Hausbesuch
Beim Interview in Klosterneuburg überraschte Stefan Ruzowitzky mit einer provokanten Aussage: „Es gibt zu wenig echte Männer im TV.“Er hat Barbara Reiter aber eine Ausnahme verraten. Wer das wohl ist? Außerdem: Ruzowitzkys Oscar-Favorit und alles über seinen neuen Film ab
Regisseur Stefan Ruzowitzky, 58, sieht sich die Oscar-Verleihung nur fallweise an. Auch den eigenen Oscar nimmt er selten in die Hand, weil er unerreichbar auf einem Wandvorsprung seines Wohnzimmers steht. Gegen einen zweiten Goldjungen hätte er aber nichts und legt mit seinem neuen Film den Grundstein dazu. Warum Ruzowitzky sein Lieblingsbuch verfilmt hat und wer für ihn im TV seinen Mann steht.
Freizeit: Herr Ruzowitzky, sehen Sie sich die Oscarverleihung noch an?
STEFAN RUZOWITZKY: Unregelmäßig, aber ab und zu werde ich mit der eigenen Verleihung konfrontiert. Als sie unlängst bei einem Vortrag eingespielt wurde, war ich zu meiner eigenen Überraschung tatsächlich nochmals gerührt. Es war doch ein lebensverändernder Abschnitt.
Nur positiv oder auch negativ?
Ich weiß, die Leute würden gerne hören, dass so ein großer Erfolg auch Schlechtes mit sich bringt. Es war aber nicht so. Beruflich hilft es mir weiter, und um Promis herrscht bei uns ja nicht so eine Hysterie, wie das in Amerika der Fall ist. In Deutschland bin ich zwar in der Branche bekannt, aber auf der Straße erkennt mich keiner. Falls doch, ist es immer positiv. Ich bin ja nicht damit bekannt geworden, Känguruhoden zu essen und kann nur empfehlen, einen Oscar zu gewinnen.
Warum haben Sie uns zu sich nachhause eingeladen? Je prominenter jemand ist, desto seltener passiert das. Ich habe ab und zu Fototermine daheim, insofern ist es kein Tabubruch. Ich fühle mich wohl hier, praktisch war es auch, weil ich danach in den Schneideraum muss. Ich freu’ mich, euch hier zu haben!
Welchen Film schneiden Sie?
Meinen Film „Hinterland“mit Murathan Muslu, Matthias Schweighöfer und Liv Lisa
Fries (Anm.: bekannt aus „Babylon Berlin“), der nächstes Jahr ins Kino kommt. Davor startet aber im März mein Film „Narziss und Goldmund“. Die Projekte haben sich überschnitten. Im Prinzip versuch’ ich aber, es so zu timen, dass ich mich auf einen Film konzentrieren kann. Hesses „Narziss und Goldmund“ist Schulliteratur, die noch nie verfilmt wurde. Was hat Sie gereizt?
Als Jugendlicher war das eines meiner Lieblingsbücher, das mich bis auf die Grundfeste erschüttert hat. Ich hatte das Gefühl, da wird über Lebensfragen geschrieben, die mich selbst gerade betreffen. Welchen Lebensweg schlag’ ich ein? Was ist Freundschaft? Die ganz großen Themen. Hesse hat da etwas geschaffen, das Menschen wirklich tief anspricht. Was hatte die größte Wirkung auf Sie? Im Buch beschreibt Hesse nicht nur die heile Welt, es passieren auch schreckliche Dinge. Faszinierend ist, wie die Helden mit Tod und Gewalt umgehen. Sie geben trotzdem nie auf. Das ist mir nahe.
Weil es Ihren Charakter widerspiegelt? Ich bin optimistisch, wohlwissend, dass Menschen schreckliche Dinge tun und es auch Abgründe in mir selber gibt – über die ich jetzt nicht sprechen werde (lacht). Man muss trotzdem weitermachen, ohne bitter oder negativ zu sein.
Sie könnten mit einer Literaturverfilmung auch wieder Chancen auf einen Oscar haben.
Da darf man nichts verschreien.
„Die Blechtrommel“nach Günter Grass hat 1979 den Oscar gewonnen.
Man muss schauen. Tendenziell haben wir „Narziss und Goldmund“als breiten Mainstream-Film angelegt. Das war auch der Ansatz vom Verleih, der sehr viel Geld investiert hat und keinen verqueren, kontroversiellen Arthausfilm wollte, sondern großes, opulentes Unterhaltungskino. Man wird sehen, ob das für die Academy passt. Aber gegen einen zweiten Oscar hätten Sie nichts?
Nein! (lacht)
Man muss das fragen, weil Sie den Preis in Ihrem Haus gut versteckt haben.
Das Understatement ist natürlich beinharte Berechnung. Es weiß jeder, was bedeutet, dass ich nichts sagen muss. Es ist viel eleganter, wenn man seine Erfolge nicht pausenlos hinauskrähen muss.
Haben Sie eigentlich Angst vor Kritik an Ihren Filmen?
Allen Menschen recht getan, ... „Narziss und Goldmund“ist ein großer Film, an dem ich seit Jahren dran bin. Da bedeutet es dir was, ob die Leute das annehmen oder nicht. Ich habe auch bei Kollegen gesehen, dass es an die Substanz geht, wenn man eine Watschen bekommt. In unserem Fall gehen wir auf ein reiferes Publikum, das schon bei Mitte 20 beginnt und ein, bis zwei Mal pro Jahr bewusst ins Kino geht. Wenn wir die überzeugen können, das ist was für euch, weil es auch um philosophische Themen geht, könnte der Film sehr, sehr erfolgreich werden.
Was ist derzeit Ihr Lieblingsfilm?
Ich habe alle Oscar-nominierten Filme schon gesehen. „Little Women“ist großartig und, ähnlich wie unser Film, eine historische Literaturverfilmung, die sehr zeitgemäß wirkt.
Welche Darsteller gefallen Ihnen?
In Österreich finde ich Murathan Muslu derzeit ganz großartig. Der hat Charisma, gepaart mit Fleiß. Es gibt ja auch zu wenig richtige Männer im deutschen Film.
Jetzt machen Sie sich gerade unbeliebt. Viele Männer sind einfach intellektuell zu verkopft, dann gibt’s tolle Männer, die ein bisschen zu jung sind, andere wieder zu alt. Aber Männer wie Murathan in der Blüte der Jahre, wo jede Frau das Gefühl hat, dass sie in Sicherheit ist, weil er die männliche Physis dazu hat, gibt es wenige.
Wie sieht es bei den Frauen aus?
Da würde ich jetzt international gehen. Saoirse Ronan, die in „Little Women“spielt, ist eine großartige Darstellerin. Sie hat jetzt einen Rekord gebrochen, weil sie erst Anfang 20 ist und schon zum vierten Mal für den Oscar nominiert ist.
Herr Ruzowitzky, was ist die Quintessenz dessen, was das Leben Sie bisher gelehrt hat?
Das ist so eine Fragebogenfrage. Wenn man länger Zeit hätte ... Aber es geht schon darum, sich auf neue Dinge einzulassen und alles auszuprobieren. Ich bin zum Beispiel beim Essen sehr abenteuerlustig, von der gebratenen Seidenraupe bis ...
... zum Känguruhoden?
Naja, ohne Dschungel. Es geht mir darum, zu versuchen, offen und wach zu bleiben und, wie gesagt, nicht bitter und negativ. Es gibt ja so Menschen, die, speziell wenn sie älter werden, nur noch das Negative sehen. Da arbeite ich fest daran, dass das nie in diese Richtung geht.
Was würden Sie zum Schluss unseres Gesprächs gerne noch loswerden?
Da muss ich jetzt ganz banal und peinlich sein und den werten Leser dringend bitten, sich „Narziss und Goldmund“anzusehen. Wer den Film sieht, erfährt mehr über meine Gedanken und Gefühle, als ich je selbst in Worte fassen könnte.
„Es gibt ja so Menschen, die, speziell wenn sie älter werden, nur noch das Negative sehen. Da arbeite ich fest daran, dass das nie in diese Richtung geht.“