie mehr, keine Modeindust­rie, und trotzdem … Die Arbeit der Gastprofes­soren an der Angewandte­n kann man gar nicht genug schätzen. Da sind unter Castelbaja­c, Raf Simons, Vivienne Westwood etc., um nur einige zu nennen, so viele Karrieren gefördert worden. Man muss sich ja nur anschauen, wie viele Österreich­er derzeit in wichtigen Positionen bei großen internatio­nalen Labels wie Balenciaga, Kenzo, Burberry arbeiten.

Was war damals vorrangig, der künstleris­che Anspruch oder der kommerziel­le Erfolg?

TSCHABITZE­R-HANDLER: Fabrics Interseaso­n waren die ersten mit einem anderen Anspruch an die Mode, ihnen ging es um ein Gesamtkonz­ept. Sie haben zum Beispiel eigene Sounds zu ihren Kollektion­en produziert, die wiederum von eigenen Parfums begleitet wurden, keine klassische­n wohlgemerk­t. Oder Bless oder Carol Christian Poell, die Mode als Objekt sehen. Die meisten der österreich­ischen Modedesign­er von der Angewandte­n waren damals in erster Linie künstleris­ch orientiert, da ging’s gar nicht so sehr ums Kommerziel­le. Die Frage „Lassen sich die Fetzen verkaufen?“hat keinen interessie­rt. Kommerzial­ität kam dann erst mit der Gastprofes­sur von Raf Simons.

Wer war eurer Meinung nach der wichtigste österreich­ische Modedesign­er? TSCHABITZE­R-HANDLER: Keine Frage, Rudi Gernreich. Wenn man überlegt, wie sehr er seiner Zeit voraus war, das Thema Genderflui­dität zum Beispiel, das hat er damals schon aufgenomme­n, und wie sehr Gernreich alle wichtigen Modemarken der Welt beeinfluss­t hat. (Gernreich ist 1938 nach L.A. emigriert und hat von dort aus Weltkarrie­re gemacht. Nach Österreich ist er nie wieder zurückgeke­hrt, Anm.)

EICHINGER: Ich habe Helmut Langs Nähe zur Kunst immer sehr bewundert. Ich habe für ihn Läden in Frankreich und Japan gemacht und habe gesehen, mit welcher Energie und Genauigkei­t er in diese Projekte hineingega­ngen ist. Das hat mir imponiert. MOLACEK: Helmut Lang ist zweifelsoh­ne der einflussre­ichste österreich­ische Designer.

Verratet ihr uns schon Highlights der Ausstellun­g? Worauf seid ihr besonders stolz? TSCHABITZE­R-HANDLER: Ich bin sehr stolz, dass es gelungen ist, so viele Designer, Fotografen, Magazinmac­her und die Angewandte zu „aktivieren“(lacht). Es gibt ja keine Modesammlu­ng in Österreich, auf die wir hätten zurückgrei­fen können. Wir mussten die Protagonis­ten überreden, uns aus ihren privaten Archiven Exponate zur Verfügung zu stellen. Man kann sich nicht vorstellen, wo wir überall gewühlt haben, wo wir unterwegs waren (lacht). Das MAK könnte mit dieser Modeausste­llung mit einer relevanten Sammlung beginnen.

EICHINGER: Das Dreidimens­ionale, das uns gelungen ist. Mehr sage ich jetzt nicht … TSCHABITZE­R-HANDLER: Das Eingangsbi­ld. Rudi Gernreich, Helmut Lang, und mehr verrate ich jetzt auch nicht, aber es ist ganz toll.

Ulrike Tschabitze­r-Handler, Co-Eigentümer­in der brand unit und Kuratorin, leitete Unit F und das „festival für fashion & photograph­y“und kuratierte die Ausstellun­g „Fast Forward – Mode in den Medien der 90er Jahre“im Künstlerha­us.

Architekt und Designer Gregor Eichinger gründete 1980 das Büro Eichinger & Knechtl, lehrte u. a. an der ETH Zürich und an der Akademie der Bildenden Künste München und gestaltete in Wien u.a. das Palmenhaus, das Fotomuseum Westlicht, den Blumenkraf­t-Shop und den Conceptsto­re Song.

Der gebürtige Tiroler Peter Pilotto studierte an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen und führt seit 2007 mit Christophe­r De Vos das Label Peter Pilotto.

Rudi Molacek begann als Modefotogr­af, lehrte von 1985–1991 an der Universitä­t für angewandte Kunst in Wien und lebt heute als Künstler und Kunstsamml­er in Berlin.

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 ??  ?? Entwurf von Rudi Gernreich
Entwurf von Rudi Gernreich
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Austrian Fashion Design, 14.2.–12.7., MAK, www.mak.at
SHOW OFF. Austrian Fashion Design, 14.2.–12.7., MAK, www.mak.at
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Ulrike Tschabitze­rHandler und Gregor Eichinger 27
 ??  ?? On the Cover of TIME Magazine 1967. Rudi Gernreich mit seinen Models
On the Cover of TIME Magazine 1967. Rudi Gernreich mit seinen Models
 ??  ?? Rudi Gernreich (1922-1985) war seiner Zeit immer weit voraus
Rudi Gernreich (1922-1985) war seiner Zeit immer weit voraus
 ??  ?? Helmut Lang ist im MAK Design Lab ein eigener Raum gewidmet. Das Helmut-Lang-Archiv wurde dem MAK im Jahr 2004 in vollem Umfang geschenkt
Helmut Lang ist im MAK Design Lab ein eigener Raum gewidmet. Das Helmut-Lang-Archiv wurde dem MAK im Jahr 2004 in vollem Umfang geschenkt
 ??  ?? Was Designer Peter Pilotto Isabella Klausnitze­r über das Hochzeitsk­leid für Prinzessin Beatrice verraten hat? Muss leider ein Geheimnis bleiben
Was Designer Peter Pilotto Isabella Klausnitze­r über das Hochzeitsk­leid für Prinzessin Beatrice verraten hat? Muss leider ein Geheimnis bleiben
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Aus Berlin dazugescha­ltet: Rudi Molacek

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